Bereits am frühen Nachmittag sind die Außentische im Mile's in Cala Millor im Osten von Mallorca gut besetzt. Urlauber genießen Speisen und Getränke mit Blick aufs Meer, das nur einen Steinwurf entfernt türkisfarben funkelt. Eifrig stupst ein junges Mädchen ihre Freundin an, zeigt auf einen Mann mit Sonnenbrille, der geschäftig zwischen den hellen Holzmöbeln umherläuft. Optisch sticht Mark Wycislik mit seinem weißen Poloshirt mit Firmenlogo nicht aus der Schar der Mitarbeiter hervor. Höchstens seine energische Gestik lässt erahnen, dass er der Chef ist. Doch die jungen Urlauberinnen kennen sein Gesicht aus einem anderen Grund: Wycislik war mehrere Jahre lang auf den deutschen Fernsehbildschirmen zu sehen. Seit er 2013 mit Frau und Töchterchen von Essen nach Mallorca zog, begleitete die Vox-Sendung „Goodbye Deutschland" den Auswanderer. „Das war eine coole Erfahrung", sagt Wycislik und lässt sich auf einem Hocker an einem der Stehtische nieder. „Aber ganz ehrlich: Jetzt will ich damit nichts mehr zu tun haben."

Wycislik ist nicht der typische TV-Auswanderer, der mit seinen kläglichen und teils vergeblichen Versuchen, im Ausland Fuß zu fassen, als Quotenfänger im Privatfernsehen diente. Mit Drama und Chaos hat er wenig gemein. Stattdessen lief bei ihm eigentlich alles wie am Schnürchen: Mit drei Mitarbeitern zog er 2013 die Cocktailbar Chucca in Cala Ratjada hoch. Heute hat er mit seinem Mile's mehr als 60 Angestellte unter sich - nach arbeitsamen Jahren, in denen er auch den Club Nube und den Imbiss Calzöneria in Cala Ratjada sowie Ableger vom Chucca in Cala Millor und Magaluf eröffnete und danach gewinnbringend verkaufte.

Sein Spanisch ist jetzt fließend, seine Ehe noch immer intakt, sein Freundeskreis international, der Kontakt zu den Behörden gut. Mittlerweile ist Wycislik sogar der Sprecher der Gastronomen im Tourismuskonsortium von Cala Millor - nicht gerade das, was das Herz eines dramensuchenden Vox-Produzenten höher schlagen lässt. „Sie haben oft darauf gepocht, mehr bei uns zu Hause zu drehen, mehr ins Private zu gehen, aber ich habe immer versucht, meine Kinder so gut es geht rauszuhalten", sagt Wycislik und rückt die Sonnenbrille zurecht. Auch Autogrammkarten verteilen und sich auf Events präsentieren, ist nicht sein Ding. „Mit der 'Goodbye-Deutschland-Family', wie sie sie nennen, habe ich nie wirklich zu tun gehabt." Dabei habe Vox ihn immer wieder bestärkt, sich Seite an Seite mit Daniela Katzenberger und Co. in der Öffentlichkeit zu zeigen. „Oder sie schrieben einen Song und sagten: 'Willst du den nicht singen? Wir promoten ihn.' Aber ich bin Gastronom und nicht Entertainer." Deshalb habe er von Anfang an auf die Qualität seiner Läden gesetzt, sodass er den anfangs hilfreichen Werbe­effekt der TV-Ausstrahlungen heute nicht mehr nötig habe. Vor einem Jahr beendete er die Zusammenarbeit mit Vox. „Die Gäste kommen ein Mal, um mich zu sehen. Aber ein zweites Mal kommen sie nur, wenn ihnen das Produkt gefällt."

Rund 300 Meter vom Mile's entfernt, am Ende der Carrer de Binicanella, einer eher unauffälligen Seitenstraße, die von der Strandpromenade abzweigt, kommt Jens Büchner hinter der Theke seines Cafés Faneteria hervor. Der wohl bekannteste TV-Auswanderer sieht etwas blass und müde aus, ein wenig gestresst - ähnlich, wie in vielen der ­130 Folgen von „Goodbye Deutschland", in denen er bereits dabei war. Er ist das genaue Gegenteil von Mark Wycislik. Das Vox-Publikum hat die Trennung von seiner Ex-Freundin, die Hochzeit mit seiner Frau Daniela und die Geburt seiner Zwillinge im Son-Espases-Hospital praktisch live miterlebt. „Das gehört für uns einfach dazu. Mittlerweile merke ich kaum noch, wenn wir am Frühstückstisch gefilmt werden", sagt Büchner. Seine Daniela habe sich daran natürlich erst einmal gewöhnen müssen, sagt er und nickt in Richtung Theke. Die blonde Frau, die er im vergangenen Jahr heiratete, lächelt ihn liebevoll an, bevor sie zwei Getränke zu den Gästen bringt. Die Fotos an den Säulen des Lokals - sortiert nach Büchners „Dschungelcamp"-Zeiten, Auftritten beim „Comedypreis" und anderen Events, bei denen er vor Millionenpublikum im Fernsehen zu sehen war - ergänzen die Gemälde an den Wänden, die Daniela und Jens beim Hochzeitskuss und verliebt lächelnd am Strand zeigen. In einer Vitrine symbolisieren kleine, mit Namen bedruckte Stofffiguren die ­zahlreichen Mitglieder der Patchwork-Familie Büchner. Irgendwie persönlich, irgendwie liebevoll, aber auch ein wenig gewöhnungsbedürftig.

