Es sind Momente wie diese, warum Carolin Kuhn (31) Radiomoderatorin geworden ist. Wenn am Morgen das Handy klingelt, die Redaktion dran ist und man als Reporter raus zu einer unangekündigten Großrazzia der Polizei zum „Görli" muss - der Görlitzer Park ist in Berlin einer der Hauptumschlagplätze für Drogen. „Eines Morgens stand ich vor einer Bananenkiste voller Kokain", sagt sie. Ein anderes Mal brennt ein Supermarkt, oder es passiert das Schlimmste, und ein Terrorist rast mit seinem Lkw auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. „Ich stand 20 Meter weit weg von dem Lkw", sagt sie.

Als Reporterin erlebt Kuhn die Abgründe der Großstadt, aber auch die aberwitzigen Seiten, wie zum Beispiel für ihre Reportage über „Berlin horizontal", bei der sie über eine Sightseeing-Tour berichtet hat, bei der man sich von einem Bett aus die Stadt angucken kann. Das Bett hat dabei Räder und wird von einer Art Fahrrad durch die Straßen gezogen.

„Ich wollte kreativ arbeiten, Interviews und Reportagen machen", sagt sie auf die Frage, warum sie zum Radio gegangen ist. „Mein Englisch- und Geschichtsstudium hat mich gelangweilt, also habe ich ein Praktikum beim Sender 'Charivari' in Nürnberg gemacht." Aus drei Monaten werden sechs, sie bekommt einen Volontariatsplatz angeboten und nimmt an. „Nur meinen Eltern, denen habe ich das erst ein halbes Jahr später erzählt."

Nach dem Volontariat geht sie nach Berlin, wird Redakteurin bei der Morningshow beim Spree­radio. „Das ist die wichtigste Sendung, alleine acht Leute sind nur für die Morgenshow zuständig." Die Ansprüche sind hoch, es herrscht ein rauer Ton. Ab fünf Uhr morgens fängt man an zu arbeiten, es finden Konferenzen statt, bis zehn Uhr geht die ­Sendung und danach wird oft bis 13 oder 16 Uhr der nächste Tag vorbereitet. Sie wechselt in den Nachmittag und übt sich im Umgang mit dem Mischpult: „So ein Studio sieht ja aus wie ein Raumschiff." Kuhn spricht live Meldungen ein und erhält die Chance, eine Sendung am Wochenende zu übernehmen. Für ihre Arbeit bei „Endlich Samstag, Samstag" bekommt sie dann auch den Preis verliehen: „Der Jury gefällt, wie sie es schafft, nahe zu sein, ohne zu nahe zu treten", heißt es unter anderem.

„Ich kann bei der Show machen, was ich will", sagt Kuhn und setzt auf den direkten Kontakt mit den Hörern. Auch das Thema Mallorca beschäftigt sie hin und wieder in ihrer Sendung, da geht es um die steigenden Besucherzahlen oder auch darum, dass es auf Mallorca zwei Schneepflugfahrer gibt, die im Winter auf ihren Einsatz warten. Ansonsten konzentriere man sich aber eher auf Berlin.

Dort ist die Radiowelt heiß umkämpft. Musik-Streaming-Dienste wie Spotify knabbern am Markt. So hatten die Moderatoren Oliver Schulz und Jan Böhmermann von 2012 bis 2016 eine gefeierte Radiosendung beim Berliner Sender Radio1, die am Ende bundesweit gesendet wurde, bis sie sich entschieden, zu Spotify zu gehen und die Sendung als Podcast aufzunehmen.

Ein anderes Pro­blem sei, dass die Budgets von den Zuhörerzahlen abhängen und diese recht urtümlich erhoben werden. So würden in der 3,5-Millio­nen-Stadt Berlin 800 bis 1.500 Menschen auf dem Festnetz angerufen und befragt, was ihr Lieblingsradiosender sei. „Wer von den jungen Leuten hat denn heute noch einen Festnetzanschluss?", fragt Kuhn.

Bei ihrem Besuch auf Mallorca hat sie sich die örtlichen Radiostationen angehört, besonders gut gefallen habe ihr der Sender Rockfm, wegen der musikalischen Abwechslung. Für die Zukunft könne sie sich auch eine TV-Karriere vorstellen. „Ich wüsste aber noch nicht, welches Format."