Wer sieben Minuten zu spät zum Interview mit Corinna Graf kommt, darf sich nicht wundern, wenn er im Warteraum Platz nehmen muss. Nach ein Paar Minuten geht es über eine Wendeltreppe in ihr Büro im ersten Stockwerk des 30 Meter hohen Turms, von dem aus die 38-Jährige die ­Geschicke von Puerto Portals lenkt. Corinna Graf ist eine viel beschäftigte Frau, die mit sehr viel Liebe zum Detail den Yachthafen managt, erst zusammen mit ihrem Vater, dem deutschen Hafengründer und Industriellen Klaus Graf (Teka-Firmengruppe). Nach seinem Tod im Jahr 2014 hat sie die Geschäfte ganz übernommen. Vor Kurzem hat sie sich die Konzession für weitere 35 Jahre von der Regierung gesichert. 2,55 Millionen Euro müssen nun jährlich überwiesen werden, davor waren es gerade einmal rund 6.000 Euro. Hinzu kommt, dass man sich auf eine Nachzahlung in Höhe von 9,1 Millionen Euro geeinigt hat.

Frau Graf, sind Sie die höchst verschuldete Frau der Insel?

(lacht) Darüber denke ich lieber nicht nach. Aber es kann schon sein, dass das stimmt. Wir sind einen sehr wichtigen Kompromiss eingegangen und haben alles dafür getan, um einen Abschluss zu ermöglichen. Ein gewisses Risiko gehört dazu, wenn man Unternehmer ist. Angst macht mir das nicht, aber man hat schon Respekt vor den Summen.

Alle Häfen müssen nun deutlich mehr Geld für die Konzessionen überweisen. Wie hat man die geringen Summen überhaupt so lange rechtfertigen können?

Man muss das relativieren, zu damaligen Zeiten waren die heute umgerechnet 6.000 Euro viel Geld. Heute sieht Puerto Portals sehr schön aus, hier sind viele Leute, viele Kunden, es gibt viele Aktivitäten. Aber als das alles anfing, war hier nur das Meer. Am Anfang hat man wörtlich das Geld ins Wasser geworfen, um den Hafen zu bauen. Und man wusste nicht, wie es laufen würde, ob Kunden kommen würden. Die Schiffe waren damals mehr in Palma, in dieser Gegend gab es keinen Hafen. Dafür waren 6.000 Euro sehr viel Geld und sie wurden ja auch an die Inflation angepasst und mal erhöht. Aber nicht so sehr wie jetzt. 2,5 Millionen Euro sind sehr viel Geld, für das wir sehr hart arbeiten müssen. Aber so ist es nun einmal.

Im Englischen gibt es die Redewendung „Try to walk in my shoes", wenn es darum geht, eine schwierige Erfahrung zu teilen. Was denken Sie heute über Ihren Vater, nachdem Sie eine Weile in seinen Schuhen unterwegs waren?

Ich glaube, das waren andere Schuhe. Ich denke damals wie heute das Gleiche über meinen Vater. Dass er ein guter Mensch war, ein großer Unternehmer, sehr intelligent, ich habe viel von ihm gelernt. Genau wie von meiner Mutter, die mir immer mit Ratschlägen zur Seite gestanden hat. Ich bin sehr stolz auf beide. Aber die Schuhe meines Vaters waren definitiv andere.

Inwiefern?

Jeder hat seine Art, die Dinge zu regeln. Wenn jemand versucht, eine andere Person zu kopieren oder genauso zu sein, wird er keinen Erfolg haben. Jeder hat seine Qualitäten und Macken. Wenn Kinder ihre Eltern kopieren, endet das nur in Frustration, da sich auch die Zeiten und Bedingungen ändern. Wichtiger ist es, welche Sachen Eltern ihren Kindern mit in den Rucksack geben. Welche Werte sie vermitteln, an was man glauben soll. Und mit diesen Werten kann man sich auf den Weg machen, und zwar in den eigenen Schuhen, die einem passen.

Ihre Mutter hat einmal gesagt, die Idee, einen Hafen zu gründen, sei Ihrem Vater gekommen, nachdem man mit einem Motorboot Ende der 70er-Jahre an einem Hafen auf Mallorca angelegt habe und behandelt wurde wie an einer besseren Tankstelle.

Mehr wie an einem besseren Parkplatz. Die Häfen zu dieser Zeit waren reine Parkplätze für Boote. Man konnte keine Zeitung kaufen, kein Brot, kein Wasser, gar nichts. So kamen meine Eltern auf die Idee, einen Hafen zu eröffnen, der Service anbietet.

Heute kann man, wie an Tankstellen ja auch, im Hafen alles Mögliche kaufen. Macht man damit auch das meiste Geschäft?

Nein, wir sind zwar im kommerziel­len Bereich sehr aktiv, haben Restaurants, Geschäfte, machen viele Veranstaltungen, aber unser Hauptgeschäft sind Yachten, ist der Hafen. Darum bieten wir viel Service für die Eigner an. Das fängt bei der Unterstützung bei der Einfahrt an, geht über die Sicherheit und reicht bis zum Nach-dem-Rechten-Schauen, wenn jemand anruft und sich nach seiner Yacht erkundigt. Wir behalten im Winter die Stürme im Blick und versorgen die Schiffe mit allem, was die Kunden brauchen und wünschen.

Steht man mit den anderen Häfen in großer Konkurrenz, zum Beispiel mit Port Adriano, wo auch viele Veranstaltungen stattfinden?

