Ein junges Pärchen döst auf den Liegen am Pool vor sich hin. Er gehört zur Apartmentanlage Aldea II in Cala Fornells, wo die Deutschen eine Ferienwohnung gemietet haben. Über ein Online-Buchungsportal wie Airbnb vielleicht? „Nein, von privat", beteuert der Urlauber. „Wir sind Bekannte des Besitzers, wir sind zu Hause fast Nachbarn", schiebt er schnell nach - offenbar genau wissend, wie heikel die Frage ist.

Denn Privatwohnungen in Mehrfamilienhäusern, die keine geschlossene Apartmentanlage mit Hotel-Lizenz darstellen, dürfen auf der Insel laut derzeitiger Gesetzeslage nicht touristisch vermarktet, das heißt mit Flyern beworben oder auf einer der einschlägigen Internet­seiten angeboten werden. Sind also all die Menschen mit sonnenverbrannten Köpfen, Badetaschen und Sandalen, die sich am Freitagmittag (5.6.) in der mehrere hundert Apartments umfassenden Siedlung tummeln, Eigentümer, Verwandte oder Bekannte der Wohnungseigentümer?

Immobilien vermieten an Urlauber verboten? "Wussten wir nicht"

Wohl kaum. Ein Paar aus dem Ruhrpott etwa, das gerade für zwei Wochen eine liebevoll eingerichtete Ferienwohnung mit großer Terrasse und traumhaftem Meerblick in der Anlage Aldea I bezogen hat, kennt von deren Besitzer gerade einmal E-Mail-Adresse und Telefonnummer. Weil er das Apartment im Gegensatz zu früher nicht mehr auf einer Buchungsplattform im Internet einstellt, habe man ihn diesmal direkt kontaktiert und gebucht. „Dass er eigentlich gar nicht an Urlauber vermieten darf, das wussten wir nicht", sagen sie überrascht.

Der Vermieter hingegen ist sich der verzwickten Gesetzeslage bewusst. „Das Recht hier auf der Insel ist sehr merkwürdig", sagt der Deutsche, der seinen Namen natürlich nicht in der Zeitung lesen will. Für die Vermietung einer anderen Wohnung, ein Stück weiter Richtung Hotel Cala ­Fornells, habe er bereits vor Jahren eine saftige ­Geldstrafe von mehreren Tausend Euro zahlen müssen. Nachbarn, denen die Urlauber ein Dorn im Auge waren, hatten ihn damals angezeigt. „Ich habe dagegen geklagt, da es laut EU-Recht eigentlich erlaubt sein müsste, so eine Wohnung an Touristen zu vermieten." Doch die Richter waren anderer Meinung, und in die nächste Instanz wollte er nicht mehr gehen. „Der Spaß war so schon teuer genug."

Wichtiger als das Recht, so seine Erfahrung, ist es offensichtlich, die Nachbarn auf seiner Seite zu haben. Und so entschied sich der Deutsche zum Verkauf der ersten Wohnung - und beschränkte sich fortan auf die Vermietung des kleinen Apartments in Aldea I. Stammgäste schreiben ihn direkt an, um den Rest kümmert sich eine Agentur. „Die kassiert zwar eine Provision, aber so wäge ich mich rechtlich auf der sicheren Seite."

Vilas Mallorca vermietet Immobilien

Die Agentur, von der die Rede ist, heißt Villas Mallorca und vermietet momentan 16 Apartments aus der Aldea-Anlage im Auftrag von deren Eigentümern. Legal sei das aber ebenso wenig wie die ­private ­Vermietung, heißt es in der Inspektions­abteilung des balearischen Tourismusministeriums.

Frederic Mayer von Villas Mallorca ist dennoch anderer Meinung. „Ich bin auch mit diesen Leuten in Kontakt, und das ist in Ordnung. Wir hatten hier auch schon Kontrollen, ohne dass etwas passiert wäre." Man müsse sich nur einmal mit einem Anwalt zusammensetzen und sich genau erklären lassen, wie man es anstellen muss. Denn die EU-Gesetzgebung stehe nun mal auf Seite der privaten ­Ferienvermieter, ist Mayer überzeugt. Mehr will er dann aber auch nicht verraten.

Den höchstoffiziellen Segen aus dem balearischen Tourismusministerium hat indes ein Unternehmen, das in Aldea II etwa die Hälfte der 88 zur Anlage zählenden Apartments vermarktet. Und zwar nicht nur über die eigene Website, sondern sogar über große Reiseveranstalter wie Neckermann. Neben dem Eingang prangt deshalb an prominenter Stelle ein Schild mit der Aufschrift AT für alojamiento turístico, das Erkennungszeichen für eine behördlich anerkannte Touristenunterkunft. Allerdings handelt es sich bei der hierfür erworbenen Lizenz um ein Relikt aus einer Zeit, in der die Gesetzeslage diese Art der Ferienvermietung noch hergab. „Heutzutage bekommen sie so etwas nicht mehr genehmigt", erklärt eine Inspektorin aus dem Ministerium. Der Haken ist nämlich: Es handelt sich nicht um ein separates Gebäude, in dem alle Wohnungen an Urlauber vermietet werden, sondern um einzelne Apartments, die kunterbunt zwischen all den anderen Privatwohnungen verstreut liegen.

