Wenn auf Mallor­ca der erste Schnee fällt, dann geht es in dem weißen Gebäude mit den vielen Windmessern auf dem Dach in Porto Pi heiß her. Hier ist die Balearen-Delegation des spanischen Wetterdienstes Aemet einquartiert. „An solchen Tagen wollen alle etwas von uns, Journalisten, Sicherheitskräfte, Veranstalter von Outdoor-Events", zählt Chef-Meteorologin María José Guerrero (56) auf. Ihr Fachwissen ist ständig gefragt. Der MZ erzählt sie, warum ihre Arbeit lebenswichtig ist und ob uns das Wasser wegen des Klimawandels bald wirklich bis zum Hals steht.

Es regnet immer wieder, der Wind ist kalt - ganz schön schlechtes Wetter heute. Oder ist das auch gutes Wetter?

Gut und schlecht sind Adjektive, die man in der Meteorologie nicht verwendet, weil sie subjektiv sind. Aber für mich persönlich ist gutes Wetter, wenn die Sonne scheint und nur wenig Wind weht. Obwohl ich weiß, dass das in

Trockenperioden für die Landwirtschaft schlecht ist.

Wetter interessiert irgendwie immer, kaum ein anderes Thema ist so beliebt beim Small Talk. Ihre Meinung ist vermutlich sehr gefragt in Ihrem Bekanntenkreis?

Es stimmt, es geht ständig ums Wetter. Morgens gehe ich vor der Arbeit oft ins Fitnessstudio und die Leute, die mich dort schon kennen, fragen immer im Umkleideraum, wie das Wetter wird. Heute morgen auch wieder, weil es ja kalt werden soll. Peinlich für mich wird es nur, wenn sie mir erzählen, dass sie in den Urlaub fahren wollen und mich dann fragen, welches Wetter zum Beispiel für die Kanaren vorhergesagt wird. Da muss ich immer nachgucken. Ich habe das Balearen-Wetter immer im Kopf, aber nicht die aktuelle Vorhersagen von allen Orten der Welt. Trotzdem versuche ich, mich immer möglichst gut vorzubereiten. Zum Beispiel wollen auch viele wissen, wie der Herbst im vergangenen Jahr im Vergleich zu diesem Jahr war. Deshalb habe ich viele Daten immer parat, man muss ja etwas sagen können. Das gilt auch für institutionelle Treffen mit Kollegen.

Nervt die Fragerei nach dem Wetter nicht irgendwann?

Normalerweise nicht. Wetter ist meine Berufung. Aber zu Hause schimpft meine Familie manchmal mit mir: 'Warum hast du uns nichts von dem Regen gesagt?' Dann muss ich immer sagen: Tut mir leid, ich habe das heute schon so vielen Leuten erzählt, da vergisst man, es auch seinen Nächsten zu sagen. Da bekomme ich manchmal Ärger von meinen Kindern (lacht).

Wie kommt man auf die Idee, Meteorologin zu werden?

Ich bin in Almería aufgewachsen (Hafenstadt in Andalusien im Süden Spaniens, Anm. d. Redaktion). Mir hat es schon als Kind gefallen, die Wolken zu beobachten, ihre Form und wie sie sich verändert. Auch zu sehen, wie das Meer morgens oft still ist und sich dann mit steigenden Temperaturen kleine Wellen bilden, fand ich schon ­immer faszinierend. Außerdem waren meine Eltern Landwirte, also waren wir ständig von der Wettervorhersage im Fernsehen abhängig. Dann hieß es immer: 'Ruhe, Ruhe, jetzt spricht der Wetteronkel' - so nannten wir den Sprecher - und dann haben wir alle innegehalten und zugehört.

Nach dem Physikstudium und mehreren Weiterbildungen arbeiteten Sie sich hoch zur Chefin der Balearen-Delegation von Aemet. Ihnen unterstehen 48 Mitarbeiter. Was machen die alle?

