Wahrscheinlich war diese fast schon aggressive Gleichgültigkeit, die die Betreibergesellschaft Mar de Mallorca der Wiedereröffnung des Ballermann 6 entgegengebracht hat, weniger Strategie als Realismus. Denn zwar ist es sonnig an diesem Samstagmittag, aber es ist eben auch erst der 18. März. Die wenigen Gäste strahlen eine eher gelangweilte Gelassenheit aus. Ein Bierchen, eine Maracuyasaftschorle. Ja, auch ein Glas Sangria steht hier und da auf den Tischen. Aus den Lautsprechern erklingt in dezenter Lautstärke angenehm unspezifische Latino-Musik, die nicht weiter das Gesamterlebnis beeinträchtigt.

Sollten hier irgendwann wieder Exzesse stattfinden, müssen sich die Kunden ziemlich anstrengen. Der neue Laden wirkt so aufgeräumt, dass man nicht mehr weiß, ob es sich noch um minimalistisches skandinavisches Design oder einfach nur Faulheit handelt. Es ist fast schon ein Wunder, dass sich die Gäste noch Alkohol bestellen. Der Ballermann, Sinnbild des deutschen Exzesses, medial bis ins letzte ausgereiztes Symbol für alles, was man an den Deutschen lieben oder hassen kann, wirkt wie eine Smoothiebar. Die freundliche Mischung aus mattem Grün, Naturholz und Weiß ist fast schon ein Plagiat des Farbenspektrums eines Reformhauses. Nur der Geruch ist besser. Der englische Name „Beach Club Six" klingt da wie Leute, die „Wellness" sagen, wenn sie Physiotherapie meinen.

Doch das muss nicht alles schlecht sein. Das Personal ist freundlich, das Mittelmeer glänzt immer noch blau im Sonnenschein. „Der Strand ist ziemlich schmal", wundert sich ein deutscher Tourist, der zum ersten Mal auf Mallorca ist. Wenn das die einzige Beschwerde ist, die man an den Ballermann 6 haben kann, ist alles gut.

Es gibt diesen Witz, der erzählt, dass ein Wirt verhaftet wurde, weil er auf der Karte Bier stehen hatte, aber die andalusische Marke „Cruzcampo" servierte. Hier am Ballermann wird „San Miguel" serviert, wenn man Bier bestellt. Geschmacklich mit „Cruzcampo" zumindest verschwägert, kostet hier die Variante im kleinen Glas 3,45 Euro. Das mag an vielen Orten der Welt für ein gutes Bier kein Preis sein, aber bei „San Miguel" ist es einfach nur eine Einladung, sich doch den Liter gleich im Minimarkt zu kaufen und am Strand zu saufen. Wenn man nur selten erwischt wird, rechnet sich da auch das Risiko einer Strafe.

Es ist immer wieder faszinierend, wenn man beobachtet, was mit Orten passiert, die aufgewertet werden sollen. Das Wort impliziert eine gewisse Klasse, Stil, etwas, dem man mit neugieriger Furcht begegnet. Stattdessen wird es eher langweilig gemacht, austauschbar. Wer schon mal in Berlin Mitte war, kennt das Konzept. Es ist nicht verkehrt, aber es entstehen Treffpunkte, die fast schon an Nicht-Orte grenzen. So wie Bahnhöfe oder Flughäfen. Man kann sich da sicherlich wohl oder unwohl fühlen, aber so richtig reiben kann man sich daran nicht. Vor allem hat man nicht das Gefühl, dass da echte Menschen leben oder zusammenkommen. Sie wirken wie vorgespielte Realität.

Für viele Menschen wird es nicht traurig sein, wenn der Ballermann 6 zu einem solchen Ort wird. Sie haben sich eh nicht dafür interessiert. Oder es gibt ja noch andere Orte. Für die aber, die mit diesem Ort etwas verbinden, wird etwas verloren gegangen sein.