Doch das Konzept geht bisher auf: Im ersten Monat seit der Eröffnung Anfang April zählten die Büchners mehr als 12.000 Gäste in der Faneteria. Sie kommen für ein Selfie mit Jens, für ein Foto von Daniela und mit etwas Glück auch von den zahlreichen Kindern der Büchners, die immer mal wieder vorbeischauen. „Ja, 95 Prozent der Gäste konsumieren auch, zumindest einen Kaffee oder eine Cola", sagt Büchner und lächelt erschöpft. Wenn es zeitlich hinhaut, ist er täglich vor Ort. „Am frühen Nachmittag bin ich dann auch ganz für unsere Gäste da, und um die Bewirtung kümmert sich unser Barkeeper", erklärt er. Abends geht es dann mehrmals in der Woche zu seinen Gesangsauftritten im Karussell in Cala Millor und in Krümels Stadl in Peguera - Büchner sagte damals nicht Nein, als Vox ihm das Aufnahme-Mikro vor die Nase hielt. Seine Loyalität zum Sender ist offensichtlich: Auf seinem Oberarm prangt der Vox-Schriftzug zweifarbig eintätowiert.

„Ich mag es, wenn die Menschen mich erkennen", sagt er. Auch deshalb sei die Entscheidung, wo er sein Café aufmachen wollte, schnell auf den bei Deutschen beliebten Urlaubsort gefallen. „Es ist ein guter Ort, um herauszustechen. Palma ist viel zu groß, da würden wir untergehen." Und außerdem sei Cala Millor so familienfreundlich. „Das passt zu unserem Café." Bei so viel Trubel bleibt nicht viel Zeit für Integration. Es ist acht Jahre her, dass Büchner auf die Insel zog, seine nicht vorhandenen Spanischkenntnisse haben sich seitdem kaum verbessert. „Von Anfang an hatte ich eher Kontakt zu anderen Deutschen hier", sagt er.

Wenn es um diese Anfangszeit auf Mallorca geht, fällt automatisch auch der Name Jenny. Die Boutique der 31-Jährigen, die eigentlich Jennifer Matthias heißt, ist nur wenige Ladenlokale von Büchners neuer Faneteria entfernt. Millionen von Zuschauern sahen 2010, wie sich Jens und Jenny, damals noch als Paar und Eltern eines gemeinsamen Jungen, zusammen dazu entschieden, Deutschland den Rücken zu kehren. Einige Jahre später folgten die Tränen und Sticheleien nach der Trennung. Auch Jennifer Matthias ist noch immer bei „Goodbye Deutschland" zu sehen, wenn auch lange nicht so oft wie ihr mittlerweile bekannterer Ex-Freund.

„Die Anzeige für das Ladenlokal hatten wir 2010 bei Ebay gesehen. Dass es Cala Millor wurde, war also ein Zufall, wir hatten uns auch etwas in Peguera angeschaut", sagt sie. „Jenny Delüx" prangt auf dem Werbeschild der Boutique, auch viele der Kleidungsstücke tragen diesen Slogan. „Eine eigene Kollektion zu entwerfen, wäre ohne Vox gar nicht möglich gewesen", sagt Jennifer Matthias. Sie ist sich sicher, dass 99 Prozent der Kunden vor allem in den Laden kommen, um einen Blick auf die Frau aus dem Fernsehen zu erhaschen.

„Die Leute der Filmteams sind mittlerweile schon wie Freunde geworden", sagt Jennifer Matthias und klingt plötzlich nachdenklich. Sie habe nie so sehr im Mittelpunkt stehen wollen, die privaten Drehs mache sie nur notgedrungen mit. „Ehrlich gesagt würde ich es am liebsten ganz lassen. Aber es ist für den Laden einfach wichtig", sagt sie. Immerhin liege er in einer Seitenstraße - und man wisse ja nie, wie schnell die Menschen sie vergessen, wenn sie von der Mattscheibe verschwindet.

Die Bekanntheit fordere auf jeden Fall viel Einsatz. „Wenn ich wie jeder normale Mensch auch wegen privater oder auch geschäftlicher Angelegenheiten mal drei Tage lang nicht selbst im Laden bin, gibt es gleich böse Kommentare auf meiner Facebook-Seite von enttäuschten Kunden, die dann behaupten, ich sei nie da", so Matthias.

Doch sie wolle sich nicht beschweren, fügt sie rasch hinzu. Immerhin hätte sie in den vergangenen Jahren finanziell ein gutes Grundgerüst aufgebaut, ihr achtjähriger Sohn sei bestens integriert, und die Insel gefalle ihr nach wie vor. „Wir sind sogar vor Kurzem in ein anderes Haus gezogen", sagt sie. Verraten, in welchen Ort, das könne sie aber noch nicht. „Da würde es Ärger mit Vox geben." Die Folgen vom Umzug werden erst im Juni ausgestrahlt.