40 Jahre lang haben sie in Deutschland gearbeitet, Geld verdient, vielleicht Kinder großgezogen - und sich, als der Ruhestand nahte, dazu entschieden, nach Mallorca zu ziehen. Um den Lebensabend unter Palmen zu genießen, die kalte Heimat gegen die mediterrane Sonne einzutauschen. So oder so ähnlich lässt sich die Geschichte von Hunderten, wenn nicht Tausenden deutschen Residenten zusammenfassen, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ihren Lebensmittelpunkt auf die Insel verlegt haben, um ruhige Jahre im gemeinsamen Glück zu verbringen. Doch mit dem Alter kommen die Gebrechen - und nicht selten auch die Einsamkeit.

Heike Stijohann, die Pfarrerin der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde auf den Balearen, hat viele Fälle erlebt, in denen sich Mallorca Stück für Stück vom Eiland des Glücks zur Insel der Einsamkeit entwickelt hat. Fast wöchentlich hört sie von Menschen, die im Alter mehr und mehr isoliert leben. „Häufig hält das Glück so lange an, wie beide Partner leben und füreinander da sind", erklärt sie. Nicht selten werde dabei versäumt, Spanisch zu lernen, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Man bleibt unter Deutschen in ähnlichem Alter - die teilweise selbst versterben oder pflegebedürftig werden und nach Deutschland zurückkehren. Die Einsamkeit käme dann oft schleichend, erst recht, wenn keine Anbindung mehr in die Heimat besteht, die vor so vielen Jahren verlassen wurde. „Oft bleiben Auswanderer dann hilflos und allein zurück", so Stijohann.

Immer wieder kam die Pfarrerin mit Gemeindemitglied Roland Werner ins Gespräch. Der ehemalige Manager ist Frührentner, wohnt seit Jahren auf Mallorca und engagiert sich im sozialen Bereich. Auch ihm fiel die Einsamkeit vieler Senioren auf. „Es werden nicht weniger, sondern immer mehr, wohl auch wegen des demografischen Wandels", sagt er. Viele verließen ihre eigenen vier Wände nur noch, um Einkäufe zu erledigen. Die Idee für die 2017 unter dem Dach des Dekanats der Evangelischen Kirche Worms gegründeten Stiftung Herztat war geboren. „Es geht darum, die Menschen schon vor einer eventuellen Pflegebedürftigkeit zu unterstützten", betont Werner. Durch kleine Hilfen im Alter, gezielte Unternehmungen und vor allem durch regelmäßige Gesellschaft.

Das Prinzip ist einfach: Senioren, die auf der Suche nach Kontakten sind, können sich bei der Stiftung melden. Diese sucht dann einen ehrenamtlichen Paten, der zu wöchentlichen Besuchen vorbeikommt. „Dabei geht es primär ums Zuhören, Verstehen, Erzählen. Das ist der erste Schritt", so Stijohann. Später könnten auch Besuche in nahe gelegene Cafés oder kleinere Ausflüge in die Umgebung unternommen werden. „Und falls gewünscht, ist die Integration in Veranstaltungen unseres Gemeindelebens eine logische Folge" - wobei die Stiftung

von Anfang interkonfessionell angelegt sei

„Eigentlich ist das unser primäres Ziel: Dass die Menschen Anschluss finden und die Paten vielleicht irgendwann gar nicht mehr brauchen", ergänzt Werner. Schon jetzt bietet die Gemeinde zahlreiche Aktivitäten an - von Tanzgruppen, über Radausflüge bis hin zu Gemeindefeiern. Aber manche Menschen bräuchten eben jemanden, der sie zu der Teilnahme motiviert, Kontakte herstellt und sie vielleicht begleitet. Berichte auf der Website der Stiftung Herztat zeigen bereits erste Gemeinschaftsaktionen für Senioren auf Mallorca. Auf einem Foto von März lächelt eine kleine Gruppe von Rentnern beim Boule-Spielen in die Kamera, eine Aufnahme von April zeigt eine größere Truppe im Wald. „Wandern für Leib und Seele" nennt sich das Angebot. „Es werden leichte bis mittelschwere Touren angeboten, die in den Pausen von besinnlichen Texten begleitet werden", heißt es darunter. „Meist geht es den Teilnehmern nicht nur ums Wandern. Vielmehr ist dieses Angebot hervorragend zum Aufbau neuer Kontakte mit Gleichgesinnten geeignet", so Roland Werner. „Älter und alleinstehend zu sein bedeutet noch lange nicht automatisch, körperlich nicht mehr aktiv sein zu können. Häufig fehlt nur die Lust, der Antrieb, die passende Gelegenheit."

Immer mehr solcher Gelegenheiten sollen von Stiftungsgeldern in Zukunft finanziert werden. Hobbykurse wie gemeinsames Kochen, Gärtnern oder Basteln, aber auch Vorträge und Lesungen können sich die Veranstalter vorstellen. „Aber all das muss sich entwickeln, und zwar aus den Interessen der Senioren heraus, die gemeinsam mit den Paten formuliert werden können." Auch bei Problemen des Alltags können diese bei Bedarf behilflich sein. Denn gerade, wer kein Spanisch spricht, könne kleine Hilfen bei Amtsgängen oder Einkäufen gut gebrauchen.

„Wir suchen Menschen, die sich ehrenamtlich für das Projekt einsetzen und eine Patenschaft übernehmen wollen", so Stijohann. „Ein Besuch pro Woche von ein bis zwei Stunden ist ein Geschenk für Menschen, die ansonsten vereinsamen würden", betont sie. Alles Weitere entwickele sich dann je nach zeitlichem Engagement, Interessenlage und Sympathie. Die Pfarrerin selbst besucht häufig ältere Menschen - und zieht daraus auch für sich Kraft. „Nichts ist schöner, als in die strahlenden Augen eines Menschen zu schauen, der sich über einen Besuch freut", findet sie.

Die Stiftung wendet sich nicht nur an die Senioren, die sich einsam fühlen, und die Freiwilligen, die Paten werden möchten, sondern auch an jene, die von jemanden wissen, der Unterstützung benötigt. Melden kann man sich telefonisch unter Tel.: 602-49 21 69 oder per E-Mail unter info@herztat.de melden. Weitere Infos lesen Sie hier.

Wer nur zeitweise auf Mallorca ist und keine Zeit für regelmäßiges Ehrenamt auf der Insel hat, kann die Stiftung auch mit Spenden unterstützten. Spendenkonto: Evangelische Regionalverwaltung Rheinhessen. IBAN: DE57 5535 0010 0004 0080 18, BIC: MALADE51WOR. Verwendungszweck: HHST 8500.00.2200 HERZTAT Stiftung