Es sind überwiegend Einfamilienhäuser, die die Ortschaft Pla de na Tesa im Gemeindegebiet Marratxí auf Mallorca ausmachen. Schicke Häuschen, oft mit Garten, nur wenige Autominuten von Palma de Mallorca entfernt. In der nahe gelegenen Siedlung Sant Marçal werden die Gebäude noch stattlicher. „Deshalb sind die Fälle von Hausbesetzung hier auch so interessant für die Medien. Viel interessanter, als wenn eine kleine Wohnung in sozialen Brennpunktvierteln in Palma besetzt wird", sagt Lia Amengual.

Seit ein paar Monaten hat sie hautnah mit diesen Fällen zu tun. Sie gehört einem neuen Team von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen an, die seit Mitte März für zunächst zwei Jahre für das Rathaus arbeiten. „Marratxí social" heißt das Projekt, für das fünf neue Stellen geschaffen wurden, um die Gemeindeverwaltung zu unterstützten, die bisher nur auf drei Sozialpädagogen zählen konnte. Neu ist auch die Hausbesetzer-Problematik. „Es ist eine Folge der Krise", so Amengual. Derzeit seien 28 Häuser im Gemeinde­gebiet besetzt. „Im Vergleich zu Palma, wo teilweise 28 Wohnungen in einem Block besetzt sind, ist das nicht so viel", findet sie. Auch nicht, wenn man es ins Verhältnis setze zu den rund 36.000 Einwohner Marratxís. „Auf dem Festland gibt es Gemeinden, in denen es viel schlimmer ist."

Ernst nehmen müsse man das Problem natürlich trotzdem. Wenn der Ortspolizist, der als direkter Ansprechpartner für das Team von „Marratxí social" fungiert, Lia Amengual darüber informiert, dass wieder eine Immobilie von Eindringlingen heimgesucht wurde, dann macht sie sich auf den Weg dorthin. Nicht, um anzuklagen, sondern um zu reden. Mit den Besetzern, aber auch mit den Nachbarn und eventuell den Eigentümern. „Mir geht es darum zu helfen", sagt sie. Egal, ob eine schäbige Einzimmerwohnung oder ein stattliches Eigenheim betroffen ist. Häufiger sind in

Marratxí die Einfamilienhäuser.

Jede Besetzung ist anders

„Man kann die Hausbesetzer nicht alle über einen Kamm scheren", betont Amengual. Jede Besetzung sei anders, ebenso wie die Gründe, die dazu führten, dass sich jemand in fremdem Eigentum einniste. „Teils sind es kriminelle Banden, die lehnen meine Hilfe meist ab. Teils sind es aber auch Bedürftige, die mich gern empfangen." Ein paar Erfolge habe sie bereits verzeichnet, seit sie Mitte März ihre Arbeit aufnahm. Ein Haus, das eine Familie in Sa Cabana besetzt hatte, sei nach Verhandlungen in sozialen Wohnraum umgewandelt worden. Und auch im Fall einer Familie mit einem behinderten Kind sei ein Rauswurf verhindert worden. Leicht sei die Mediation bei der unkonkreten Gesetzeslage nicht. „Um da zwischen allen Beteiligten zu vermitteln, muss man wirklich kreativ werden." Letztlich versuche sie stets, dass die Betroffenen die Situation des jeweils anderen verstehen.

Dass das neue Einsatzteam darum bemüht ist, Probleme vor allem gesamtgesellschaftlich anzupacken, sieht man auch an der Arbeit von Amenguals Kollegen. Denn das Thema Hausbesetzung ist zwar weit oben auf der Prioritätenliste der

jungen Sozialarbeiter und -pädagogen, aber bei Weitem nicht das Einzige, das sie anpacken wollen. Angestellt sind die acht bei der privaten Firma „estudios6", bezahlt werden sie vom Rathaus. 350.000 Euro lässt sich die Gemeinde die Unterstützung kosten.

Auch anderweitig aktiv

„Wir führen bereits bestehende Projekte weiter und packen auch neue Themen an", so Koordinator Toni Mascaraque. Auf der Insel, betont er, habe „Marratxí social" Pioniercharakter. Dabei gebe es einiges zu tun, allein schon, wenn man auf lokaler Ebene neue Richtlinien gewissenhaft umsetzen wolle. Den neuen Gleichstellungsplan der Landesregierung beispielsweise. In Marratxí ist es Miríam Flor, die viel Zeit damit verbracht hat, heraus­zuarbeiten, wie man unter diesen Vorgaben mehr Gleichstellung im Gemeindegebiet erreichen kann. „Wir planen beispielsweise Kampagnen, die an den Schulen für ­Themen wie Sexismus sensibilisieren sollen", sagt sie.

Überhaupt gehe es nicht nur um Einzelschicksale sozial Schwacher. „Natürlich kümmern wir uns auch beispielsweise um einzelne Drogenabhängige", so Sozialpäda­goge Joan Mercè. Geplant seien aber auch Präventionskampagnen oder Sport­veranstaltungen für alle Bewohner.

Ob diese sie annehmen, werde sich zeigen. „Marratxí ist für viele nur eine Schlafstätte. Die meisten arbeiten in Palma und halten sich hier nur wenig auf. Eine Gemeinschaft wie in anderen Dörfern gibt es kaum", so Ernesto Balletto. Seine Aufgabe ist es, verschiedene Vereine, Gruppen oder Hilfsorganisationen im Gemeindegebiet besser untereinander zu vernetzen und sie inhaltlich und räumlich aneinander heranzuführen. „Marratxí ist ein Dorf aus Dörfern. Alle Ortsteile liegen verstreut und sind ohne Auto kaum zu erreichen", sagt er. Noch so ein Punkt, an dem das neue Team arbeiten möchte. „Je mehr wir uns mit der Gemeinde auseinandersetzen, desto mehr Themen tauchen auf", so Amengual. Aber diese aufzudecken, gehöre eben auch dazu.