Er hat Mönche, Nonnen und Pilger fotografiert, chinesische Soldaten, Stahlarbeiter, Bauern und Studenten, aber auch Kathedralen, Hochhäuser und Tempel im asiatischen Urwald. Für eine Porträt-serie versenkte er seine Models in einem Swimmingpool. Und wenn er sich auf Architektur einschießt, überlagert er Ansichten, und diese werden von einer These überlagert. Roland Fischer, ein international anerkannter Fotograf, der 1992 im Casal Solleric seine erste Ausstellung auf Mallorca bestritt, ist nur oberflächlich betrachtet ein Oberflächen-Freak.

Seine eigenwillige Weise, die Welt mit Fotografie darzustellen und zu hinterfragen, ist nach Ablauf der Ausstellung Art Report des „Diario de Mallorca“ am vergangenen Sonntag (22.11.) im Kulturzentrum Sa Nostra, Palma, nun in einer Einzelausstellung nur wenige Gehminuten entfernt in der Galería Maior zu sehen. Dort zeigt er vor allem Architekturfotografie, die visuell zwischen Minimalismus und Barock oszilliert, aber einem einzigen Konzept gehorcht, dem man das Motto zuordnen könnte: Ein Blick ist nicht genug.

Der 1958 in Saarbrücken geborene Künstler mit Wohnsitz München sucht das große Bild, im umfassenden Wortsinn. Ein Ausgangspunkt war seine Porträt­serie von Mönchen und Nonnen in Frankreich. Dahinter stand keine Romantik, kein Drang zum Dokumentieren, sondern eine rein visuelle Idee: „Ich wollte Gesichter abbilden, die frei im Raum stehen.“ Während Mönchskutte oder Kopftuch die abgebildeten Personen kulturell definieren, „findet visuell eine Abstraktion statt, denn dazu waren die Mönchs- und Nonnengewänder da: den Körper zu anonymisieren“.

Fischer, der zunächst Mathematik studierte, „um irgendwas zu studieren“, ging und geht mit einer mathematisch kühlen Einstellung an seine Motive heran. Ihn fasziniert die „Polarität des Visuellen“, also das Miteinander von Gegensätzen, worin seiner Ansicht nach die Antwort auf eine wesentliche Frage schlummert: Was ist eigentlich das Leben?

Bei den Mönchen bestand die wichtigste Polarität im Gegensatz Körper-Geist. Bei Gebäuden ist es das Spiel zwischen Außen und Innen. Für Porträts isoliert er das Gesicht - seine in den USA entstandene Serie „Los Angeles Portraits“ fertigte er in einem Pool an, dessen Wasser und Hintergrund die Porträtierten als körperlos schwebende Teilwesen erscheinen lassen. Für die Architektur entdeckte Fischer Durchlässigkeit und Überlagerung („für mich zwei wichtige Begriffe“), und als ideales Motiv die gotische Kathedrale. „Bei keinem anderen Bauwerk ist von der Anlage des Gebäudes bis zum letzten Detail alles dermaßen konsequent einem ästhetischen und philosophischen Konzept untergeordnet.“ Also fotografierte er Kathedralen in ganz Europa.

Das Ergebnis waren Bilder, in denen sich Fassaden und Innenräume auf eine Weise vermischen, die abwechselnd kalt analytisch oder magisch erscheint. Oder beides - auch Fischers Werk ist Polarität. „Ich verstehe das Foto nicht als Abbild, sondern gehe von den formalen Möglichkeiten der Fotografie aus, gelange über die Form zum Inhalt und nicht umgekehrt.“ Das gilt sogar, wenn er in China - nachdem er vier Jahre lang einer Erlaubnis nachgelaufen war - ein halbes Regiment der Volksarmee abfotografiert und die Gesichter zu einer Großkomposition mit streng angeordneten Porträtkolonnen ordnet. Dasselbe tat er später mit Pilgern des Weges nach Santiago, ein Projekt, das u.a. in ein 1,72 x 6 Meter großes Foto mit mehr als 1.000 Porträts mündete.

Groß müssen die Fotos sein, „denn die Dimension ist Bestandteil der Wirkung auf den Betrachter“. Seine jüngeren Arbeiten kommen zum Teil ohne Überlagerungen aus. Da fotografiert er moderne Fassaden, die in seiner Darstellung so unwirklich erscheinen wie Computergrafiken.

Roland Fischer, Galería Maior, Palma, bis Ende Januar, Tel.: 971-72 80 98.

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