Als sich der Vermieter bei Beate Schuster meldete und Eigenbedarf für die Mietwohnung ankündigte, räumte er ihr zwei Wochen für den Auszug ein. Er habe sich gerade von seiner Lebensgefährtin getrennt und sei provisorisch bei einem Freund untergekommen, erklärte er der verdutzten Deutschen. Schuster (Name v. d. Red. geändert) aber wollte nicht ohne Weiteres auf die Wohnung an der Uferpromenade von Palmas Viertel Portitxol verzichten, für die sie bislang 800 Euro Miete zahlt. „Ein Bekannter erzählte mir, dass der Vermieter an Urlauber vermieten will, für 1.000 Euro die Woche." Da die Kündigung nicht fristgerecht war, wurde daraus nichts - das Objekt wird im Gegensatz zu vielen anderen in vergleichbarer Lage bislang noch nicht bei Airbnb und Co. angeboten.

Die Luft auf dem Markt der Langzeitvermietung ist dünn geworden auf Mallorca. Da die Vermietung an Urlauber meist einfach und rentabel ist, schrumpft das Angebot an Mietobjekten für Residenten immer weiter. Das Portfolio habe sich innerhalb eines Jahres nahezu halbiert, meint Steffen Döhne, Immobilienunternehmer und Geschäftsführer der Mallorca Mietbörse. „Es gibt weniger Angebot, und die wenigen Wohnungen haben preislich zugelegt." So weist denn auch der neue Mietspiegel der Agentur zweistellige Preissteigerungen im internationalen Markt aus. „In Spitzenlagen ist es sogar bis zu 30 Prozent teurer geworden", so Döhne.

Portitxol, das seit Jahren das Etikett Trendviertel trägt und Standort der Mallorca Mietbörse ist, bekommt das besonders zu spüren. Döhne machte die Probe aufs Exempel und zählte unlängst auf den wenigen Metern zwischen dem Hotel Portixol und Ciutat Jardí entlang der Küste gut 50 Angebote zur Ferienvermietung. Der Boom treibe seltsame Blüten: So habe er vor Kurzem erlebt, dass ausgezogene Mieter die restliche Zeit bis zum Vertragsende nutzten, um ihrerseits an Urlauber zu vermieten.

Ähnlich, wenn auch weniger drastisch, beschreibt die Lage Mitbewerberin Magda Pajor. „Ich stelle definitiv Auswirkungen fest", so die Geschäftsführerin der Miet­agentur Atlas Intereuro in Palma. Die Nachfrage nach Mietwohnungen sei ungebrochen, gleichzeitig sei aber das Angebot zurückgegangen. Bemerkbar mache sich das auch in Palmas Innenstadt: Vor dem Boom der Ferienvermietung sei vor allem an der Küste an Urlauber vermietet worden, jetzt kämen sich auch in der Altstadt zunehmend Residenten und Urlauber ins Gehege.

Warten aufs neue Gesetz

Noch aber seien nicht alle Dämme gebrochen, sagt Pajor. Trotz der offensichtlichen Überforderung der Inspektoren bei der Kontrolle der restriktiven Gesetzgebung scheuten viele Apartmentbesitzer vor der Vermietung an Urlauber zurück. Es werde deswegen entscheidend da­rauf ankommen, welche Auflagen die Landesregierung in der künftigen Regulierung der Branche festschreiben werde. Bislang und bis auf Weiteres gilt: Nur Einfamilienhäuser, Einliegerwohnungen und Reihenhäuser dürfen offiziell zur Vermietung an Urlauber angemeldet werden.

Beide Seiten der Medaille kennt man bei Porta Mallorquina. Das Immobilienunternehmen hat sowohl Objekte zur ­Langzeitmiete als auch unter der Marke Porta Holiday Ferien­häuser auf Mallorca im Angebot. Inselweite Auswirkungen habe man speziell bei Fincas festgestellt, so Sprecherin Ulrike Eschenbecher. „Vergleicht man die Zahl der zur Langzeitmiete angebotenen Fincas im Oktober 2015 und im Oktober 2016, ist das Angebot um gut 20 Prozent zurückgegangen."

