Wenn Monika und Jürgen Umland in Cala Ratjada im Nordosten von Mallorca von A nach B gehen wollen, dann dauert das seine Zeit. Hier ein Pläuschchen, dort ein Bussi und schnell noch mal mit dem Kellner von nebenan geschwatzt. „Mittlerweile werde ich auch in Artà oder am Flughafen in Palma angesprochen. Manche Leute wollen dann sogar ein Foto mit mir", sagt Monika Umland und lacht. „Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht."

Eigentlich ist sie es, die gerne fotografiert. Sonnenaufgänge, kleine Buchten, Mandelblüten - alles, was ihr ins Auge sticht und fast alles in und um Cala Ratjada. Am 1. Mai 2015 gründete Monika die Facebook-Gruppe „Cala Ratjada Insider" und begann, ihre Schnappschüsse regelmäßig zu veröffentlichen - ohne zu erahnen, dass die Gruppe sie schon bald 24 Stunden am Tag beschäftigen sollte. Was klein und spontan anfing, hat heute mehr als 11.000 Fans, fast stündlich neue Beiträge und täglich neue Anfragen.

„Es war, als hätten wir in ein Wespennest gestochen", sagt Jürgen Umland. „Etwas ins Leben gerufen, auf das viele gewartet hatten." Andere deutsche Residenten und auch Urlauber traten der Gruppe bei, ebenso wie Saisonarbeiter und Pendler. „Es gibt so viele, die sich mit Cala Ratjada identifizieren. Die immer wiederkommen und sich danach sehnen, wenn sie nicht hier sind."

Schnell fingen die Gruppenmitglieder an, nicht mehr nur über Monikas Fotos und ihre Sehnsüchte zu schreiben, sondern auch Fragen zu stellen. Wer kennt ein besonders familienfreundliches Hotel im Ort? Wo gibt es gute Tapas? Wie weit sind die Bauarbeiten im Hostel xy vorangeschritten? Wo wird heute das Bundesligaspiel übertragen? Wie ist das Wetter für gewöhnlich im September? Auf alles gab Monika Umland von Anfang an zuverlässig Antwort. Viele Dinge konnte sie schon damals ganz einfach aus dem Kopf beantworten - „immerhin leben wir mittlerweile seit 20 Jahren hier" - aber je nach Thema musste sie recherchieren oder sich vor Ort erkundigen.

Und das macht Monika Umland bis heute, mittlerweile tatkräftig unterstützt von ihrem Mann Jürgen und ihrer Freundin Marja Link: Wenn eine besorgte Mutter vor ihrem Mallorca-Urlaub in die Gruppe fragt, ob und wo man Babymilch einer ­bestimmten Marke rund um Cala Ratjada bekommt, dann fährt Monika in die Supermärkte und sucht, bis sie eine Antwort gefunden hat. Wenn ein User wissen möchte, welche medizinischen Möglichkeiten sein betagter Vater mit Beatmungsgerät im Urlaub vor Ort hat, dann erkundigt sich Jürgen Umland, bis er die Informationen zusammenhat. „Wir sind zu wandelnden Cala-Ratjada-Lexika geworden", sagt Jürgen Umland lachend. „Und natürlich sind auch viele andere Gruppenmitglieder hilfsbereit und antworten auf Fragen."

Einmal wandte sich eine Frau mit einem Hilferuf an die Gruppe: Sie habe das Plüschtier ihres Sohns im Hotel vergessen, sei aber bereits am Flughafen, das Drama sei entsprechend groß. „Also bin ich losgefahren, habe das Plüschtier gerettet und in der Gruppe nach einem Flugpaten gesucht, der den Teddy mit nach Frankfurt nehmen kann", berichtet Monika Umland. Es gab ein Happy End, wieder flossen Tränen, diesmal aber vor Freude. Auch entlaufene Haustiere wurden durch die Gruppe bereits wieder mit Herrchen vereint und Spendenaktionen organisiert.

Klatsch, Tratsch, Informationen und Austausch rund um das Urlaubsörtchen zeichnen die Gruppe aus. „Was uns besonders freut, ist, dass die Mitglieder immer mehr Kontakte knüpfen, es sind schon so viele Freundschaften entstanden", so die Umlands. Ganz unbeteiligt sind die Rheinländer daran nicht. Vor anderthalb Jahren riefen sie zum ersten Mal zum Mettbrötchenessen in einem Lokal an der Meerespromenade auf. „Es kamen spontan rund 20 Leute." Mittlerweile hat sich der samstägliche „Mettbrötchenstammtisch" zu einer festen Institution entwickelt. Hier kommen Cala-Ratjada-Neulinge, Stammurlauber und Residenten zusammen, genau wie bei den Mittwochabendtreffs, die immer in verschiendenen Bars stattfinden. „Von den 11.000 Mitgliedern haben sich schätzungsweise 3.000 schon persönlich getroffen", so die Umlands, die, wenn möglich, kein Treffen auslassen.

Auch Fahrgemeinschaften zum Flughafen werden in der Gruppe gebildet, private Treffen organisiert oder Verabredungen für den Besuch von traditionellen Feiern wie Sant Antoni getroffen. „Oft danken uns die Leute. Hier im Ort gibt es auch viele einsame Deutsche und mehrere haben bereits zu uns gesagt, dass sie sicherlich über kurz oder lang nach Deutschland zurückgekehrt wären, wenn es die Gruppe nicht gäbe." Die Altersspanne der Mitglieder reiche etwa von 16 bis 75 Jahren. „Die Menschen hier sind so vielfältig wie der Ort selbst. Hier kann man Party machen, muss es aber nicht. Hier hat man wunderschöne Natur und eine große Auswahl an Gastronomie. Für jeden etwas."

Kritik, sie würden sich an der Gruppe bereichern, weisen die Umlands zurück. Geld gebe es nur durch Anzeigen im „Cala Ratjada Insider Magazin", einer gedruckten Broschüre, die im ganzen Ort ausliegt. „Die Idee dafür entstand durch die Gruppe. Aber alles, was wir bei Facebook machen, geschieht ohne Gewinnabsichten."