Erste Regel: Drei Minuten. Zweite Regel: Nur eigene Texte. Dritte Regel: Keine Requisiten, nur Worte. Vierte Regel: Die Jury rekrutiert sich aus dem Publikum.

Aber der Killer war Regel Nr. 5: Rauchen verboten. Rauchschwaden waren denn auch das Einzige, was dem ersten insularen ?Poetry Slam" am Dienstag (24.3.) in der Bar ?L´Antiquari" in Palma fehlte. Ansonsten war die Inszenierung filmreif: Zehn Poeten traten zum Duell an, vom passionierten Wortgladiator mit Jesusmähne bis zu jenem scheinbar schüchternen Mädchen, das drei Minuten vor Beginn fragte, ob es auch mitmachen dürfe, und die Poesiefans dann mit pointierten Vierzeilern in Atem hielt. Das Publikum, alternativ angehaucht: textiles Understatement, Palästinenser-Halstücher, Poetensakkos und Rotwein in stiellosen Gläsern. Fehlten nur die Zigaretten - die rauchten Dichter und ihr Publikum brav an der Tür, womit die Wortsalven, die auf die Gasse Costa de sa Pols hinausdrangen, von blauem Rauch wie von Pulverdampf begleitet wurden. Ah, die Inspiration!

Spontaneität war Trumpf. Das Untergeschoss des Lokals, geführt von einem irisch-französischen Beute-Insulaner namens François O´Keeffe (schon der Name eine Story), bot das verwinkelte Boheme-Ambiente eines Künstlerwohnzimmers, wo man nie genau weiß, wo die Dekoration endet und der Sperrmüll beginnt. Beim Losbrechen des Wörtersturms und bis zu seinem Ende zweieinhalb Stunden später war der Raum gerammelt voll: Mehr als hundert Schau- und Hörlustige waren ein faires Publikum. Wenn es murrte, dann nur gegen die Jury.

Schließlich der Moderator: Antoni Rigo, Poet mit Erdbebenstimme. Ihm war es ein Leichtes, den schwächelnden Lautsprecher als ?anti-poetisch" zu disqualifizieren: ?Wer nicht laut genug vorlesen kann, soll gleich wieder gehen!" Rigo milderte seine natürliche Autorität mit Selbstironie. Wenn zwischen den Auftritten die Punktewertung ermittelt wurde, hielt er das Publikum - und vor allem sich selbst - mit Zitaten von Groucho Marx bei Laune.

Auf drei Runden war der ?Poetry Slam" angelegt, von ursprünglich zehn Teilnehmern bestritten drei das Finale. Sieger Emili Sánchez durchbrach am Ende als einziger des Abends die 3-Minuten-Schallmauer, erdichtete sich aber trotz des Punkteabzugs einen mikroskopischen Pokal (mit Rotwein drin) und ein gerahmtes Lorbeerblatt. Nach dem Siegesvortrag schleuderte er sein Papier ins Publikum und küsste die längst abgelaufene Sanduhr. Auch Performance wird bei Poetry-Slams bewertet, Sánchez bot sie.

In Spanien sind Poetry-Slams ein erstaunlich junges Phänomen. In Madrid etwa fand im vergangenen Jahr das angeblich erste derartige Turnier Spaniens statt. In dieser Form und unter diesem Namen kamen Slams Mitte der 80er Jahre in den USA auf, ab Mitte der 90er Jahre auch in Europa. Nun also auch auf Mallorca. Es wurde Zeit. Schon am 14.3. ab 21 Uhr soll im ?L´Antiquari" weitergeslammt werden. Detail am Rande: Alle Dichter lasen Spanisch.

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