"Com va?", das heißt auf Deutsch "Wie geht´s?". In Alaró kann man dies samstagvormittags des Öfteren hören: auf dem Markt, aber auch in der Kirche, wenn sich dort der ein oder andere Dorfbewohner kurz vor 11.30 Uhr zur Orgel-Matinee einfindet. Jeden Samstag zu dieser Uhrzeit gibt der Organist Miquel Bennàssar ein 30-minütiges Konzert. Am 31. Januar steht ein rundes Jubiläum an: Die "Matins de l´Orgue" finden zum 100. Mal statt. Aus diesem Anlass steht etwas Ungewöhnliches auf dem Programm: ein Konzert mit Orgel und Xeremia, wie der mallorquinische Dudelsack heißt.

Der Eintritt zu den Orgel- Matineen ist frei, die Tür steht jedem offen, im wahrsten Sinne des Wortes: Von draußen dringt das Geräusch des Markttreibens und der Geruch von Brathähnchen in die Kirche, während Bennàssar die Register zieht. Das ist so gewollt. Denn die Musik soll nicht im geistlichen Elfenbeinturm erklingen, sondern das normale Volk nach dem Marktbesuch zum Verweilen einladen. Und so finden sich zu jedem Konzert drei bis vier Dutzend Zuhörer ein: Mehr und weniger betagte alaroners, Mütter mit Kindern und auch der ein oder andere Tourist lässt sich von den Orgelklängen anlocken.

Bennàssar, seines Zeichens Hauptorganist an der Caymari- Orgel in Sa Pobla, Leiter der dortigen Musikschule sowie Dozent an der Musikhochschule in Palma, gibt seit 2002 solche Matineen. "Diese Idee ist nicht neu", sagt er und verweist darauf, dass schon der dänisch-deutsche Organist und Komponist Dietrich Buxtehude (ca. 1637-1707) derartige Konzerte gegeben hat. Auf Mallorca war Bennàssar allerdings der Erste, der das ganze Jahr hindurch regelmäßig Orgelmatineen veranstaltete, und bisher ist er auch der Einzige geblieben. Von 2002 bis 2004 hatte er die wöchentlich stattfindenden Konzerte in Sant Francesc d´Inca gegeben, jeden Donnerstag, wenn Markt war. "Das hat jedoch nicht gut funktioniert. Der Markt war zu weit entfernt, die Unterstützung war gering, die Bezahlung schlecht." Nach zwei Jahren stellte Bennàssar das Projekt ein - um es später in Alaró wieder zu beleben.

Auslöser war ein neues Instrument des in Barcelona ansässigen Orgelbauers Gerhard Grenzing. Ursprünglich hatte sich in der Kirche in Alaró eine Orgel von Mateu Bosch befunden, dem Onkel des berühmten Orgelbauers Jordi Bosch. Doch Anfang der 50er Jahre ereignete sich ein Paradebeispiel für Ignoranz und die Geringschätzung der eigenen Kultur- und Kirchenschätze: Das Instrument aus dem 18. Jahrhundert wurde kaputtsaniert. Man verkaufte die teuren Teile, ersetzte sie durch Pfeifen aus Zinn und Karton. Was blieb, war das alte Gehäuse. Bei dem Neubau der Grenzing-Orgel stand Bennàssar der Gemeinde als Berater zur Seite, sorgte für einige bedeutende Korrekturen - und rannte mit dem Vorschlag der Orgel-Matineen offene Türen ein.

Miquel Bennàssar (Sa Pobla, 1964) hat in Palma am Konservatorium studiert. Später ging er an die renommierte Schola Cantorum Basiliensis, wo er seine Ausbildung mit einem Solistendiplom für Alte Musik abschloss. Neben der Orgel, der "Königin der Instrumente", hegt er eine Vorliebe für ein anderes Instrument, das Töne mit Luft erzeugt, die Xeremia. Anders als ihre galicische Verwandte, die gaita, klingt die Xeremia run­der und nasaler, "eben so, wie wir Mallorquiner sprechen, denn der Klang dieser Instrumente hat viel mit dem Klang der Sprache zu tun".

Bennàssar spielt die Xeremia nicht nur selbst, er baut sie auch. Und so nimmt es nicht Wunder, dass er für das Jubiläumskonzert genau diese ungewöhnliche Kombination von Instrumenten gewählt und dafür eigens Musik des Mittelalters, der Renaissance, des Barock sowie mallorquinische Folklore arrangiert hat. Allerdings bläst nicht er den Dudelsack, sondern Tomeu Payeras. Zudem spielt Bennàssars Sohn Miquel die Trommel. Bennàssar selbst spielt, wie immer in Alaró, die Orgel.

Damit diese Konzert überhaupt stattfinden kann, war eine kniffelige Vorbereitung notwendig. Denn die traditionelle Xeremia, so wie sie ursprünglich auf Mallorca gebaut wurde, ist etwas höher gestimmt als die Orgel. Ihr Kammerton liegt bei 466 Hertz, derjenige der Orgel bei 440 Hertz. Auch die Temperierung der beiden Instrumente ist unterschiedlich. Anders als beim Tasteninstrument sind die Halbtonintervalle bei der Xeremia nicht regelmäßig. Bennàssar hat deshalb selbst Hand angelegt, und eine etwas längere Spielpfeife gebaut, die zwar immer noch dem mallorquinischen Klang entspricht, aber mit einem Kammerton von 440 Hertz. Außerdem veränderte er die Grifflöcher der Pfeife, so dass die Halbtonintervalle denen der Orgel entsprechen.

Dass die Orgel die Xeremia übertönen könnte, da macht sich Bennàssar keine Sorgen: "Man glaubt gar nicht, wie laut die Xeremia ist. Schließlich ist sie eigentlich für Straßenumzüge gedacht und dafür, dass man sie schon von weitem hört."

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Bekannt wie Grönemeyer: Liedermacher Joan Manuel Serrat

- Fitzners Kunststückchen: Sein Name war Glöckchen

- Wahrhaft außergewöhnlich: Anselm Kiefer im Es Baluard