Seit Wochen sind die Kassenschlager in spanischen Kinos keine amerikanischen Produktionen, sondern Filme „made in Spain". Daran ist auch ein Mallorquiner mitschuldig: Daniel Monzón, dessen Gefängnisdrama „Celda 211" mit Amenábars Historienfilm „Ágora" um die Spitzenposition kämpft. Wir sprachen mit dem in Madrid lebenden Regisseur über den in einem Gefängnis in Zamora gedrehten Film, über seine Heimatinsel und über die Vorurteile, die spanische Filme beim heimischen Publikum überwinden müssen.

Ohne irgendjemandem nahetreten zu wollen: Wo haben Sie die erschreckend authentisch wirkenden Darsteller der Häftlinge gefunden?

Ich habe mit einer Mischung aus Schauspielern und tatsächlichen Gefängnisinsassen gearbeitet, von denen einige auf Bewährung entlassen waren und andere Hafturlaub genossen. Wobei die schauerlichste Figur von einem Schauspieler dargestellt wurde.

Das muss Releches sein, ein von AIDS und Drogen zerfressenes Wrack.

Richtig, den spielt der galicische Schauspieler Luis Zahera. Da haben mich sogar die echten Gefängnisinsassen gefragt: Wo zum Teufel hast du diesen Kerl ausgegraben? Aber Zahera macht einfach nur einen fantastischen Job.

Wie viel Mühe haben Sie auf die Suche nach geeigneten Schauspielern und Statisten verwendet?

Am Casting habe ich mit zwei meiner Mitarbeiterinnen rund ein Dreivierteljahr lang gearbeitet, denn ein Gefängnisdrama wie ´Celda 211´ steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit und Qualität der Darsteller. Unabhängig davon hat Stanley Kubrick einmal gesagt, dass gute Regiearbeit bei der Auswahl der Schauspieler beginnt.

Sie haben vorher einen Fantasyfilm, eine Komödie und einen Thriller gemacht. Was trieb Sie dazu an, einen derart tragischen und harten Film wie ´Celda 211´ zu drehen?

Mich faszinierte die Geschichte, die in der Romanvorlage von Francisco Pérez erzählt wird. Im Prinzip wird darin die klassische Tragödie aufgenommen, und die interessiert mich schon seit meiner Kindheit.

In Ihrem Film kommt eigentlich kaum jemand gut weg. Nicht die Gesellschaft, nicht der Staat, und die Gefangenen schon gar nicht.

Mir ging es unter anderem darum aufzuzeigen, nach welchen Kriterien die Mächtigen über Leben entscheiden. Denn in meinem Film wird dem Überleben einiger Personen sehr viel höhere Bedeutung zugemessen als dem der anderen.

Bei der Meuterei im Hochsicherheitstrakt nehmen die Häftlinge drei ETA-Terrorristen als Geisel. Um diese macht sich die Regierung wegen möglicher Reaktionen im Baskenland große Sorgen. Reine Fiktion oder gab es so etwas schon einmal?

Die im Film und im Roman erzählte Geschichte ist vollkommen fiktiv, der Autor malte sich lediglich auf Grundlage der herrschenden Umstände aus, was passieren würde, wenn …

Alles dreht sich um die Unversehrtheit dieser Terroristen. Wie hat man denn im Baskenland auf den Film reagiert?

Ich komme gerade aus Bilbao, und dort ist ´Celda 211´ sehr positiv aufgenommen wurden. Selbst in der Publikumsdiskussion hat sich niemand über diese Darstellung verärgert gezeigt.

´Celda 211´ zeichnet ein extrem düsteres Bild des Menschen an sich.

Stimmt, es gibt wenige Lichtblicke. Einer davon ist die Beziehung, die zwischen dem Anführer der Häftlinge, Malamadre, und dem jungen Beamten entsteht, der vortäuscht, ein Häftling zu sein. Inmitten der Brutalität dieser Rebellion wird die menschliche Seite dieses lebenslang eingesperrten Gewaltverbrechers sichtbar, der nichts mehr zu verlieren hat. Es ist, als hätte er beschlossen, einmal im Leben etwas Gutes zu tun, indem er den vermeintlichen Neuen beschützt.

´Celda 211´ und ´Ágora´ von Ihrem Kollegen Amenábar rivalisieren derzeit um das heimische Publikum. Woher kommt dieser Erfolg?

Zunächst meine ich, dass wir nicht miteinander rivalisieren, sondern ganz im Gegenteil: Jeder spanische Film, der Erfolg hat, macht es den anderen leichter, Zugang zum heimischen Zuschauer zu finden. Das heißt, dass ´Celda 211´ und ´Ágora´ einander helfen. Denn zunächst gilt es, die Vorurteile des heimischen Publikum gegenüber na­tionalen Produktionen auszuhebeln. Hier meint man ja, spanisches Kino sei ein Genre für sich, das nur aus Verwechslungskomödien und Bürgerkriegsdramen besteht, was ja schon seit langem nicht mehr stimmt. Aber ich denke, dass wir drauf und dran sind, diese Situa­tion zu überwinden.

Sie haben ´Das Kovak Labyrinth´ und Teile Ihrer Komödie ´El robo más grande jamás contado´ auf Mallorca gedreht. Wann machen Sie wieder mal einen Film auf der Insel?

Ich würde am liebsten nur auf Mallorca arbeiten, denn ich halte die Insel für einen fantastischen Drehort. Ich würde auch lieber heute als morgen meine Zelte in Madrid abbrechen und wieder nach Mallorca ziehen, denn ich fühle mich absolut als Mallorquiner.

Sie wechseln mit jedem Film das Genre. Ihr nächstes Projekt?

Eine schwarze Komödie, gedreht im Stil einer klassischen Screwball-Comedy.

Infos

Daniel Monzón wurde 1968 in Palma geboren, lebte bis zu seinem siebten Lebensjahr und später einige Jahre als Erwachsener auf der Insel. Er arbeitete zunächst als Filmkritiker für Zeitschriften und versuchte sich nebenbei als Drehbuchautor. Im Jahr 2000 drehte er seinen ersten Spielfilm als Regisseur: den Fantasy-Streifen „El corazón del guerrero" (Das Herz des Kriegers), der bei mehreren Fantasy-Filmfestivals ausgezeichnet wurde. Weniger erfolgreich war die Komödie „El robo más grande jamás contado" (2002). Zur Gänze auf Mallorca, doch mit internationaler Besetzung und auf Englisch, drehte Monzón im Jahr 2006 den Psychothriller „La caja Kovak" (deutsche Fassung: „Das Kovak Labyrinth") mit Timothy Hutton in der Hauptrolle.

Sein viertes Werk, „Celda 211", könnte den internationalen Durchbruch bedeuten, da der Film auf allen Kontinenten gezeigt wird, u.a. im traditionell hermetisch abgeriegelten Kinomarkt der USA.

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