Eigentlich ist es ein alltägliches Gerichtsverfahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Baurecht, wie es auf Mallorca und Ibiza - beides Inseln mit beträchtlichem Wildwuchs und Regelungswirrwarr - auf der Tagesordnung steht. Doch die Beteiligten sind keine Unbekannten und die Immobilie keine gewöhnliche. Am Donnerstag (21.9.) soll sich der deutsche Immobilienunternehmer Matthias Kühn in Ibiza-Stadt wegen Arbeiten auf der von ihm gepachteten Privatinsel Tagomago verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert für ihn wie auch für den ausführenden Bauunternehmer G. H. eine zweijährige Haftstrafe.

Das sagt der Staranwalt

"Wäre der Beschuldigte nicht Matthias Kühn, wäre dieses Verfahren schon längst eingestellt worden", sagt sein Anwalt Pedro Horrach im Gespräch mit der MZ. Auch er ist kein Unbekannter: In einem vorigen Leben, das erst vor wenigen Monaten zu Ende ging, war Horrach derjenige Staatsanwalt, der mit seinen Ermittlungen und Anklagen den ehemaligen Balearen-Premier Jaume Matas und die ehemalige Inselratspräsidentin Maria Antònia Munar hinter Gitter brachte. Auch gegen Königssschwager Iñaki Urdangarin (wenngleich nicht für seine Frau Cristina) erwirkte er im Fall Noos eine Verurteilung.

Nun muss er Matthias Kühn freihauen. Tagomago ist eine unter strengem Naturschutz stehende Privatinsel vor Ibiza, die der heute 58-jährige deutsche Unternehmer seit 2006 gepachtet hat. Seither feiern und urlauben dort Leute wie TV-Moderatorin Sabine Christiansen, Real-Madrid-Spieler Cristiano Ronaldo, Popstar Justin Bieber oder Bordell-Prinz Marcus von Anhalt.

Umstrittene Mauer

Damit die Gäste sich dort auch wohlfühlen und ihr Geld gut angelegt wissen - die Rede ist von über 100.000 Euro Wochenmiete in der Hochsaison - , sanierten Kühn und der Bauunternehmer G.H. zwischen Dezember 2007 und Juli 2008 das aus den 80er-Jahren stammende Haupthaus und nahmen auch rundherum einige Umbauten vor. So ließen sie etwa eine sechs mal zwei Meter große Mauer errichten, legten einen Steinhang und einen Außen-Whirlpool an und befestigten Wege. "Das Gesamtvolumen der Bauten blieb unverändert", versichert Pedro Horrach. Das ist ein wichtiger Punkt: Wäre dem nicht so, wäre die Rechtswidrigkeit eindeutig.

So aber ist vieles eine Frage der Interpretation. Laut der Staatsanwaltschaft sind die Vorgaben von Ibizas Raumordnungsplan (PTI) missachtet worden. Horrach verweist hingegen darauf, dass einzig die für Tagomago zuständige Gemeinde von Santa Eulària entscheiden könne, ob die vorgenommenen Veränderungen legal oder illegal sind. Das Rathaus habe trotz der über die Jahre immer wieder von Kühn gestellten Anträge auf Baugenehmigung und Legalisierung nie Stellung zu dieser Frage bezogen. Solange dies nicht geschehe, müsse das Gerichtsverfahren ausgesetzt werden, so Horrach.

Der Staranwalt widersetzt sich auch einem weiteren Anklagepunkt der Staatsanwaltschaft: den von Kühn und G.H. vermeintlich begangenen Umweltdelikte. Landschaftsschützer hatten diese 2008 beim balearischen Umweltministerium angezeigt. Dessen Experten allerdings hätten, so der Anwalt, keine Anhaltspunkte für ein Vergehen gefunden und das Verfahren deswegen wieder eingestellt.

Dasselbe müsse nun auch mit dem anstehenden Gerichtsverfahren geschehen, sagt Horrach, der seine grundsätzlichen Einwände gleich zu Beginn einbringen will. Wenn alles so läuft, wie es sich Matthias Kühn und sein Anwalt vorstellen, könnte der Prozess schon wieder vorbei sein, bevor er überhaupt richtig begonnen hat: "Wir werden gleich zu Beginn die Aussetzung und/oder Einstellung des Verfahrens beantragen", so Pedro Horrach.

Genugtuung der Umweltschützer

Gelingt das nicht, könnte es ungemütlich werden für Matthias Kühn, der auch wegen seiner Beziehung zu der Schauspielerin und Sängerin Norma Duval spanienweit bekannt ist. Schon vor Matthias Kühns Landung auf dem 600-Hektar-Eiland war der Schutz von Tagomago eines der zentralen Anliegen ibizenkischer Bürgerinitiativen, die seit Jahrzehnten gegen Bebauung und Privatisierung der Inselküste kämpfen.

Seit der Hamburger Unternehmer hier die Superreichen der Welt bewirtet, hat sich der Streit noch einmal verschärft. Auch gegen eine Strandbar an der Anlegestelle von Tagomago sind die Umweltschützer schon angerannt - allerdings erfolglos. Matthias Kühn nun vor Gericht erscheinen zu sehen, ist für viele von ihnen Grund zur Genugtuung.