So ändern sich die Zeiten: Vor etwas über einem Jahr empfing Benedikt Pliquett die MZ im Stadion von Son Malferit in T-Shirt und Sportschuhen. Der heute 31-jährige Hamburger, der jahrelang beim FC St. Pauli im Tor stand, war gerade zum Fußball-Drittligisten Atlético Baleares gewechselt. Am vergangenen Donnerstag trafen wir uns wieder mit Pliquett, der uns diesmal in weißem Hemd und mit Laptop in einer Luxusvilla in Son Vida begrüßt. Der 1,99 Meter große Keeper hat vor der am Samstag (20.8.) beginnenden Saison der Segunda División B seine Karriere beendet und seinen bis kommenden Sommer laufenden Vertrag bei Atlético Baleares aufgelöst. Jetzt widmet er sich hauptberuflich dem Verkauf von Immobilien auf Mallorca.

„Die Villa hier soll mal für sechs Millionen Euro den Besitzer wechseln", sagt Pliquett und lässt seinen Blick über den steilen Abhang hinunter nach Palma und zum Meer schweifen. Das streng kubische Haus mit einer Wohnfläche von 650 Quadratmetern, einem 20 Meter langen Außenpool, einem Spa und Fitnessraum sowie unendlich vielen Zimmern und einem Fahrstuhl - es sind ja immerhin drei Stockwerke - gehöre einem seiner besten Freunde. „Durch ihn bin ich überhaupt erst in diese Branche hineingerutscht", setzt der Hamburger an.

Die Geschichte begann im vergangenen Herbst. Der befreundete Deutsche hatte zwei benachbarte Villen in Son Vida als Investmentprojekte vom Bauträger gekauft und wollte sie nun, nach zwei Jahren, gewinnbringend veräußern. Dafür bat er Pliquett um Hilfe. Der hat ohnehin „von Haus aus schon ein Faible für Immobilien", war angetan von dem Angebot, betätigte sich fortan als Hausverwalter und managte die Besichtigungen mit potenziellen Interessenten. Im Mai gelang es ihm nach eigener Aussage, das Haus zu verkaufen. „Da habe ich gemerkt, dass mir das Geschäft Spaß macht und ich davon meinen Lebensunterhalt bestreiten kann", erzählt der braun gebrannte Hüne.

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Februar bekam er in der Immobilienagentur Only ­Exclusive einen Praktikumsplatz und fuhr täglich nach dem Training ins Büro. Nach wenigen Monaten folgte der Sprung in die Selbstständigkeit - mit seiner Firma Benedikt Pliquett Real Estate. Zugute kommen ihm vor allem die zahlreichen Kontakte aus der Fußballszene. Werbung müsse er im Vergleich zu anderen Maklern nicht schalten, sagt er. Und diese Kontakte suchten entgegen der verbreiteten Meinung nicht nur millionenschwere Luxusvillen. „Da sind auch ganz einfache Anfragen von Ex-Kollegen bei St. Pauli dabei, die ein Ein- oder Zwei-Zimmer-Apartment in Strandnähe suchen." Deshalb habe er sich auch nicht auf den Luxus-Sektor spezialisiert, sagt Pliquett.

Dass ihm die Villa in Son Vida, auf deren Terrasse Pliquett gerade sitzt, trotzdem gefällt, ist schwer zu übersehen. Das scheint seine Welt zu sein, ein bisschen Glamour eben. So wie vor knapp einem Monat, als Sylvie Meis, Model und Ex-Frau von Fußballer Rafael van der Vaart, einen Unterschlupf für ihren Mallorca-Urlaub suchte. Weil eine Freundin von Meis - wie der Zufall eben so spielt - auch mit Pliquett befreundet ist, kam die Anfrage beim Hamburger an. Der prompt eine schnieke Villa in Port d´Andratx präsentierten konnte, die gerade für 6,5 Millionen Euro zum Verkauf steht, aber für Ferien­vermietung genutzt wird. Meis war 15 Tage lang teilweise mit acht Personen im Schlepptau auf der Insel und soll von dem Haus begeistert gewesen sein. „Das ist das Tolle: Du kommst mit so vielen verschiedenen Leuten in Verbindung und bewegst dich über die ganze Insel", sagt Pliquett, der 150 Objekte anbietet und zurzeit für 21 Kunden auf der Suche nach einer Immobilie ist. Das habe ihm im Fußball gefehlt. Da sei er von zu Hause zum Training oder den Spielen gefahren, und dann wieder nach Hause. „Aber was mich noch mehr gestört hat: Du bist nie dein eigener Herr. Der Trainer sagt dir, wann du wo zu sein hast."

Aber was ist jetzt mit dem Fußball? „Ich habe seit Wochen keinen Ball mehr in der Hand

gehabt", erklärt Pliquett. Sein Karriereende habe auch noch andere Ursachen gehabt. Als Stammtorwart auf die Insel gekommen, war er häufig nur der zweite Keeper - Vicenç Sabater machte dem Deutschen seinen Posten streitig. Auch die Arbeitsbelastung hatte es in sich. „Wir haben in 39 Wochen 53 Mal gespielt. Allein im Pokal hatten wir 16 Begegnungen. Das war krass. Da merkst du erst einmal, wie geruhsam du als Zweitliga-Spieler in Deutschland lebst."

Der Körper von Pliquett streikte immer öfter. „Ich hatte Probleme mit dem Ellenbogen, am Sprunggelenk, an der Achillesferse und konnte mich nicht so bewegen, wie ich wollte." So sei alles ein bisschen „zäh" geworden. Er habe öfter gegen seine Zweifel ankämpfen müssen.

Überhaupt, so gesteht er sich inzwischen selbst ein, sei er nie ein Vollblut-Fußballer gewesen. „Ich verstehe in vielen Fällen die Verbissenheit der Spieler, aber auch der Fans nicht." Auch menschlich kann Pliquett mit vielen Ex-Kollegen nicht viel anfangen. „Es war zeitweise ziemlich anstrengend, den ganzen Tag mit Leuten zu verbringen, die nicht auf deiner Wellenlänge liegen, mit denen du aber auf Gedeih und

Verderb zusammenarbeiten und Erfolg haben musst."

Wichtig ist Pliquett trotz allem, dass sein Verhältnis zu Atlético Baleares weiterhin intakt ist. Er empfinde große Dankbarkeit dem Eigentümer Ingo Volckmann gegenüber, der ihn auf die Insel geholt hatte. Dadurch haben er und seine Familie auf die Insel gefunden. „Als im vergangenen November hier jeden Tag die Sonne schien und ich an den deutschen November gedacht habe, war mir klar: Ich will hier nicht mehr weg."

Zwar seien vor dieser Saison noch ein paar Angebote aus der 3. Liga in Deutschland eingetrudelt. Aber da musste er nicht lange überlegen. Den Fußball vermisst er nicht im Geringsten. „Von der EM habe ich zweieinhalb Spiele gesehen", sagt er und wechselt im nächsten Moment das Thema. Wieder hin zu den Immobilien, die ihm ungleich mehr Spaß bereiten als der Fußball.