Es ist eine Weile her. Friederike Nymphius lief durch die Straßen von Berlin, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass die visue­lle Sprache der frühen 80er Jahre ins Stadtbild zurückgekehrt war. Dem folgte die Erkenntnis, dass auch die Situation jener ähnelte, die seinerzeit den No-Future-Zeitgeist inspiriert hatte. Nachdem Nymphius seit vier Jahren als Kuratorin für das CCA Andratx tätig ist, war es nur logisch, dass sie das Medium Kunst auf dieses Phänomen ansetzte: Black Hole, das Schwarze Loch, ist ein Sy­nonym für Zeitreise ebenso wie für einen Krisenzustand, der als ausweglos empfunden wird. Bis zum 30. Oktober haben Besucher Gelegenheit, in dem von der dänischen Galeristin Patricia Asbæk, betriebenen Kulturzentrum in Andratx die höchst unterschiedlichen Assoziationen von 31 internationalen Künstlern kennenzulernen - und die ebenso unterschiedlichen Ausdrucksweisen und Techniken, mit denen sie übermittelt werden.

Nicht alle sind so plakativ und für konventionelles Empfinden so ansprechend wie die apokalyptische Stadtvision von Dennis Rudolph. Der 30-jährige Deutsche entdeckte die traditionelle Technik des Holzschnitts als für seine Zwecke ideale Ausdrucksform, bildete sich an der renommierten Kunstakademie in St. Petersburg in diesem Metier weiter und beeindruckt heute mit gewaltigem Format und Motiv: eine Stadt, Mischung aus Gotham City und imperialem Rom, im Zusammenbruch begriffen, in die Unendlichkeit ausgedehnt.

Nicht fehlen darf Fatalismus, wie bei dem Werk „Amen“ des in Berlin lebenden Neuseeländers Paul Snowden, der auch als Modedesigner und Musiker tätig ist, und auch nicht rabenschwarze Satire, wie die 21 grauenhaft komischen Selbstporträts des Schweizers Ugo Rondinone, der abwechselnd in den Alpen und im Big Apple wohnt. Zwar gibt es bei „Black Hole“ erwartungsgemäß viel Kunst in Schwarz, doch über Unwohlsein, schlimmstenfalls Zorn, Bedrücktheit und Ratlosigkeit wollen die Gefühle nicht hinausgehen. Oft unterhöhlt eine ironische Leichtigkeit den Pathos.

Nymphius hat dafür eine simple Erklärung: Wir waren schon einmal da. Der Weltuntergang war schon einmal angekündigt. Umweltverschmutzung, Waldsterben, Atomkrieg, es war die Blütezeit der No-Future-Bewegung, und obwohl heute mit Klimawandel, Wirtschaftskrise und Terror Dämonen aufgefahren sind, die denen der 80er an Schrecklichkeit in nichts nachstehen, gibt es, wie Nymphius sagt, einen kleinen Unterschied: „Wir haben gesehen, dass es dann doch weitergeht.“

No future hatte keine Zukunft, darüber darf auch geschmunzelt werden. Der Untergang wird eher spielerisch heraufbeschworen als gefürchtet, die Apokalypse kühl kommentiert. Kuratorin Nymphius, die das CCA von Berlin aus betreut, hat zahlreiche in der deutschen Hauptstadt lebende Künstler nach Mallorca eingeladen. Obwohl oder weil viele von ihnen jung sind, geht es um die Existenz. Den Raum, in dem die Britin Karla Black ihre Vorstellung des Lebens präsentiert, darf der Besucher nicht betreten, so zerbrechlich ist die von der Decke hängende Skulptur.

Schwarz ist natürlich auch eine Frage der Rasse, der Rechte, ein Thema schmerzhafter Vergangenheit, „ein wirkliches schwarzes Loch“, ein Thema, das der US-amerikanische Künstler Adam Pendleton mit einer Fotoserie anschneidet, die mit einem phonetischen Gedicht überzogen ist. Nymphius wollte es nicht rezitieren - es bliebe unverständlich.

Wie so manches im Leben. Bleibt der Ausweg, den der Amerikaner Tom Burr sieht: Er hat sein Werk „Next Whiskey Bar“ gleich an den Eingang gestellt. Oder den Ausgang. Aber in einem Schwarzen Loch ist das ohnehin dasselbe.

Black Hole, CCA Kunsthalle, Andratx, bis 30.10., Eintritt: 5 Euro, Tel.: 971-13 77 70.

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