Wer als Deutscher auf Mallorca lebt oder hier eine Immobilie hat, nimmt, ob er will oder nicht, „am Rechtsverkehr teil", wie wir Juristen etwas gestelzt formulieren. Will heißen: Es werden regelmäßige oder unregelmäßige Verpflichtungen aufgebaut, sei dies bei der Telefongesellschaft, beim Strom- oder Wasserversorger, auf der Bank, im Umgang mit Handwerkern, bei der Verkehrsbehörde ?

Da kann es schon mal passieren, dass es Ärger oder Missverständnisse gibt oder man wegen Mangelhaftigkeit der Leistung die Bezahlung verweigert. Nicht jeder lässt sich das gefallen, und so muss man ganz zwangsläufig damit rechnen, dass einem eine Klage ins Haus flattert.

Genau das ist immer dann besonders ärgerlich, wenn man gerade mal nicht auf Mallorca ist, so dass es leicht vorkommen kann, dass man von dieser Klagezustellung nichts erfährt. Der Gerichtsbeamte geht zur Adresse auf Mallorca­, findet dort niemanden vor, macht einen entsprechender Vermerk und teilt dies dem Gericht mit. Ab dann kann es sehr unangenehm werden:

Der Kläger hat nämlich das Recht, eine öffentliche Zustellung zu beantragen. Diese Möglichkeit gibt es im deutschen (§ 185 ZPO) wie im spanischen Recht (Art. 164 LEC). Fast gleichlautend heißt es dort, dass die persönliche Zustellung dadurch ersetzt werden kann, dass ein entsprechender Aushang (edicto) am Gerichts­gebäude angebracht wird. Das mag man sich einmal konkret vorstellen. Wer hat schon mal einen solchen Aushang am tablón de anuncios im Gericht gesehen oder schaut gar vorsorglich regelmäßig dort vorbei? Das macht niemand. Diese Form der Zustellung ist völlig überholt. Schon allein der Begriff ist albern, denn was ist an einem solchen Aushang „öffentlich"?

Aber das kommt davon, wenn jahrhundertealte Rechtstraditionen ohne weiteres Nachdenken einfach in aktuelle Gesetz­bücher übernommen werden. Das oder die edictos stammen aus dem römischen Reich und wurden schon 400 Jahre v. Chr. eingesetzt. Der entsprechende Aushang hatte damals aber eine andere Funktion. Er sollte der Bevölkerung mitteilen, welche ­Prinzipien oder Rechtsgrundsätze der jeweilige Richter (Prätur) anzuwenden gedachte. Sie wurden so zu einer ersten Rechtsquelle, und irgendwann kam Kaiser Adrian 130 n. Chr. auf die Idee, all diese Edikte zu sammeln, alles Überholte auszusortieren, und daraus ein Kompendium zusammenzustellen, was letztlich auf ein erstes Gesetzesbuch hinauslief.

Mangels Zeitungen oder sonstiger Medien wurden die Edikte zu einem wichtigen Medium für die jeweils Herrschenden, um der Bevölkerung mitzuteilen, was sie zu tun oder zu unterlassen hätten. Gleiches galt im Übrigen bis ins Mittelalter für die Kirche, wobei die gefürchteten Inquisitions-gerichte Prozessladungen, Verfahrenseröffnungen und auch Urteile an die Kirchentüren nagelten, zur Information, aber auch Mahnung an die Gläubigen. Seit dieser Zeit hat sich vieles geändert, dennoch ist die völlig antiquierte Form der (rechtswirksamen!) Zustellung in den aktuellen Gesetzen sowohl Spaniens als auch Deutschlands verankert.

Deutscher auf Mallorca könnte vom ­Bauunternehmer oder einer Bank verklagt werden

So kann es also passieren, dass ein Deutscher auf Mallorca beispielsweise von einem ­Bauunternehmer oder einer Bank verklagt wird, ohne dass er irgendetwas davon mitbekommt. Auch das weitere Verfahren einschließlich des Urteils wird ihm verborgen bleiben, denn wenn eine Zustellung einmal gescheitert ist, dürfen auch alle folgenden Zustellungen per edicto erfolgen. Und was ist die Folge? Irgendwann erfolgt eine Zwangsvollstreckung, eine Pfändung und gar die Zwangsversteigerung von Immobilien auf Mallorca.

Wer nun meint, dies sei alles blanke Theorie und da sei wieder mal ein Rechtsanwalt, der den Leuten Angst machen wolle, der irrt. Ich kann aus den letzten zwölf Monaten allein von zwei konkreten Fällen berichten, in denen eine Bank eine Zwangsversteigerung eingeleitet und durchgeführt hat, ja sich sogar selbst das Eigentum hat zuschlagen lassen, ohne dass der Schuldner und Darlehens­nehmer irgendetwas davon mitbekommen hätte.

Ein solcher Vorgang ist natürlich skandalös und es wäre schlimm, wenn hier keine Gegenwehr möglich wäre. Sowohl das spanische Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional; T.C.) wie auch das höchste spanische Gericht (Tribunal Supremo; T.S.) haben hier einen eindeutigen Riegel vorgeschoben. Es hat insbesondere die Gerichte streng angemahnt, alle und wirklich alle Möglichkeiten zu nutzen, eine Zustellungsadresse des Beklagten ausfindig zu machen. Selbst eine Mobiltelefon-Nummer muss genutzt werden, um eine Anschrift herauszufinden. Das Recht, sich vor Gericht verteidigen zu können oder die Verweigerung dieses Rechtes (geregelt in Art. 24 der spanischen Verfassung; „indefensión") wird als hohes Rechtsgut bezeichnet. Entsprechend ist damit die Verpflichtung verbunden, intensiv nach dem Beklagten zu suchen.

Natürlich ist das Gericht in dieser Frage oft auf sich alleine gestellt, denn es hat ja kaum mehr als die Klageschrift des Klägers, und der natürlich - in meinen beiden konkreten Fällen: die Bank -, tut ganz unschuldig und weiß angeblich gar nichts von irgendeiner Adresse in Deutschland und verweist treuherzig darauf, dass man ja im Darlehensvertrag ausdrücklich als Zustellungsadresse die Ferienwohnung angegeben habe (wobei der gleichen Bank urplötzlich dann die deutsche Adresse wieder einfällt, wenn es an die Vollstreckung des Urteils geht).

Man ist also nicht ganz schutzlos. Trotzdem kann man nur raten, bei allen Rechtsbeziehungen in Spanien (auch) die deutsche Adresse anzugeben, damit, falls der Vertragspartner irgendwann einmal an eine Klage denken sollte, das Gericht selbst in dem Vertrag eine deutsche Zustellungsadresse sieht und eine Zustellung dort veranlassen kann.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Abogado mit Kanzleien in Frankfurt und Palma, www.dr-­reichmann.com, Tel.: 971-91 50 40.