Eschenbecher verweist etwa auf die deutsche Erbengeneration im Alter von Mitte, Ende 40, die zwar eine Immobilie auf Mallorca ihr Eigen nenne, aber nur ab und zu auf der Insel vorbeischaue. Diese Gruppe von Immobilienbesitzern sehe in der Ferienvermietung oftmals eine ideale Ergänzung zur Eigennutzung. Hingegen sei unter den Langzeitvermietern der Anteil der Mallorquiner größer.

Alles eine Frage des Preises

Die Folgen fallen je nach Preissegment sehr unterschiedlich aus. Ganz oben, auf dem ausländischen Markt für hochwertige Immobilien, halten sich die Auswirkungen in Grenzen, wie Immobilienunternehmer Lutz Minkner betont. Online hat die Firma derzeit knapp 60 Objekte zur Langzeitmiete im Angebot, das sei stabil, so Minkner - wobei Objekte unter 1.500 Euro Monatsmiete gar nicht aufgenommen würden. Die teuerste Villa gibt es derzeit für 17.000 Euro im Monat. Kaufinteressenten, die zunächst ein Mietobjekt suchten, würden ohne Probleme fündig.

Am entgegengesetzten Ende des finanziellen Spektrums, auf dem einheimischen Markt für billigen Wohnraum, wird es dagegen immer schwieriger, zur Miete zu wohnen. Das bekommt derzeit sogar das Rote Kreuz auf Mallorca zu spüren, das Wohnungen für die Handvoll Flüchtlinge sucht, die die Balearen in den vergangenen Monaten aufgenommen hatten. Wurden sie zunächst in der ehemaligen Herberge an der Playa de Palma untergebracht, sollen sie nun in einer zweiten Phase in die Insel-Gesellschaft integriert werden. „Unsere größten Schwierigkeiten sind der Mangel verfügbarer Wohnungen und die Konditionen einiger Agenturen und Vermieter", heißt es in einer E-Mail an registrierte freiwillige Helfer. „Das liegt für die Flüchtlinge außerhalb ihrer Möglichkeiten."

Bilanz erst am Jahresende

Es ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Angesichts der lukrativen Einkünfte, die die Ferienvermietung verspricht, müssen sich Langzeitmieter auf Wohnungssuche ins Zeug legen oder Abstriche machen. Döhne beschreibt, wie Mieter sich vermehrt zusammentäten, um gemeinsam eine Wohnung oder ein Haus zu beziehen. Manch einer führe ein Nomadenleben, bis er die passende Wohnung finde. Pajor berichtet, dass manche Vermieter sich überzeugen ließen, wenn man die Miete ein Jahr im Voraus zahle. Angesichts des begrenzten Angebots säßen die Eigentümer nun einmal am längeren Hebel.

Pajor berichtet auch, dass zwar angesichts des Booms viele Eigentümer unbedingt an der Ferienvermietung mitverdienen wollen, aber dann merkten, dass es doch nicht so einfach sei. Da wäre der höhere Aufwand mit den ständig wechselnden Bewohnern und ihren Klagen, oder denen der Nachbarn, falls die Arbeit nicht einer Agentur überlassen wird. Da wäre der höhere Abwohnfaktor, wenn ständig ein- und ausgezogen wird. Und da wäre die saisonale Nachfrage und der eventuelle Leerstand in der Nebensaison. „Abgerechnet wird am Ende des Jahres", betont Pajor.

So sieht das offenbar auch der Vermieter von Beate Schuster. Für eine Verlängerung des Mietvertrags fordert er 1.600 Euro - doppelt so viel wie bislang. Ansonsten will er an Urlauber vermieten. Der Vertrag läuft noch bis Ende kommenden Jahres, wie Schuster betont. „Da überlegt man sich zweimal, ob man eine Wand streicht oder Bilder aufhängt."