Heinz Reinhard Schmidt lächelt vor sich hin. Bald geht es für ihn nach Hause. „Gleich kommt meine Frau. Und sie bringt Schokolade mit, damit ich mich bei den Angestellten richtig bedanken kann", sagt er. Zwei Monate hütete Schmidt ein Krankenhausbett im Hospital Manacor, nun sitzt er in seinem Rollstuhl in der hellen, weitläufigen Eingangshalle. „Die Liebenswürdigkeit der Angestellten ist riesig", schwärmt er. „Nur das Essen hätte besser sein können - ich habe 15 Kilo abgenommen." Gegen den spartanischen Einrichtungsstil des betonlastigen Gebäudes, das alle anderen im Umkreis überragt, hat Schmidt hingegen nichts einzuwenden. „Es ist solider Durchschnitt." Er muss es wissen: Jahrelang war er als Raumausstatter tätig, kam in der ganzen Welt he­rum. „Krankenhäuser waren eines meiner Spezialgebiete, ich habe viele eingerichtet."

Seit knapp fünf Jahren wohnt der deutsche Rentner dauerhaft in Cala Ratjada - einer der 15 Gemeinden aus der Llevant-Region, die im Einzugsgebiet des Manacor-Krankenhauses liegen. Von Capdepera bis Campos kommen Residenten hier unter. Schmidt war zuvor noch nie hier. „Sie mussten mir einen Fuß amputieren. Ich hatte ein Problem mit meinen Zuckerwerten, und er fing an zu faulen", berichtet er

unbekümmert.Rund 2.000 deutsche Patienten

Der ehemalige Raumausstatter ist einer von rund 2.000 Deutschen, die jährlich im Kreiskrankenhaus behandelt werden. „Hier kommen viele Nationalitäten zusammen", sagt Amparo Pardo, die mit ihrem weißen Kittel zur Begrüßung in die Eingangshalle gekommen ist. Fast 19 Jahre lang arbeitete sie als intérprete im Hospital Manacor, als Dolmetscherin. Schwerpunkt: Deutsch. „Ich bin als Tochter von Spaniern in Deutschland aufgewachsen", fügt sie erklärend hinzu. Seit Kurzem ist sie nun in der Verwaltung tätig und für den MZ-Rundgang verantwortlich. „Wir haben auch viele französische, britische oder marokkanische Patienten. Hier gibt es für alle Übersetzer", sagt sie und wendet sich zum Gehen. Patient Heinz Reinhard Schmidt nimmt zum Abschied ihre Hand und drückt einen saftigen Schmatzer darauf. „Gracias", sagt er, und es klingt ehrlich.

Eines von vier

Durch die Cafetería geht Pardo voran zum Verwaltungstrakt. Dort wartet Pressesprecherin Magdalena Ferrer bereits in einem Besprechungsraum, von dem aus man weit über die Llevant-Ebene blicken kann. „Hier ist einiges los in diesen Tagen", begrüßt sie uns. Tatsächlich klingelt pausenlos ihr Telefon. „Jetzt, wo der große Jahrestag bevorsteht, interessieren sich alle Medien für unsere Einrichtung", fügt sie entschuldigend hinzu. 20 Jahre ist es her, berichtet sie, dass das Krankenhaus am 28. April 1997 eröffnet wurde. Als erstes von den vier staatlichen Krankenhäusern, die heute neben dem Hospital Manacor auf Mallorca existieren: Son Espases und Son Llàtzer in Palma und Hospital Comarcal de Inca.

Auf gut 27.000 Quadratmetern beherbergt das Hospital Manacor 232 Krankenbetten. 1.028 Mitarbeiter arbeiten derzeit hier. Hinzu kommen externe Arbeitskräfte, die von Reinigungsdiensten und Sicherheitsfirmen gestellt werden. Alles am Krankenhaus sei in den 20 Jahren rapide gewachsen - alles bis auf das Gebäude, erzählt Magdalena Ferrer. Die Anzahl der Fachkräfte habe sich verdoppelt, und die der Notaufname-Patienten sei von rund 200 in den ersten Jahren auf mittlerweile 800 pro Tag gestiegen. „Die Betten sind für ein Einzugsgebiet von rund 100.000 Residenten gedacht. Aber effektiv wohnen hier mittlerweile 140.000 Menschen. Rechnet man im Sommer die Touristen hinzu, dann kommen wir schnell auf 180.000", so Magdalena Ferrer. Und: „Wir sind der Landkreis mit der ältesten Bevölkerung Mallorcas."

