Die Diagnose Krebs löst beim Patienten meistens einen psychischen Notstand aus, der aus der Ungewissheit der nahen Zukunft erwächst. Den Wünschen der Patienten nach alternativen Heilmethoden bei Krebserkrankungen gerecht zu werden und dabei sicherzustellen, dass ihnen daraus keine Nachteile erwachsen, ist immer eine sehr schwierige Aufgabe für den Arzt.

In den vergangenen Jahren erfreuen sich alternative Behandlungsmethoden vor allem bei Patienten mit Krebserkrankungen einer verstärkten Nachfrage. In Mitteleuropa wenden circa 50 bis 70 Prozent der Krebspatienten solche alternativen Heilmethoden an, obwohl es an objektiven Daten und wissenschaftlichen Untersuchungen ihrer Wirksamkeit mangelt. Hauptmotivation der Patienten ist die Unzufriedenheit mit der auf schulmedizinischen Standards beruhenden Therapie. Sie fühlen sich hilflos in einen technischen Vorgang der Diagnostik und Therapiefindung eingebunden und vermissen Zuwendung und Möglichkeiten zu aktiver Mitentscheidung.

Bei der Hinwendung zu alternativen Therapiemethoden empfindet sich der Patient als aktiv mitgestaltend und mitentscheidend. Diese Methode ermöglicht ihm, selbst bei der Beseitigung der Krebs auslösenden Störung einer Körperfunktion mitzuhelfen.

Große Nachfrage seitens der Betroffenen und die Möglichkeit zur finanziellen Bereicherung motiviert viele selbst ernannten und skrupellose Experten, unwirksame oder schädliche Alternativtherapien anzubieten und diese auf einer breiten Plattform (Internet, Regenbogenpresse oder Fernsehen) zu bewerben. Laut Stiftung Warentest sind betroffene Patienten bereit, bis zu 20.000 Euro pro Woche oder 100.000 Euro für die Therapie mit alternativen Produkten aufzuwenden. Daher ist es leicht nachzuvollziehen, dass diese ruinöse finanzielle Belastung Patient und Familie vor große soziale Probleme stellt.

Heilungschance verpasst

Es sollte jedem klar sein, dass die alternativen Heilmethoden mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verknüpft sein könnten. Die größte Gefährdung stellt die Ablehnung sinnvoller, auf schulmedizinischen Standards basierenden Therapien zugunsten von alternativen Verfahren dar. Wird beispielsweise eine Chemotherapie zugunsten von alternativen Verfahren abgelehnt, kann eine echte Heilungschance für immer verpasst werden. Bisherige Studien haben sogar gezeigt, dass Patienten, die alternative Therapiestrategien verfolgen, schlechtere Überlebenschancen haben.

Über Johanniskraut

Nicht endgültig geklärt ist auch die Frage, inwiefern die häufig angewendeten Antioxidantien eventuell die Wirkung von Chemotherapeutika und Bestrahlung aufheben. Ein bekanntes Beispiel für die Schädlichkeit bestimmter sogenannter pflanzlicher Stoffe ist Johanniskraut, welches den Abbau bestimmter Medikamente abschwächt, die Tumorzellen vernichten sollten. Eine ähnliche Wirkung besitzen auch Soja, Knoblauch, Ginkgo biloba, Echinacin und Baldrian, welche die Wirksamkeit einer antihormonellen Therapie (zum Beispiel bei der Behandlung von Prostatakrebs) signifikant abschwächen können.

Da der Genuss eines Glases Grapefruitsaft die Konzentrationen verschiedener Medikamente um das Mehrfache erhöht, sind auch Wirkungsverstärkungen bestimmter Medikamente zur Behandlung eines Krebses denkbar. Im Falle einer Chemotherapie könnten beispielsweise so erhebliche Schäden der Nieren, des Knochenmarks und der Leber zustande kommen. In ayurvedischen und traditionell-chinesischen Kräutermedizinen wurden mehrfach giftige oder krebserzeugende Inhaltsstoffe von Pflanzen nachgewiesen.

Zusammenfassend sollte dieser kurze Überblick über die Nebenwirkungen alternativer Heilmethoden die Notwendigkeit unterstreichen, Vorsicht walten zu lassen. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass Patienten durch deren Anwendung nicht ernsthaft gefährdet werden.

Der Autor ist Internist und Kardiologe in der Clínica Picasso in Palma, Tel.: 971-22 06 66.