Encarnación Sande González hat die Faxen dicke: Hausbesetzer machen ihr seit Monaten das eigentlich geruhsame Leben in ihrer Siedlung Cas Miot in Marratxí zur Hölle. „Im Mai ist im Nachbarhaus ein Paar mit kleinen Kindern eingezogen. Die Eltern streiten sich ständig, bedrohen sich lautstark und haben sich auch schon gegenseitig verletzt", erzählt die Nachbarin, während sie dem MZ-Reporter das betreffende Haus zeigt. Dass es sich dabei um okupas handelte, habe sie erst später herausgefunden. Die Folgen für die Nachbarschaft seien gravierend: Partys bis in den Morgengrauen, die erwähnten Streitigkeiten, Müll im Garten. Der Pool ist komplett verdreckt und dient Mücken als Brutstätte.

Die missliebigen Nachbarn sind kein Einzelfall. Es gibt auf Mallorca viele solcher Fälle. Besonders häufen sie sich derzeit in den Siedlungen der Gemeinde Marratxí vor den Toren von Palma. Die Vorgehensweise der okupas ist immer dieselbe: Gartentor und Haustür eintreten, Hunde mitbringen, Schlösser austauschen - und es sich gemütlich machen.

Laut Encarnación Sande, die Mitglied in einer Nachbarschaftsvereinigung ist, gibt es derzeit 25 besetzte Häuser in der Gemeinde. „Die meisten Anwohner haben sich zwar aufgeregt, aber nichts unternommen", sagt sie. Erst jetzt tue sich etwas, auch auf ihre Initiative hin. Gemeinsam mit Nachbarn hat Sande in den vergangenen Tagen über 1.000 Unterschriften gegen die Hausbesetzungen gesammelt. Sie wird sie nun dem Bürgermeister Joan Francescs Canyelles (Més per Mallorca) übergeben. Danach wollen sich die Anwohner gemeinsam mit dem Bürgermeister die Lage vor Ort anschauen.

Aus dem Rathaus macht man ihnen wenig Hoffnung, dass sich an der Situation schnell etwas ändern könnte. Gemeinderat und Polizei­koordinator Antoni Mangiova sagt der MZ: „Wir können nicht viel tun, außer etwa bei Lärmbelästigungen die Polizei schicken. Aber das bringt nichts. Eine Familie hat bereits Strafen in Höhe von 65.000 Euro gesammelt. Die werden natürlich nie bezahlt, die Leute haben kein Geld."

Um ihr Eigentum wiederzuerlangen, bleibt den Hausbesitzern meist nur der Gang vor Gericht. Die Zeit spielt dabei den okupas in die Karten. Eine richterliche Verfügung kann sich angesichts der überlasteten Justiz in Spanien Jahre hinziehen. Nahezu alle besetzten Häuser gehören Banken - und die bringen laut Gemeinderat Mangiova die Hausbesetzung im Normalfall nicht zur Anzeige.

Bei einer Tour mit Encarnación Sande kommt man auch mit okupas ins Gespräch. Erste Station ist ein Reihenhaus. Auch dort kläfft ein kleiner Hund, der Garten sieht sauber aus. Eine junge Frau kommt aus dem Haus und fragt, was wir suchen. Sie sei Mallorquinerin, sagt sie, und gibt offen zu, dass sie das Haus mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter besetzt habe. „Was sollen wir denn machen? Bis zum Frühjahr haben wir zur Miete gewohnt, aber mein Mann ist arbeitslos, und ich putze hin und wieder. Da können wir uns keine 600 Euro Miete leisten." In ihrer Stimme schwingt echte Verzweiflung mit. Sie hätten sich ja bei der Wohnungsbaugesellschaft Ibavi um eine Sozial­wohnung bemüht und stünden auf einer Warteliste. Zwischenzeitlich sei man in das Haus eingezogen.

Wir fahren zum nächsten Objekt: ein stattliches Einfamilienhaus, nur ein paar Meter weiter. „Hier haben die Besetzer sogar die Fensterläden abgebaut - und wahrscheinlich verkauft", sagt Encarnación Sande. Das Gartentor ist mit einer Eisenkette verschlossen, dahinter bellt der obligatorische Hund. Wenige Sekunden später fährt ein Paar mit einem Seat vor. Die beiden schleppen mehrere Säcke Kleidung ins Haus, dann

brausen sie wieder davon. In Marratxí ist die Rede davon, dass es vor allem gitanos seien, Roma, die die Häuser besetzten. Man fürchtet, dass auch Familien aus Son Banya anrücken könnten. Die Barackensiedlung ist als Drogensupermarkt bekannt und soll in den nächsten Monaten geräumt werden.

Gemeinderat Mangiova spricht von mafiaartigen Strukturen. „Eine Familie hat vor Kurzem versucht, ein Haus mithilfe von gefälschten Dokumenten zu verkaufen." Außerdem würden in manchen Häusern Zimmer vermietet - ein gutes Geschäft in Zeiten der Wohnungsnot.

Wir fahren zum Abschluss zu einem weiteren Haus. Es liegt idyllisch am Ende einer Straße. „Das ist jammerschade. Ein Paar hat es gebaut, sich kurz nach dem Einzug getrennt - und seitdem verfällt das Haus", sagt Sande. Der Garten liegt voller Unrat, das Tor ist sogar offen. Die Hausbesetzer sind sich ihrer Sache offenbar sehr sicher. Das beunruhigt die Anwohner. „Und es ist eine Ungerechtigkeit, dass die Banken Familien aus ihren Häusern werfen, wenn sie die Hypothek nicht zahlen können, dann aber die Häuser besetzt werden - und die okupas nicht vertrieben werden können", redet sich Sande in Rage.

Antoni Mangiova verspricht immerhin, dass der Gemeinderat von Marratxí bei seiner nächsten Sitzung einen Brief an die Delegation der Zentralregierung auf Mallorca aufsetzen wird. Darin soll Madrid aufgefordert werden, die Gesetzgebung zu ändern und es der Polizei zu ermöglichen, gegen Hausbesetzer aktiv vorzugehen.

Doch ob Madrid jemals antwortet? Einstweilen bleibt den Eigentümern nur, Vorsicht walten zu lassen. Óscar Herrería, ein Mallorquiner, der nach seiner Scheidung ein nunmehr leer stehendes Haus in Marratxí verkaufen möchte, hat seinen Hund vorsichtshalber im Hof gelassen und fährt nun jeden Tag dorthin, um die Fensterläden zu öffnen und zu schließen. „Damit man sieht, dass es nicht verlassen ist", sagt er. Andere setzen auf den Einbau von Alarmanlagen. Werden die ausgelöst, kann der Hausfriedensbruch belegt werden und die Polizei rückt an.