„Das Hospital war von Anfang an zu klein konzipiert", sagt auch Joan Bennaser, der wenige Zimmer weiter an seinem Schreibtisch sitzt. Er ist Medizinischer Leiter und von Anfang an mit dabei. „Hier herrscht eine ganz besondere Stimmung. Als wir damals anfingen, waren fast alle jung und hoch motiviert", erzählt er. Kein Wunder: Das Krankenhaus war auf das Drängen einer Bürgerbewegung hin entstanden, die jahrelang für den Bau kämpfte. Bennaser erinnert sich noch an die Großdemonstration, die Lokalpolitiker und Bürger bereits 1987 in Palma abhielten. „Wir wollen nicht auf dem Weg zum Krankenhaus sterben wie unsere Eltern", war damals das Motto.Krankenhaus in Ihrer Nähe

„Die Leute forderten eine medizinische Versorgung, die nicht Dutzende Kilometer von ihren Wohnorten entfernt in Palma ist. Es ging um Nähe. Heute sind wir Mitarbeiter natürlich etwas älter, und weitere sind hinzugekommen. Aber diese Motivation von damals ist geblieben. Wir sind weiterhin nah am Patienten", so Bennaser, dem 202 Ärzte unterstehen, und lacht: „In Son Espases geht es zu wie auf einem großen Tanker, dagegen sind wir eher ein kleines Segelschiff."

Die nur wenige Minuten von ­Bennasers Büro entfernte Traumatologie-Station erweckt eher den Eindruck eines Bienenstocks als den eines Segelschiffchens. Durch die offen stehenden Türen, die von dem langen Flur abgehen, flitzen Krankenschwestern ein und aus. Man kann Blicke in die Patientenzimmer erhaschen - Zweibettzimmer: klein, funktional, mit Vorhängen, die die Betten voneinander trennen. „So manch ein Deutscher fühlt sich durch den Rummel gestört", sagt Dolmetscherin Amparo Pardo und lacht. „Spanier sind nun mal lauter und haben auch in der Regel ausgiebigere Familienbesuche. Das ist für einige Deutsche doch sehr gewöhnungsbedürftig."Herausforderung Übersetzung

In einem der Zimmer redet Abdellah Lahit leise mit einem dunkelhaarigen Patienten mit Schnurrbart, klopft ihm ­mitfühlend auf die Schulter. Seit 13 Jahren arbeitet Lahit als Übersetzer für Berber, Arabisch und Französisch. Immer, wenn ein Patient mit einer dieser Muttersprachen eingewiesen wird, wird Lahit automatisch kontaktiert und bietet seine kostenlosen Übersetzungsdienste an.

„Bei muslimischen Patienten sind die kulturellen Unterschiede natürlich noch größer", berichtet Lahit und geht auf den Flur. Immer wieder müsse er psychologische Arbeit leisten. „Manche Menschen haben Angst oder fühlen sich ausgeliefert, weil sie aus ihren Heimatländern andere Gewohnheiten und Umgangsformen kennen." Lahit blickt nachdenklich drein. „Ich bin ihr direkter Ansprechpartner. Ich bekomme alles mit. Das ist manchmal sehr schön, aber manchmal auch sehr hart."

„Meist positiv überrascht"

Dass Sprach- und Kultur­unterschiede im Krankenhaus teils Herausforderungen mit sich bringen, teils aber auch dazu beitragen können, Vorurteile abzubauen, weiß Werner Brill. In seinem kleinen Büro auf halber Höhe des Flurs ist es angenehm ruhig. Brill ist leitender Stationsarzt der Traumatologie-Abteilung, Sohn deutscher Eltern, geboren in Valencia, und spricht akzentfrei Deutsch. Mehrere ­Jahre arbeitete er an Krankenhäusern in Deutschland, bis er vor 20 Jahren zum Gründerteam in Manacor stieß. Er kennt beide Gesundheitssysteme mit ihren Vor- und Nachteilen - und auch die Reaktionen deutscher Patienten. „Im Großen und Ganzen sind sie skeptisch, wenn sie in Spanien eingewiesen werden. Aber die meisten werden dann positiv überrascht. Die medizinische Versorgung ist in den staatlichen Krankenhäusern hier sehr gut. In Deutschland gibt es wenige Kreiskrankenhäuser, die so gut ausgestattet sind wie dieses", ist sich Brill sicher.

Lange Wartezeiten

Allerdings: „Man muss erst einmal reinkommen. Die langen Wartelisten in Spanien sind ein ganz klarer Nachteil im Vergleich zu Deutschland. Es ist unsere gesetzliche Pflicht, Patienten außer in Notfällen innerhalb von 180 Tagen, also einem halben Jahr, zu operieren. Das ist sehr lange. Und trotzdem schaffen wir es kaum", so Werner Brill.

Ob sich das in Zukunft ändern wird? Mehr Betten und Operationssäle sind zumindest in Planung, die Gelder bereits genehmigt. Innerhalb der kommenden sechs Jahre soll das bestehende Gebäude durch einen Anbau um 50 Prozent vergrößert werden. „Es ist wirklich nötig", so Pressesprecherin Magdalena Ferrer und schüttelt den Kopf. „Kaum noch vorstellbar, dass das gesamte Krankenhaus vor etwas mehr als 20 Jahren noch zur Diskussion stand. Heute ist es aus Manacor nicht mehr wegzudenken."