Als Susanne Lange anfing, den "Don Quijote de la Mancha" zu übersetzen, war sie Ende 30. Fünf Jahre sind seitdem vergangen und 1.400 Seiten übersetzt. Nun hat der Hanser Verlag den zweibändigen Roman aus dem 17. Jahrhundert von dem edlen Ritter und seinem ­dicken Knappen veröffentlicht. Wort für Wort nahm Lange dazu die Sätze der wohl berühmtesten Geschichte der Weltliteratur auseinander und setzte sie wieder zusammen.

Nicht ein einziges Mal in dieser Zeit kam der Berlinerin, die seit einigen Jahren in der Nähe von Barcelona wohnt, der Gedanke, alles hinzuschmeißen. "Im Gegenteil. Miguel de Cervantes bietet ein unge­heuer reichhaltiges Sprachmaterial: Sprichwörter, Wortspiele und Ausdrucksweisen der Figuren haben mich so gefordert, dass ich immer wieder angetrieben wurde", erzählt Lange, die als Quijote-Übersetzerin so berühmte Vorgänger wie den deutschen Romantiker Ludwig Tieck hat. So wurde die Arbeit an dem Buch zur Zeit- und Kulturreise, in der Lange sich sowohl mit den spanischen Autoren des Siglo de Oro vertraut machte, als auch Werke der deutschen Literatur vom Barock bis zur Gegenwart las, um ?Sprachmaterial" zu sammeln.

Lange versucht, die beiden literarischen Figuren aus jener "Ecke" zu holen, in die sie durch vorangegangene Übersetzungen geraten seien: Sancho Panza sei häufig als ?der kleine kapitalistische Fresssack" dargestellt worden, der sich nur um sein leibliches Wohl sorgte, der Ritter Don Quijote als lächerliche, burleske Gestalt. Dabei habe Cervantes häufig mit Doppeldeutigkeiten gearbeitet, meint Lange, und nennt als Beispiel den Ausdruck caballero de la triste figura. In einer älteren Übersetzung von 1964 wurde daraus ein Ritter mit "kläglichem Gesicht". "Dabei war eine der ersten Übersetzungen ins Deutsche schon im 17. Jahrhundert "traurige Gestalt´ und sehr viel passender", so die Berlinerin. Weil der Ausdruck einerseits den Blick Sancho Panzas auf seinen Herren wiedergebe, der nach einer Prügelei erbärmlich ausschaue, aber auch die innere Sicht des Don Quijote selbst spiegele, der sich als edel und schwermütig sehe und nach seiner Angebeteten Dulcinea seufze. "Diese Doppeldeutigkeit wollte ich aufrechterhalten, damit der Leser nicht auf eine Sicht festgelegt wird."

Du sollst kein Abbild machen

Die literarische Doppeldeutigkeit im Roman war auch ein Grund, warum Lange am liebsten alle Abbildungen der Romanfiguren verbannen würde. "Ich finde, dass ein Don-Quijote-Roman mit Illustra­tionen nicht funktioniert, weil man darauf zwangsläufig eine lächerliche Gestalt sieht, die alberne Dinge tut, aber nicht dieses changierende Bild, bei dem man die Außen- und Innenansicht der Figuren versteht." Der Hanser Verlag hat dem stattgegeben und die Illustrationen auf den Einband beschränkt.

Im Verlauf der fünf Jahre ist die Lange so tief in die Welt der La Mancha eingetaucht, dass sie anfing, Sprichwörter zu erfinden, wenn sie keinen passenden Ausdruck in ihren Sammlungen fand. Je mehr sie las, desto deutlicher wurde ihr, nach welchen Regeln sie gebildet wurden. "Ich habe Sprichwörter entwickelt, bei denen jeder beschwören würde, dass es die schon immer gegeben hat. Sie klingen einfach wie normale Sprichwörter", sagt Lange.

Zeitweise steckte Lange so tief in dem 400 Jahre alten Roman, dass ihr altertümliche Ausdrücke ganz selbstverständlich über die Lippen kamen, wenn sie sich mit Freunden unterhielt. "Mir ist das gar nicht mehr aufgefallen, aber die anderen fanden sie doch sehr komisch", erinnert sie sich zurück. Um Distanz zur Cervantes-Welt zu gewinnen und um ihr 40.000-Schweizer-Franken-Übersetzer-­Stipendium aufzubessern, übersetzte sie zeitweise kürzere Texte aus anderen Epochen.

Nun aber ist der Quijote abgeschlossen, und Lange vermisst die beiden Helden richtig. Miguel de Cervantes will sie noch nicht vollständig aufgeben. ?Ich würde gern die Novellen von ihm übersetzen. Das sind kleine Meisterwerke."

Miguel de Cervantes Saavedra, "Don Quijote von der Mancha". Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Hanser, München 2008, zwei Bände, 1.400 Seiten, 68 Euro.