Von Holger Weber

Die ersten Anzeichen für einen Schlaganfall können Sprachstörungen oder ein Taubheitsgefühl in Armen oder Beinen sein. Sind die Symptome erkannt, ist Eile geboten. Denn nur wenn der Patient innerhalb von drei Stunden Hilfe bekommt, können Spätfolgen verhindert werden. Auf den Balearen bekommen jedes Jahr 2.000 Menschen einen Schlaganfall, 1.500 von ihnen auf Mallorca. Laut einer Statistik des Kreiskrankenhauses Son Dureta in Palma werden allerdings nur fünf Prozent der Patienten rechtzeitig behandelt. Ein Grund sind die großen Entfernungen, die Patienten zurücklegen müssen, bis sie im Son Dureta Hilfe erhalten. Dort befindet sich die einzige sogenannte Stroke-Unit auf den Balearen, wie die Spezialabteilung für Schlaganfälle genannt wird.

Um die Entfernungen zu überbrücken, ist bereits im vergangenen Jahr ein sogenannter Telemediziner eingerichtet worden, der es den Ärzten in der Stroke-Unit in Palma erlaubt, durch eine Videokonferenz mit den Kollegen in anderen Krankenhäusern zu kommunizieren und Diagnosen zu treffen. Beispielsweise können mit der Technik auch Daten und Bilder des Computer-Tomographen übermittelt werden. Die Bilder des Tomographen geben darüber Aufschluss, ob der Schlag durch eine Hirnblutung oder einen Gefäßverschluss hervorgerufen wurde. Davon sei die Behandlung des Patienten abhängig, so Dr. Carmen Jiménez von der Stroke-Unit in Son Dureta.

Bisher sei die neurologische Abteilung in Palma über den Telemediziner mit den Kreiskrankenhäusern in Manacor und auf Ibiza verbunden. Auch auf Menorca seien die technischen Voraussetzungen bereits gegeben. ýWir könnten jederzeit mit der Arbeit dort beginnen", so Carmen Jiménez.

Alles wie gehabt?

Nach Angaben des balearischen Gesundheitsministeriums gehören die Balearen mit der Anwendung des Telemediziners, der in Deutschland entwickelt und erstmals in ländlichen Gebieten in Bayern eingesetzt wurde, europaweit zu den Vorreitern. Die Bilanz nach dem ersten Jahr: 22 Schlaganfallpatienten erhielten durch den Telemediziner rechtzeitige Hilfe, 20 davon auf Ibiza. Die beiden anderen wurden in Manacor innerhalb des Drei-Stunden-Zeitfensters behandelt.

Allerdings wird auch Kritik laut. Bisher habe der Telemediziner nicht den erwünschten Effekt gehabt, sagt der deutsche Neurologe Dr. Fritz Nobbe von der Clinica Picasso in Palma. Die Zahl der rechtzeitig behandelten Patienten unterscheide sich nicht von den Ergebnissen, die man vor Inbetriebnahme des Tele-mediziners erzielt habe.

In der Stroke-Unit in Palma führt man dies auch auf das fehlende Problembewusstsein in der Bevölkerung zurück. Viele nähmen die ersten Symptome des Schlaganfalls nicht ernst und gäben zu spät Alarm. Bis die Symptome erkannt würden, verstreiche wertvolle Zeit, sagt Jímenez.

Ungelöst bleibt nach Ansicht des Internisten Dr. Luai Chadid auch das Problem der großen Entfernungen auf Mallorca. ýTrotz der Videokonferenz zwischen Palma und Manacor geht beim Krankentransport auf vielen Strecken Zeit verloren", sagt der Arzt. Wegen unübersichtlicher Urbanisationen und schlechter Ausschilderung träfen die Notarztwagen nicht selten zu spät ein.

Verbesserungsmöglichkeiten se-hen die Mediziner reichlich. Am effektivsten sei die Einrichtung einer weiteren Stroke-Unit, so Chadid. Auch eine bessere Verzahnung mit privaten Krankenhäusern sei notwendig, um schneller helfen zu können. Bisher würden nur in Einzelfällen Patienten mit Anzeichen eines Schlaganfalles von privaten Kliniken an die Spezialisten in Palma überwiesen. Im Gegensatz zu Son Dureta gebe es in den privaten Kliniken jedoch keine 24-stündige Bereitschaft eines Neurologen. Ob der Patient rechtzeitig Hilfe bekomme, hänge einzig und allein von dem behandelnden Arzt ab. Bei ersten Symptomen sollten sich die Patienten deshalb direkt in die Kreiskrankenhäuser Son Dureta in Palma oder Manacor begeben, rät Jiménez von der Stroke-Unit.

SCHLAGANFALL

Stichwort ýCodigo ictus"

Schlaganfall können folgende sein:

? Plötzliche Asymmetrie des Gesichts beziehungsweise Lähmung eines Armes oder Beines einer Körperseite,

? pelziges oder taubes Gefühl in Arm oder Bein,

? Sprachverlust beziehungsweise Störungen, oder Schwierigkeiten beim Verstehen von Sprache,

? akut einsetzende Sehschwäche, Einschränkung des Gesichtsfeldes oder Erblindung,

? unerklärliches Schwindel-gefühl,

? Gangabweichung oder plötzliche Fallneigung.

Auf den Balearen sollte bei den beschriebenen Anzeichen sofort ein Notarzt unter der Rufnummer 061 oder 112 gerufen werden. Beim Stichwort ýcodigo ictus" wüssten die Rettungskräfte gleich, dass es sich um Verdacht auf Schlaganfall handelt. Daraufhin wird eine Kette von Maßnahmen in Gang gesetzt, die einem festgelegten Protokoll entsprechen. ýLieber einmal mehr anrufen, als einmal zu spät", so Dr. Fritz Nobbe von der Clinica Picasso in Palma.