Dass auch deren Besitzer zum Teil an Touristen vermieten, bringt die bei der Firma „Aldea 2" angestellte Rezeptionistin regelmäßig zur Weißglut. „Diese Leute kommen dann zu mir, um sich über irgendwas zu beschweren oder frische Handtücher zu verlangen, dabei bin ich überhaupt nicht zuständig." Für Ärger sorgten immer wieder auch Gäste aus Aldea I, die sich unerlaubterweise am Pool von Anlage II breitmachen. „Und der Gipfel ist, dass mir manche von denen dann sogar Schreiben von ihren Vermietern vorlegen, dass sie beide Pools benutzen dürfen."

Doch was bleibe ihr anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, seufzt die Mallorquinerin. „Wenn jemand, der nicht unser Gast ist, einen Arzt braucht oder eine Frage hat, helfe ich natürlich genauso weiter." Denn die Urlauber wüssten ohnehin meist gar nicht, was gespielt werde. Und im Internet finde man leichter die illegalen Wohnungen als ihre Firmen-Website. „Obwohl wir mit maximal 105 Euro in der Hochsaison billiger sind als ein Großteil der privaten Konkurrenz und zudem richtigen Service bieten." Etwa eine von 8 bis 24 Uhr besetzte Rezeption und einen Reinigungsdienst.

Rentner stört sich nicht an illegalen Immobilien-Mietern

Ein Rentner aus Ulm, der seine Ferienwohnung in der Anlage Aldea I bereits seit 1972 besitzt und nur für die eigene Familie nutzt, stört sich nicht an den möglicherweise illegalen Mietern in seiner Nachbarschaft. „Wir hatten gerade Eigentümerversammlung, da gab es keinerlei Konflikte", versichert er. Auch im obersten Teil der Anlage, in Aldea III, scheint es sehr harmonisch zuzugehen. Hier hat sich einer der beiden Eigentümergemeinschaften einstimmig gegen eine Vermietung an Touristen ausgesprochen. Und auch für den Rest sei das Thema tabu, sagt Verwalterin Miriam Danielowski. „Eigentlich wird das ganz gut eingehalten. Wenn jemand seine Wohnung gewerblich vermarktet, gehen wir dagegen vor." Einmal etwa habe man einen Eigentümer anhalten müssen, sein Inserat aus einem Internetportal zu entfernen, was er dann auch tat.

Kontrollierbar sei die interne Übereinkunft dennoch kaum, gibt ein Apartmenteigentümer aus der Schweiz zu bedenken. „Ich habe sechs Kinder, die selbst Kinder haben, verheiratet sind und teils den Namen gewechselt haben - wie soll man da denn den Überblick behalten?" Zumal bei manch einem der Familien- und Freundeskreis stark angewachsen sei, seit man beschlossen habe, nur noch an Verwandte und Bekannte zu vermieten. Wobei man den Schwindlern mitunter leicht auf die Schliche kommen könne. „Einmal erzählten mir Leute, sie würden den Eigentümer, einen anderen Schweizer, kennen, konnten mir dann aber nicht mal seinen Wohnort und den Namen seiner Frau sagen", berichtet der Rentner amüsiert.

Anders als bei Mallorcas Hoteliers­verband, der die private Ferienvermietung von Immobilien auf Mallorca unbedingt zu verhindern sucht, hält man all die Aufregung im Hotel Petit Cala Fornells für reichlich übertrieben. „Das ist keine Konkurrenz für uns", sagt ein Mitarbeiter und zeigt auf einen fast durchweg rot markierten Kalender. „Wir sind auch so ausgebucht."

Rezeptionist Emilio vom Hotel Cala Fornells direkt an der Bucht hat ebenfalls nichts gegen private Vermieter. „Ich sehe das eher als zusätzliches Angebot, das es auf Mallorca, wie auch in jedem anderen Urlaubsgebiet geben sollte." Eine Regelung allerdings ist in seinen Augen überfällig. Es könne schließlich nicht sein, dass Tausende Vermieter in der gesetzlichen Grauzone agieren, während offizielle Betriebe zig Inspektionen, angefangen von der Arbeitsaufsicht über die Steuerprüfung bis hin zum Hygienecheck des Gesundheitsministeriums, über sich ergehen lassen müssen. „Und wenn ich dann frage, wann sie endlich das Gebäude nebenan kontrollieren, wo seit Jahren illegal vermietet wird, werde ich nur ausgelacht."

Die Anlage: Das mexikanische Dorf eines Russen

Die Ferienanlage Aldea I bis III in der Siedlung Cala Fornells wurde 1972 bis 1974 vom russischen Architekten Pedro Otzoup (1917-2000) erbaut und ist einem mexikanischen Dorf nachempfunden. Die einzelnen Apartments sind in Bauweise, Farbe und Stil einheitlich, unterscheiden sich aber in Größe, Aufteilung und vielen Details wie Schornsteinen, Fensteröffnungen oder Balkonbrüstungen. Während die ersten Käufer nur 50.000 D-Mark bezahlten, liegen die Preise für ein Apartment nun bei etwa 300.000 Euro.