Uff, es gibt viel zu tun. Wir liefern permanent alle 30 Minuten detaillierte Informationen an die Flughäfen auf den Balearen, wenn schlechtes Wetter ist sogar alle zehn Minuten. Da muss man sich harten Kontrollen von der Luftfahrtbehörde unterziehen. Auf der anderen Seite sind wir die Verantwortlichen für die Meeres-Vorhersagen. Und hier auf den Inseln natürlich auch für die ländlichen Gebiete.

Wofür sind Sie noch verantwortlich?

In erster Linie dafür, Warnungen auszusprechen. Das bedeutet aber, dass man permanent beobachten muss. Das machen wir 365 Tage im Jahr, 24 Stunden lang. Und je nach Ort und Dringlichkeit analysieren wir die

Daten alle drei Stunden oder häufiger. Damit können wir aktuelle Ergebnisse präsentieren und Helfern vom Katastrophenschutz Ratschläge geben. Und das Beobachten dient natürlich auch als Grundlage für die Vorhersagen. Außerdem wenden sich Versicherungen an uns, wenn festgestellt werden muss, ob ein Wetterschaden tatsächlich am Wetter lag.

Gemessen wird vermutlich nicht nur in Porto Pi und an den Flughäfen?

Wir haben 165 Messgeräte auf den Inseln installiert, 39 davon sind automatische Wetterstationen, die anderen werden teilweise von freiwilligen Mitarbeitern abgelesen.

Und trotz der vielen Messstationen beklagen sich viele immer wieder darüber, wie ungenau die Wettervorhersagen auf den Balearen sind.

Na ja, nicht alle Leute informieren sich über unsere Kanäle. Heutzutage kauft man ein Handy und hat schon eine Wetterapp vorprogrammiert. Von irgendeiner Firma. Das sollte man berücksichtigen, dass die Informationsquelle nicht immer die gleiche ist. Außerdem ändert sich das Wetter auf Mallorca schnell. Aber wir werden immer besser, weil die Technologie immer präziser wird. Wir machen das schon ganz gut, in mehr als 90 Prozent der Fälle

stimmen die Vorhersagen.

Wird die Technik irgendwann so weit sein, dass es keine menschlichen Meteorologen mehr braucht?

Heutzutage können die Messgeräte und Programme keine Warnungen aussprechen. Die Werte richtig einschätzen und abwägen, das können nur Menschen. Natürlich wird die Technik immer genauer. Aber der menschliche Faktor wird immer bleiben. Denn die Meteorologen können die Stärken und Schwächen der jeweiligen Messmethoden

einschätzen.

Was ist am schwersten vorherzusagen?

Die genau Uhrzeit und den genauen Ort von lokalen Regenschauern.

Haben Sie den Eindruck, dass der Klimawandel auf Mallorca schon eingesetzt hat?

Da brauche ich keinen Eindruck, das kann ich anhand von Daten belegen. Der Klimawandel ist hier, ohne Zweifel. Wenn man die Temperaturen der vergangenen 42 Jahre betrachtet, merkt man, dass die Durchschnittstemperatur kontinuierlich ansteigt und um fast zwei Grad höher ist. Die Nieder­schlagsrate ist leicht gesunken, aber weniger offensichtlich.

Und werden tatsächlich die Strände verschwinden, weil der Meeresspiegel ansteigt?

Da gibt es verschiedene Szenarien, je nachdem, wie sich die Emissionen entwickeln. Im schlimmsten Fall wird der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um einen Meter ansteigen, im am wenigsten drastischen Fall um 20 Zentimeter.

Wenn Sie Urlaub haben - sind Sie dann froh, sich mal nicht über das Wetter informieren zu müssen?

Nein, ich schalte nie ab, nie. Aber für mich bedeutet das keine Arbeit, im Gegenteil, es bringt mir nur Vorteile. So kann ich genau schauen, an welchem Strand wie viel Wind weht, bevor ich dort hinfahre.

Aber das Wolkengucken wie damals als Kind hat doch bestimmt seinen romantischen Reiz verloren, oder? Sie sehen die Wolken und haben einen Wust an wissenschaftlichen Daten im Kopf.

Das macht es sogar noch besser als früher. Denn jetzt beobachte ich die Wolken nicht nur, sondern weiß auch, was sie bedeuten. Ich finde das toll.