Es heißt, dass Luis Francisco Ladaria im Jahr 2008 sechs Seiten vollschrieb, um dem damaligen Papst Benedikt XVI. auszureden, ihn zum Sekretär der Glaubenskongregation der katholischen Kirche zu machen. Es nützte nichts: Benedikt, der als Kardinal Joseph Ratzinger von 1981 bis 2005 selbst der Glaubenskongregation vorgestanden hatte, ernannte den Mallorquiner zur Nummer zwei der einstigen Heiligen Inquisition.

„Der heilige Ignatius lehrte, dass Jesuiten hohe Ämter grundsätzlich ablehnen sollten", erklärt Miguel Garau Horrach das Verhalten des heute 73-Jährigen aus Manacor. „Doch er sagte auch, dass Anweisungen des Papstes Folge geleistet werden muss." Der 80-jährige Garau ist selbst Jesuit und lebt über dem Colegio Nuestra Señora de Montesión Palma - jener vor 456 Jahren gegründeten Jesuitenschule in Palma, auf die in den 50er-Jahren auch Ladaria ging. Der fiel dort als dermaßen helle auf, dass er von der Schulleitung 1960 als bester Schüler seines Jahrgangs den kuriosen Titel „Prinz" erhielt.

„Ladaria ist zurückhaltend, dennoch sehr dialogfreudig, überaus vorsichtig, hochintelligent, edelmütig und so gehorsam, wie es Jesuiten sein müssen", beschreibt Garau den Mann, der sich zunächst an der Universidad Complutense in Madrid zum Rechtswissenschaftler ausbilden ließ. Mit 24 Jahren trat er dann 1966 dem streng hierarchisch gegliederten Jesuiten-Orden bei, der Gesellschaft Jesu.

Der Intellektuelle ließ sich nach dem Jura-Studium unter anderem an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main in die Geheimnisse der Theologie einweisen. Danach schrieb er seine Doktorarbeit an der Päpstlichen Universität Gregoriana über den heiligen Hilarius von Poitiers. Es heißt, sein Doktorvater Antonio Orbe sei ob Ladarias Scharfsinn entzückt gewesen.

Dieser brillante Denker wird jetzt auf Geheiß von Papst Franziskus - ebenfalls ein Jesuit - Präfekt der Glaubenskongregation, dem früheren Großinquisitor. In der inoffiziellen Hierarchie des Vatikans ist dies der drittwichtigste Posten hinter Papst und Kardinalstaatssekretär. So weit hat es noch nie ein Mallorquiner gebracht. Ladaria, bislang lediglich Erzbischof, wird voraussichtlich bald zum Kardinal ernannt, dem erst vierten mallorquinischen Kardinal überhaupt.

Trotz der Tatsache, im Vatikan eine ganz große Nummer zu sein, gilt Ladaria als geradezu ostentativ bescheiden. „Er ist das Gegenteil eines Karrieristen", sagt auch sein deutscher Ordensbruder Hans Zollner in einem Gespräch mit „Die Zeit". Der medienscheue Gottesknecht, der bloß nicht auffallen will, ist in den vergangenen Jahren auf Mallorca mehrfach wie ein ganz normaler López oder González beim Schlangestehen vor Behörden gesichtet worden - etwa, um einen Reisepass zu beantragen. Er bewegt sich zudem grundsätzlich in öffentlichen Bussen und zu Fuß. „Ladaria kommt in der Regel jeden Sommer und regelmäßig an Weihnachten inkognito auf die Insel, um seine Familie zu besuchen", sagt Jesuit Miguel Garau. „Einige seiner Verwandten leben in Palma, andere in Porto Cristo." Dort können die Anwohner dann beobachten, wie sich der seit schon mehreren Jahrzehnten in Rom lebende Kirchenmann mit Schmackes ins Meer stürzt. Ladaria liest dann auch mal in der bescheidenen Kirche La Mare del Déu del Carme in Porto Cristo die Messe - einem ganz einfachen Pfarrer gleich.

Es ist wohl auch diese Bescheidenheit, die Franziskus bewog, Ladaria noch weiter zu befördern. Der Pontifex benutzte früher als Erzbischof von Buenos Aires ebenfalls gern öffentliche Verkehrsmittel und macht sich bekanntlich nichts daraus, etwa in abgelatschten Schuhen herumzulaufen. Hauptgrund für die Berufung dürfte jedoch gewesen sein, auf diesem Posten nach dem konservativen, 2012 noch von Benedikt eingesetzten deutschen Präfekten Kardinal Ludwig Müller einen Mann zu platzieren, der besser zur neuen Linie der katholischen Kirche passt. Mit dem eher kirchenfürstenhaft daherkommenden Müller hatte der Papst ideologisch immer wieder über Kreuz gelegen.

Es war die Montesión-Schule in Palmas Altstadt, der Luis Francisco Ladaria die Berufung verdankt, sich Gott hinzugeben. Das sagte er selbst in einem seiner seltenen Interviews, das ihm die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" 2011 aus Anlass des 450. Bestehens der Schule ­abgerungen hatte.

Nun also ist Ladaria als Präfekt verantwortlich für nichts ­weniger als die mit den Gedanken des Papstes in Übereinstimmung zu ­bringende Auslegung der Glaubens- und Sittenlehre. Dazu gehört etwa, sich mit der Rolle der Frau in der Kirche auseinander­zusetzen. Erwogen wird, Frauen zu erlauben, Diakonin zu werden. Ladaria, der sich selbst als jemanden einordnet, „der keine Extreme mag" und von Beobachtern als „gemäßigt konservativ" bezeichnet wird, leitete bereits vor seiner Ernennung eine von Franziskus zu diesem Thema eingerichtete

Kommission. Unstrittig ist dabei weiterhin, Frauen das Lesen von Messen oder die Entgegennahme der Beichte zu verweigern, von der Priesterweihe ganz zu schweigen. Die Glaubens­kongregation beschäftigt sich zudem mit der Frage, wie es mit dem Zölibat weitergehen soll - also dem Zwang für katholische Priester, ehelos zu bleiben.

So viel Einfluss wie Luis Francisco Ladaria hatte im Kirchenstaat noch kein mallorquinischer Geistlicher - nicht einmal der dort jahrelang wirkende Kardinal Antonio Despuig y Dameto (1745-1813). Der war das genaue Gegenteil von Ladaria: Er stammte anders als der Jesuit aus einer schwerreichen Familie, verhielt sich wie ein verschwenderischer Renaissance-Fürst und erlaubte sich in seinem mallorquinischen Landsitz Raixa im Luxus zu schwelgen und Kunst zu sammeln.

Ob sich Ladaria als Präfekt der Glaubenskongregation noch immer unerkannt und unbewacht auf der Insel bewegen wird, ist fraglich. Jesuit Garau traut ihm das aber auf jeden Fall zu. „In den nächsten Wochen wird er wieder hier auftauchen", sagt er. „Im Oktober wird er dann offiziell in Palma an den von uns organisierten Feierlichkeiten zum 400. Todestags des heiligen Alonso, des Schutzheiligen von Mallorca, teilnehmen."