Nein. Für mich ist es so: Je mehr Häfen es gibt, die eine gute Qualität bieten, desto besser. Alle zusammen ergeben das Gesamtbild einer Insel mit gutem Service. Port Adriano ist ein wunderschöner Hafen mit einer sehr guten Infrastruktur, und das Gelingen von Port Adriano liegt in unserem Interesse. Bei einen guten Angebot kommen auch mehr Yachtbesitzer mit schönen Yachten auf die Balearen. Ich denke, unsere Konkurrenten sind Saint-Tropez, Monaco, wo es sehr gute Häfen gibt.

Wie viele Häfen haben Sie schon besucht?

Viele, aber da habe ich nicht mitgezählt. Ich mag Häfen, wie ich das Meer mag. Aber ich bin nicht total fixiert auf Häfen. Ich schaue mir auch gern Städte oder andere schöne Orte an.

Wie viele Hafen-Chefinnen kennen Sie?

Ufff, es gab mal eine ... aber die ist nicht mehr da. Ich kenne auch nicht jeden Hafen-Chef auf der Welt, aber es gibt wohl nicht viele Frauen in dieser Position. Häfen sind eine Männerwelt.

Warum ist das so?

Die Arbeit auf dem Meer war immer eine Männerdomäne. Es gibt heute in den Yachthäfen viele Kapitäne, viele Männer, die in der Handelsmarine gearbeitet haben. Frauen drängen eher in Managerfunktionen, wenn es zum Beispiel darum geht, die Geschicke eines Hafens zu steuern, so wie hier bei uns.

Wie sieht ein normaler Tag einer Hafenchefin aus?

Es gibt fast keine normalen Tage. Normal ist, das kein Tag dem anderen gleicht. Es gibt viele unterschiedliche Sachen, um die wir uns kümmern. Das hängt auch von der Jahreszeit ab oder ob wir ein Event vorbereiten. Ein Hafen ist wie eine kleine Stadt. Wir müssen den Verkehr regeln, für die Sicherheit sorgen, uns um den Abfall kümmern, für Wasser sorgen, dazu Auf- und Abbauarbeiten der Veranstaltungen. Kein Tag ist wie der andere. Gerade bereiten wir Bauarbeiten vor, sprechen mit Architekten und Ingenieuren ...

... welche Bauarbeiten stehen gerade an?

Wir planen, ein unterirdisches Parkhaus zu bauen. Das Vorhaben ist ein Teil der Konzessions-Verhandlungen.

Wann sollen die Arbeiten losgehen und wie viele Parkplätze sollen geschaffen werden?

Nach diesem Sommer, ungefähr 200 neue Plätze sind geplant.

Der Yachthafen Molinar wollte sich im Zuge seiner Modernisierung massiv vergrößern, was von der Hafenverwaltung untersagt wurde. Was denken Sie darüber?

Ich finde das sehr schade, weil der Hafen wichtig ist, und alles, was Mehrwert schafft, gut ist.

Joan Gual, Präsident der balearischen Hafenverwaltung hat diesbezüglich gesagt, dass man dort keinen Hafen im Stil von Portals wolle. Ärgert Sie das?

Zuerst einmal fühle ich mich geehrt, weil er uns genannt hat, das freut mich natürlich (lacht). Und er hat recht, was die Örtlichkeit betrifft. Ich weiß auch, dass er Puerto Portals sehr mag.

Ist es unter der Linksregierung schwieriger geworden, einen Hafen zu managen?

Nein. Es ist insgesamt schwierig, verantwortlich zu sein für einen Hafen mit so vielen Menschen, die hier arbeiten oder auch nur zu Besuch sind, und Kunden, die kommen und gehen. Das ist aber nicht leichter oder schwieriger geworden mit der Regierung, die wir haben.

Sind Sie eigentlich eine Befürworterin oder Gegnerin der Touristensteuer?

Weder noch. Ich denke, es ist wichtig, wenn man etwas zur Gesellschaft beiträgt. Ich weiß aber nicht, in welcher Form das idealerweise geschehen sollte.

Gerade hat die Landesregierung mit 8 Millionen Euro aus der Steuer das verfallene Landgut Es Canons gekauft. Ihr Vater hat den damals ruinösen Ort Biniagual hergerichtet. Was halten Sie von dem Projekt der Landesregierung?

Mein Vater hat als Kriegskind mit seinem Bruder und seiner Mutter in Frankfurt gelebt und Hunger erlitten. Auf den Krieg folgte der Kalte Krieg, und mein Vater hatte große Angst davor, dass zwischen den USA und der Sowjetunion ein Krieg ausbrechen und man genau in der Mitte leben würde. Um nie wieder Hunger haben zu müssen, wollte er ein Stück Land besitzen, auf dem er Gemüse anbauen, Schweine und Kühe halten könnte. Er hat lange nach einem geeigneten Ort gesucht und schließlich Biniagual gefunden, wo es ein paar Häuser gab, zu denen jeweils ein Stück Land gehörte. Nachdem sich dort die Reblaus ausgebreitet hatte, konnten die Leute keinen Wein mehr anbauen und wollten verkaufen. So hat er sich das erste Grundstück gekauft und auf Bitten der Leute hat er nach und nach immer mehr Grundstücke gekauft. Die Häuser waren Ruinen, die Dächer waren undicht. Meine Eltern haben dann nach und nach angefangen, das alles wieder aufzubauen und Tiere zu halten, denn das war ja Essen. Das alles hat Jahrzehnte gedauert. Heute ist Biniagual ein sehr schöner Ort, in dem auch wieder Wein angebaut wird. Aber das war kein Projekt, bei dem man 8 Millionen Euro nimmt und bumm, wir kaufen ein Landgut und richten das wieder her.

Welche Verbindung haben Sie noch nach Deutschland?

Ich wurde dort geboren und habe noch Familie dort. Aber mein Leben findet hier statt. Ich fühle mich mehr als Mallorquinerin denn als Deutsche.