Wenn Tom Jones seinen besonders gefühlvollen Klassiker "Delilah" anstimmt, beginnen seine Augen leicht hervorzutreten. Aus einem noch tieferen Winkel seines Herzens dringt dann das voluminöse Knurren hervor, für das der Sänger aus Wales, den sie alle nur den Tiger nennen, bekannt ist. Schon beim dritten Aushauchen von "Delilah" stürmten denn auch nicht nur Mittsechzigerinnen am Donnerstagabend (20.7.) aus dem VIP-Bereich vor die Bühne in Port Adriano, sondern auch jüngere, ebenso feingemachte Frauen und einige Männer im Alter zwischen mutmaßlich 40 und fast 80 Jahren.

Insgesamt waren rund 3.500 Zuschauer auch in gecharterten Bussen in den Luxusyachthafen geströmt, um den inzwischen 77-Jährigen mit der unverändert markanten Stimme zu bewundern. Er schmiss das erste von mehreren der traditionellen Sommerkonzerte des Edelortes, am kommenden Dienstag ist George Benson an der Reihe.

Nicht mehr wie früher im bis zum Bauchnabel geöffneten Hemd, sondern hochgeschlossen und im grauen Anzug tänzelte der smart gewordene alte Herr samt seinen Musikern auf der Bühne, und die Frauen, die ihn anhimmeln, tänzelten mit ihm unter dem Sternenhimmel und zwischen aufgebockten und im Hafen liegenden Yachten. Als Jones zwischendurch mit rollendem "r" im Plauderton fallen ließ, auch mit dem gottgleichen und 1977 zu früh verblichenen Elvis Presley auf Du und Du gewesen zu sein, wurde ein verhaltenes Geschrei in der sichtlich gut situierten Zuschauerschaft laut. Und als er seinen Song "Sex Bomb" begann, geriet das Tänzeln seiner Jüngerinnen fast zum wilden Tanzen.

Ansonsten ging es in dem Hafen eher steif zu. Die vor allem englisch- und deutschsprachigen, aber auch spanisch- und russischsprachigen Zuschauer saßen im VIP- und im dahinter verorteten Club-Bereich auf hohen Stühlen und an Tischen und wurden von wuselnden Kellnern mit Getränken zu durchaus erschwinglichen Preisen (kleines Bier: 3 Euro) eingedeckt. Hinter einer Metallabsperrung - den günstigsten Plätzen - tummelten sich weitere Hunderte Besucher im Stehen. Die Jones-Fans beruhigten sich, als der Star aus Wales getragenere Blues- und Gospelsongs anstimmte.

Das Konzert war ein beschwingte Reise in eine schon weit zurückliegende Zeit, die Anfangs-Siebziger und auch die End-Achtziger, als Jones ein Comeback gelungen war. Damals hüllte das Knurren und Heulen des Tigers die ganze westliche Welt ein, die Frauen warfen ihm sogar ihre Schlüpfer auf die Bühne.

Nach etwas mehr als anderthalb Stunden und zwei Zugabensongs, darunter "Kiss" von Prince, endete der Abend bei deutlich über 20 Grad, und der Tiger zog mit einer Wales-Fahne, die ihm einige Zuschauer gereicht hatten, von dannen. Er sagte fast melancholisch: "Ja, da komme ich her." Schlüpfer lagen keine auf der Bühne, die Zeiten haben sich halt geändert. /it