Als Beatles-Gitarrist George Harrison (1943 bis 2001) 1967 während einer TV-Diskussion der BBC in London mit dem Mallorquiner Joan Mascaró (1897 bis 1987) zusammentraf, war es schnell um ihn geschehen. Sein Gespräch mit dem renommiertesten Übersetzer heiliger Hindu-Texte aus dem Sanskrit und der Sprache Pali ins Englische weckte nach Überzeugung des Musikwissenschaftler Francesc Vicens vollends das Interesse des berühmten Popstars für die fremde Kultur. „Es begann ein anderthalb Jahre dauernder Briefwechsel der beiden", so der Forscher. Vicens fand das so interessant, dass er ein Buch darüber schrieb („­George Harrison. The Inner Light, una vida espiritual", Editorial Milenio, 257 Seiten, 20 Euro).

Sehr bekannt war Joan Mascaró auf seiner Heimatinsel nicht. Verbürgt etwa ist eine Anek­dote aus den 80er-Jahren: Damals sah der Bürgermeister von Mascarós Heimatdorf Santa Margalida den greisen Intellektuellen in einer TV-Sendung und fragte laut in die Runde, wer zum Teufel das denn sei. „Erst später wurde eine Bibliothek in der Gemeinde nach ihm benannt", so Vicens.

Doch auch heute sei Joan Mascaró fast völlig unbekannt auf der Insel, beklagt sich der Mascaró-Experte. „Außer der Bibliothek und einer Straße in Establiments erinnert rein gar nichts an ihn." Als Protegé des Impressarios Juan March und Betreuer von dessen gleichnamigem Sohn hatte es Mascaró in den 30er-Jahren nach Cambridge verschlagen. An der berühmten Universität arbeitete er sich zum Dozenten orientalischer Sprachen und englischer Literatur hoch. In den 60er-Jahren wurde er auf die Beatles aufmerksam, weil ihn der nur von indischen Musikern dargebotene Song „Within You, Without You" des Albums „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" begeisterte. In seinem Briefwechsel mit Harrison äußerte Mascaró, dass ihn dieses Lied an Ceylon (Sri Lanka) erinnert habe, wo er sich in den 30er-Jahren kurzzeitig aufgehalten hatte.

„Joan Mascaró begriff schnell, dass Harrison anders als die anderen Beatles, die alles touristischer und folklorehafter sahen, viel ernsthafter und nachhaltiger an Indien interessiert war", sagt Musikforscher Francesc Vicens. Ringo Starr etwa habe es während des berühmten Trips der Stars zum Sektenführer Maharishi Mahesh Yogi (1917 bis 2008) im Jahr 1968 nur acht Tage ausgehalten. „Als seine Campbell's-Dosensuppen ausgingen, hatte er die Nase voll." John Lennon sei zwar angetan gewesen, aber nicht allzu sehr, und Paul McCartney habe eh nur „sein eigenes Ego" gestreichelt. Harrison versuchte jedoch auf Vorschlag von Mascaró, das in asiatischen ­Religionen ­wichtige „innere Licht" in seine Songtexte einzuarbeiten. Der Ohrwurm „My Sweet Lord" ist ein bekanntes Beispiel dafür. Um zu lernen, traf sich Harrison immer wieder mit Ravi

Shankar (1920 bis 2012), dem bekannten Virtuosen des Zupfinstruments Sitar. Er respektierte den Musiker vom Subkontinent so sehr, dass er bei dessen Konzerten so wie von ihm verlangt ruhig blieb und nicht rauchte - für viele undenkbar in jener wilden Woodstock-Zeit. „Außerdem suchte er Lehrer in spirituellen Fragen", so der Forscher, zumal er auch eine ganz andere, wilde Seite hatte - etwa oft bei Formel-1-Rennen auftauchte. Harrison rang sich allerdings nie durch, Mallorca im Allgemeinen und Santa Margalida, wo Mascaró begraben liegt, im Besonderen zu besuchen.

Angesichts der Bedeutung von Mascarós Übersetzungen („auch Beat-Autoren wie die US-Amerikaner Jack Kerouac oder Allen Ginsberg waren hin und weg") kann es Francesc Vicens nicht fassen, dass im laufenden Jahr - dem 30. nach Mascarós Tod - auf der Insel so gar nichts zu seinen Ehren veranstaltet wird. „Dabei ist er wirklich fast so bedeutend wie der 1316 gestorbene Mittelalter-Philosoph Ramon Llull, dem im letzten Jahr mit vielen Veranstaltungen gedacht wurde."

Es seien halt Mascarós Texte gewesen, die die Menschen in einer Zeit beeindruckten, „als die nach dem Zweiten Weltkrieg und während des Vietnamkriegs moralisch angeschlagenen jungen Leute im Westen in Asien nach Werten suchten".