Am Samstag (2.5.) bleibt der Taktstock von Philippe Bender im Etui. An diesem Tag greift der Chefdirigent des Sinfonie-Orchesters der Balearen (OSB) zu seiner Querflöte. In Son Bauló in Lloret de Vistalegre wird Bender Werke von Mozart, Beethoven und Schubert interpretieren. Mit von der Partie sind das Duo Bleuse, das aus dem Solo-Cellisten des OSB, Emmanuel Bleuse, und dessen Frau, der Pianistin Miriam Picker, besteht, sowie der OSB-Violinist Andrei Melkoumov und die Solo-Bratschistin des OSB, Sonia Krasnova.

Der Chef als gleichberechtigter Musikpartner? „Es ist einfach toll, mit einem Künstler arbeiten zu dürfen, der alle großen Musiker des Jahrhunderts als Partner gehabt hat“, sagt Emmanuel Bleuse, und Miriam Picker ergänzt: „Benders Liebe zur Musik und seine Großzügigkeit als Mensch stehen über Dingen wie Autorität und Machtverhältnisse.“ Dass ein Dirigent mit Musikern seines Orchesters musiziert, sei für beide Seiten ein Gewinn, erklärt Bender. „Als Dirigent mache ich ja nicht den Ton. Aber wenn ich mitspiele, dann kann ich den Ton, den ich möchte, selbst erzeugen.“ Kammermusik sei zudem der beste Weg, einen Komponisten zu verstehen. „Nehmen Sie Beethoven: Seine besten Werke sind seine letzten Quartette, weil sie die Essenz seines Schaffens enthalten.“

Zur Kammermusik zieht sich Bender auch zurück, wenn er erschöpft ist oder Inspiration sucht. „Dann höre ich am liebsten Schubertlieder von Dietrich Fischer-Dieskau oder Elisabeth Schwarzkopf.“ „Trockene Blumen“ heißt ein Lied aus dem Schubert-Zyklus „Die schöne Müllerin“. Bender und Picker werden es in Son Bauló interpretieren. Kein Gesang, aber fast. Denn die Flöte sei wie die Stimme einer Frau, erklärt der Maestro. Genauer, von drei Frauen: Sopran, Mezzo und Alt. „Die Flöte muss all diese drei Farben haben“, verrät er ein Geheimnis großer Flötisten wie Aurèle Nicolet und Jean-Pierre Rampal.

Wegen seiner Verpflichtungen in Palma und als Chefdirigent des Sinfonie-Orchesters der Region Cannes-Provence-Alpes-Côte d’Azur sind Konzerte wie das in Son Bauló seltene Gelegenheiten, Bender als Flötist zu erleben. 1942 in Besançon geboren, studierte er am Konservatorium in Paris und an der Musikhochschule in Freiburg, erwarb ein Diplom an der renommierten Julliard School in New York, gewann Wettbewerbe in Genf, München und Montreux. Was weniger bekannt ist: Herbert von Karajan wollte den jungen französischen Flötisten als Solisten für die Berliner Philharmoniker haben, doch das Orchester gab James Galway den Vorrang.

Der Dirigent und Komponist Paul Paray entdeckte das Talent Benders, ein Orchester zu leiten. Nachdem Bender 1970 den Mitropoulos-Wettbewerb gewann, wurde er von den New Yorker Philharmonikern engagiert und arbeitete als Assistent unter Leonard Bernstein und Pierre Boulez. Viele namhafte Orchester hat er seither dirigiert und bedeutende Auszeichnungen erhalten, darunter den Preis Victoire d’Honneur und die Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion.

Von diesem Musiker muss sich Mallorca nun peu à peu verabschieden. Nach vier Jahren am Pult des OSB wurde sein Vertrag nicht erneut verlängert. Balearische Kulturpolitik eben. Bender zeigt sich dennoch zufrieden: Kritiker und renommierte Gastmusiker hätten ihm eine gute Arbeit bescheinigt und das Orchester gelobt. Und dies, obwohl der Geschäftsführer mehr zu sagen habe als der Chefdirigent, was zu viele Konzerte und zu wenige Proben zur Folge habe: „Das ist wie beim Sport: Wer nicht täglich trainiert, kann sein Potenzial nicht vollständig entwickeln.“ In Frankreich wartet bereits die nächste Herausforderung: die Zusammenlegung der Orchester von Cannes und Nizza.

Noch ist Bender jedoch nicht weg: Am 21.5. wird er zum Abschluss der Spielzeit 2008/2009 Wagners Wesendonck-Lieder und Beethovens Neunte dirigieren, und im Juli wird er sich als Chef des OSB beim Festival im Schloss Bellver verabschieden – am 9.7. übrigens mit seinen Kammermusik-Partnern Emmanuel Bleuse und Miriam Picker als Solisten.

Konzertbeginn in Son Bauló: 20.30 Uhr. Eintritt: 18 Euro. Reservierung unter Tel.: 971-52 42 06 erbeten.

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