Was ist für Sie das Besondere des ,Duke Ellington Ballet´?

Vor allem, dass es eine Choreografie von Roland Petit ist. Seit ich in seiner Compagnie in Marseille gearbeitet habe, pflegen wir ein sehr gutes Arbeitsverhältnis. Das Interessante an dieser Choreografie ist vor allem ihre Originalität, die ganz dem Jazz gewidmet ist. Das Besondere ist auch, dass das Publikum nicht weiß, was es erwartet. Sie haben 2003 das ,Duke Ellington Ballet´ mit dem Asami Maki Ballet uraufgeführt. Mussten Sie die Choreografie für diese Tournee neu einstudieren oder gibt es so etwas wie ein Gedächtnis des Körpers?

Der Körper erinnert sich tatsächlich, sodass man die Choreografie nicht völlig neu lernen muss. Man muss das Gedächtnis jedoch auffrischen. Denn in den vergangenen fünf Jahren haben wir so viel gemacht, dass man sich nicht an alles erinnern kann. Bei der Leichtigkeit, mit der Sie auf der Bühne tanzen, fragt man sich, was Technik ist und was in der Natur Ihres Körpers liegt?

Eine Person kann aufgrund ihrer angeborenen Fähigkeiten mehr Leichtigkeit haben als eine andere. Natürlich kann man daran arbeiten, es gibt immer etwas, das man verbessern kann. Aber jeder Körper hat gewisse Grenzen. Mit der Technik wird man dagegen nicht geboren. Mein Körper ist zum Beispiel sehr elastisch, deshalb war es für mich schwieriger, bestimmte technische Dinge wie die Kontrolle oder das Gleichgewicht aufzubauen. Daran habe ich von klein auf und jeden Tag gearbeitet. An der Technik arbeiten wir während unserer ganzen beruflichen Laufbahn, bis zum letzten Tag. Was macht die Kunst des Tanzens aus?

Dass wir auch mit der Seele tanzen. Das Wesentliche ist, Emotionen zu fühlen und zu vermitteln. Darum gibt es für mich keinen wirklich abstrakten Tanz. Selbst wenn das Stück keinen Namen hat und es keine spezifische Rolle gibt, kann ich etwas vermitteln, denn es gibt abstrakte Empfindungen wie die Inspiration oder die Konzentration. Wie viel Freiheit lässt eine Choreografie, um Empfindungen zu vermitteln?

Es gibt Choreografien, bei denen man mehr Freiheiten hat als bei anderen. Aber wenn eine Person die Choreografie beherrscht, und nicht mehr an jeden Schritt denken muss, sondern die Schritte im Kopf und Körper hat, kann sie sich gehen lassen. Wenn wir tanzen, erinnern wir uns zugleich an die Überlegungen, die im Studio gemacht wurden, an die Stelle, an der man sich befinden muss, wir achten auf die Musik: Das heißt, ein Teil des Gehirns konzentriert sich ständig auf diese Details. Und diese Kontrolle erlaubt es einem, sich gehen zu lassen. Was bedeutet es für Sie, ein Gastspiel in Ihrer Heimat zu geben?

Für mich ist es immer etwas Besonderes, nach Spanien zu kommen, vor allem, weil ich meine Familie sehen kann. Ich habe mein Zuhause sehr früh, im Alter von 13 oder 14 Jahren, verlassen. Umso mehr schätze ich es, eine Familie zu haben. Sie ist eine Konstante im Leben, weil sie nichts mit Arbeit, Erfolgen und Misserfolgen zu tun hat. Sie ist immer für einen da. Wann wussten Sie, dass Sie Tänzerin werden wollten?

Ich glaube, ich war drei Jahre alt, als ich meiner Mutter sagte, dass ich Tänzerin werden würde. Woher das kam? Ich weiß es nicht. Niemand hat das verstanden, weil ich aus einem Dorf mit 8.000 Einwohnern stamme, wo es kein Ballett gab. Und ich konnte erst mit zehn Jahren Unterricht nehmen, als dort die erste private Tanzschule eröffnet wurde. Sie haben sich im vergangenen Jahr von Cyril Pierre getrennt, der auch auf der Bühne oft Ihr Partner war. Hat das Ihre Zusammenarbeit beeinträchtigt?

Nein, wir sind professionelle Tänzer und haben unser Privatleben immer von unserem Beruf getrennt. Im Studio sind wir nie anders miteinander umgegangen als mit jedem anderen Tanzpartner. Das hilft dabei, dass wir auch jetzt ohne Probleme zusammen tanzen können. Wenn ich arbeite, bin ich die Tänzerin, nicht die Person. Und ich tue alles dafür, um die Arbeit so gut wie möglich zu machen. Wenn jeder seine Probleme mit auf die Bühne bringen würde, wäre diese Arbeit nicht möglich. Heißt das, auf der Bühne sind Sie nicht Lucia Lacarra, sondern die Rolle?

Auf der Bühne bin ich die Rolle, in der natürlich sehr viel von mir ist. Denn damit eine Rolle real ist, muss man sie mit realen Emotionen ausfüllen. Und die realen Emotionen sind von Lucia Lacarra. Sie sind seit sechs Jahren erste Solistin des Bayerischen Staatsballetts. Wie fühlen Sie sich in München?

Ich war noch nie so lange bei einer Compagnie, und es ist das erste Mal, dass ich mich zu Hause fühle, sowohl in der Compagnie als auch in der Stadt. Ich habe auch die Möglichkeit, auf Tournee zu gehen, aber jedes Mal freue ich mich darauf, in mein Studio, an die Stange, in meine Künstlergarderobe zurückzukehren. Würden Sie nach Spanien zurückkehren, wenn es hier ein gutes Staatsballett gäbe?

Es ist mir immer ein Vergnügen, in Spanien zu tanzen. Aber Sie werden verstehen, dass ich keine Lust habe, eine Compagnie von internationalem Niveau wie in München zu verlassen für ein Ensemble, von dem niemand weiß, wie es funktionieren würde. Wenn man diese Compagnie am Ende wirklich gründen würde, worüber man schon viele Jahre nachdenkt, wenn sie funktionieren, sich entwickeln und Fortschritte machen würde, dann würde ich gerne dort tanzen, aber als Gast. Ideal wäre es allerdings für jeden Tänzer, die Wahl zu haben, im eigenen Land zu bleiben oder zu reisen. Die Vorstellung am 2. August beginnt um 22 Uhr. Eintritt: 48 und 70 Euro. Karten sind an der Tages­kasse des Auditoriums erhältlich. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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