In den vergangenen Jahren hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass große Eingriffe an der Wirbelsäule, wie die Versteifungsoperation, zu oft eingesetzt werden, wenig Erfolge zeigen und mit Komplikationen behaftet sind. Deshalb haben sich Techniken, die die Beweglichkeit der Wirbel­säule erhalten und dennoch zu einer Schmerzfreiheit/-linderung führen, durchgesetzt, und die Zahl der Versteifungsoperationen geht deutlich zurück. Vorteil der Verfahren ist zudem, dass fast immer eine ambulante Operation und eine Lokalanästhesie ohne Vollnarkose möglich sind. Dieser Artikel stellt einige der wichtigsten Verfahren vor:

Die Nukleoplastie

Diese Methode wird seit Anfang dieses Jahrhunderts an der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule bei Bandscheibenvorfällen eingesetzt. Durch Einlage einer circa ­1 mm großen Sonde kann in Lokalanästhesie ambulant der Bandscheibenvorfall entfernt werden, indem das Innere der Bandscheibe erhitzt wird, und somit der Vorfall und der Bandscheibenring schrumpfen. Die Erfolge liegen bei dieser Operation an der Lendenwirbelsäule bei über 70 Prozent und an der Halswirbel­säule bei über 80 Prozent. Wichtig ist jedoch, dass der Bandscheibenvorfall rechtzeitig erkannt wird, bevor der Vorfall von der Bandscheibe abgerissen ist (sogenannte Bandscheibensequester). Prinzip dieses Eingriffs ist es, dass bei Erfolg eine offene Operation vermieden werden kann. Da der Eingriff im Schnitt nach fünf bis zehn Minuten beendet ist, ist er heute die erste Wahl bei schmerzhaften Bandscheibenvorfällen ohne Lähmungen. Falls an der Halswirbelsäule eine knöcherne, und nicht eine bandscheibenbedingte Enge besteht, nützt eine Nukleoplastie wenig. Hier gibt es jedoch eine minimal-invasive ambulante Variante, die auch diese Patienten erfolgreich behandelt:

Das Dtrax Verfahren

Analog zur Nukleoplastie ist auch dieses Verfahren ein ambulanter Eingriff an der Halswirbelsäule. Durch Einschieben von zwei etwa 8 mm langen Implantaten über eine 4 mm lange Inzision von hinten in die kleinen Wirbelgelenke wird das Nervenaustrittsloch erweitert und der eingeklemmte Nerv entlastet. Dieser Eingriff ist nach etwa 15 bis 20 Minuten beendet, auch hier sind Erfolgszahlen von weit über 85 Prozent zu erwarten. Analog zur Nukleoplastie werden hier intakte Strukturen nicht zerstört, sodass andere konventionell offene Verfahren weiter durchführbar sind.

Das IFuse Verfahren

Dieses Verfahren, welches seit etwa fünf Jahren zuerst in den USA und seit drei Jahren auch in Europa durchgeführt wird, hat die Behandlung von Schmerzen des Kreuz-Darmbeingelenkes (Iliosakralgelenk-ISG) revolutioniert. Bei ­Instabilitäten und Arthrosen des ISG werden, wieder meist ambulant, über eine etwa 2,5 cm lange Inzision kleine Titan-Implantate eingebracht. Das Revolutionäre an dieser Technik ist nicht nur die gewebeschonende Technik, sondern die primäre Stabilität der Gelenke und die sofortige Beweglichkeit der Patienten. Durch eine Oberflächenbeschichtung wachsen die Implantate direkt in den Knochen ein und stabilisieren das ISG. Keine andere Methode ist derzeit in der Lage, ISG Schmerzen so effektiv zu behandeln.

Als Letztes möchte ich die wichtigste Methode, die potentiell eine Versteifungsoperation und die Implantation einer Bandscheiben­prothese in über 90 Prozent der Fälle verhindern kann, erwähnen.

Das Intracept Verfahren

Studien haben Ende der 90er Jahre festgestellt, dass abgenutzte Bandscheiben immer die Reizung eines Nerves innerhalb der Wirbelkörper verursachen. Diese Schmerzen sind bis heute fast ausschließlich durch eine Versteifungsoperation oder eine Bandscheibenprothese zu behandeln gewesen. Seit vier Jahren ist es nun möglich, diesen Schmerznerv gezielt zu veröden, wobei keine Versteifungsoperation mehr notwendig ist. So konnte bei 90 Prozent der Patienten durch einen Eingriff, der über eine 5 mm lange Inzision unter Lokalanästhesie durchgeführt wird, ambulant geholfen werden. Führende Universitäten aus den USA vertreten derzeit die Meinung, dass dieser Eingriff die Versteifungsoperation zukünftig deutlich in den Hintergrund drängen wird.

Prof. Dr. med. Stephan Becker ist Orthopäde, Traumatologe, Sportmediziner und Chirotherapeut. Er kooperiert eng mit der Palmaclinic, wo in regelmäßigen Abständen Sondersprechstunden stattfinden, und steht auch für eventuelle OPs bereit.In Zusammenarbeit mit Elisabeth Wiehart und Marco Seita und im Rahmen der Serie „Fortbildung mit Genuss" referiert Stephan Becker an diesem Freitag (28.9.) im Weingut ­Castell ­Miquel in Alaró zum Thema Wirbelsäule. Beginn: 17 Uhr. Unkostenbeitrag: 20 Euro. Anmeldungen unter Tel.: 634-35 70 60.