Vor der Gärtnerei parkt im Schatten ein Lieferwagen mit Anhänger. Er ist voll beladen mit Setzlingen der edelsüßen Gewürzpaprika tap de cortí. Die Pflänzchen sind bereits zwanzig Zentimeter hoch und wollen dringend auf das Feld ausgepflanzt werden.

Wie Mallorcas ursprünglichste Paprikasorte ausgesät wird, ist in einer großen Halle der Biogärtnerei „Viver bio" in Manacor zu beobachten. Auszubildende verteilen die Samen in Pflanzpaletten. Insgesamt 18 Menschen mit psychischen Behinderungen arbeiten hier. „Die dreijährige Lehre sieht 38,5 Wochenstunden vor, in denen wir theoretisches und praktisches Wissen vermitteln", sagt Juanjo Plou, einer der beiden „Meister" der Gärtnerei, die kürzlich eröffnet wurde und bereits im Besitz des Öko-Zertifikats vom Inselrat ist.

Die Lehrwerkstätte

Entschuldigend weist Plou darauf hin, dass die Aufzuchttöpfe noch aus Kunststoff sind, was eigentlich nicht zum Ökoanbau passt. „Wir beliefern zwei Großkunden, die Biofarm Sa Taulera bei Manacor und die Bioproduktion des Gewürzhändlers Crespí dieses Jahr mit 25.000 Setzlingen", sagt der Mallorquiner. Großabnehmer und auch private Kunden bringen die Paletten zurück, denn sie sind für viele Aussaaten brauchbar. Plou hofft, dass eines Tages die Mittel vorhanden sind, um auf umweltverträgliche Aufzuchttöpfchen umsteigen zu können.

Das gilt auch für die Aufzucht­erde, die noch aus Deutschland stammt. Der lange Transportweg passt nicht zur Null-Kilometer-Idee der Biogärtnerei. Weiterhin ist fragwürdig, dass sie große Mengen Torf von Mooren enthält, deren Bestand durch den Abbau gefährdet ist. Im „Viver bio" stehen bereits große Kompostvorräte zur Verfügung, doch noch ist man nicht in der Lage, diese für die Aussaat keimfrei zu machen. Das kann nur die große Hitze eines Spezialofens. Im Einsatz stehen bereits in großen Fässern selbst zubereitete pflanzliche Mittel zur Schädlingsbekämpfung, wie beispielsweise der vorbeugend verabreichte Brennnesselsud.

Nachdem die Sorten beschildert worden sind, stellen die Auszubildenden die Aufzuchtpaletten in einen wohltemperierten Raum zum Keimen. Sind die Pflänzchen „geschlüpft", kommen sie auf die Pflanztische in einer großen, lichtdurchfluteten Halle nebenan, in der eine Bewässerungsanlage sie gezielt mit Feuchtigkeit versorgt.

Grundstück, Hallen und Gewächshäuser gehören zu einer alten Gärtnerei außer Betrieb. Ihr Besitzer vermietet die Anlage jetzt für das Projekt „El viver bio" an die 1997 gegründete Behinderteneinrichtung „Estel de Levant" in Manacor. „Im Jahr 2016 bildeten wir mit 27 Lehrern und Psychologen insgesamt 173 Menschen mit psychischen Erkrankungen aus", erklärt Guillem Febrer, Leiter der Einrichtung. Die Biogärtnerei hat man seit zwei Jahren geplant und dabei auch ­Kontakte zu ­Behindertenwerkstätten in Deutschland geknüpft. Die Lehrlinge werden heute nach dem dualen Ausbildungssystem unterrichtet und haben gute Chancen, sich in die Arbeitswelt zu integrieren.

Alte Gemüsesorten

Im „Viver bio" werden Gemüse- und Tomatensorten gezogen, die sich auf der Insel bewährten. Die Samen für die diesjährige Gemüsesaison stammen von der „Associació de Varietats Locals de les Illes Balears". Samen für Kräuter, wie zum Beispiel Dill, bezieht man außerdem vom Öko-Lieferanten Reinsaat aus Österreich. Im kommenden Jahr werden - wenn alles gut geht - die eigenen Pflanzen Samen liefern. Denn nicht alle Setzlinge werden verkauft, sie sind auch für die Gemüsegärten auf dem Gelände des Ausbildungszentrums bestimmt.

Hier wird die - über die Insel hinaus bekannte - Anbaumethode parades en crestall nach den Grundsätzen von Gaspar Caballero de Segovia praktiziert. Die Beete, die mit Kompost ausgelegt und nur auf den mit Fließen ausgelegten Wegen betreten werden, sind nicht nur zur Ausbildung gedacht. Kunden, die einen Gemüsegarten planen, können sich hier Anregungen holen und werden auch beraten. Gepflanzt sind in den Beeten bisher Zwiebeln, Paprika und Melonen. Sie gedeihen prächtig.

Nach der traditionellen Methode mallorquinischer Landwirte wachsen in lang gezogenen Beeten Tomatenstauden. Hier werden im Sommer die altbewährten Sorten Negra, Valldemossa, Mucha Miel oder Cor de Bou geerntet. Nur von den für die Sorte typischen Exemplaren trocknet man die Samen für die Aussaat kommender Jahre.

Die Basis für das Wohlergehen der Pflanzen ist Kompost. Organische Küchenabfälle aus einem Hotel ergeben gemischt mit Schnittgut beste Erde. Geplant ist, mit weiteren Hotels zu kooperieren und mehr pflanzliche Abfälle von Stadt- und Gemeindeverwaltungen in Kompost zu verwandeln.

Geflechte aus Schilfrohr

Ein paar Schritte vom Gemüse­beet entfernt schneiden zwei Auszubildende mit Sicheln Blätter von den Stangen des Schilfrohrs (caña span., canya kat). „Wir holen die Rohre im Dezember und Januar aus den Bachbetten, wo sie meist Schaden anrichten", sagt Plou. Nach dem Trocknen werden die Stangen nach Größen und Stärken sortiert und verkauft oder weiterverarbeitet. Beispielsweise als Paneele für Sichtschutz, für die an in regelmäßigen Abständen in der Erde versenkten Holzpfosten drei quer verlaufenden cañas befestigt sind. Zwischen ihnen werden die Rohre eingeflochten. Halbierte Stangen können zu Schutzgittern für Jungbäume gegen gefräßiges Getier geflochten werden.

Als der Rundgang durch die Gärtnerei zu Ende ist, kommen Plou auf einmal die Setzlinge im geladenen Lieferwagen wieder in den Sinn. Er befürchtet, dass sie in der Mittagshitze welken könnten, verabschiedet sich und macht sich eilig auf den Weg.