Mit dem japanischen New-Jazz-Wirbelwind Hiromi beginnt am 6.11. die heiße Phase der Konzertreihe des Jazz Voyeur Festivals in Palma (siehe Kasten). Mitbegründer Gerardo Cañellas, dessen im Jahr 2002 veröffent-lichter Jazz-Voyeur-­Fotoband den Ausgangspunkt des Projektes darstellte, denkt mittlerweile über die Zukunft nach. Die Krise hat in diesem Jahr zu Einsparungen gezwungen, unter anderem weil die ohnehin nicht üppigen öffentlichen Hilfen gekürzt wurden „und im kommenden Jahr noch einmal reduziert werden sollen“.

Jazz Voyeur, muss man einfügen, ist mehr als ein Festival. Nach dem Erfolg der Ausstellung und des Fotobandes organisierte Gerardo Cañellas mit dem Argentinier Roberto Menéndez vor fünf Jahren das erste Jazz-Festival, weil Palma „jazzmäßig eine Wüste war“. Ein großes Festival, das regelmäßig weltbekannte Musiker nach Palma gebracht hatte, war in den 80er Jahren einem politischen Wechsel zum Opfer gefallen, „wir mussten praktisch bei null beginnen“, erinnert sich Cañellas. Dass heute praktisch jedes Dorf ein Jazzfestival auf die Beine stellt, schreibt er der Eisbrecherfunktion des Jazz Voyeur Festivals zu.

Die positive Reaktion auf das Festival führte zu Spin-offs, die Marke Jazz Voyeur expandierte. Cañellas und Menéndez eröffneten in einem Hotel der mallorquinischen Hotelkette Sol Melià im argentinischen Buenos Aires einen Jazzclub und übernahmen in Palma das ehemalige Café Barcelona, um unter dem Namen Jazz Voyeur Club täglich Live-Jazz zu bieten.

Auch thematisch breitete sich das Festival aus. Foto- und Kunstausstellungen kamen hinzu, in diesem Jahr sind es eine Filmreihe und die Zusammenarbeit mit dem umtriebigen urugua­yischen Kreativkoch Pepe Pintos, dessen Gourmet-Restaurant wenige Schritte vom Konservatorium nach jedem Konzert zu „Konzert-Themen-Tapas“ lädt. Die Musiker schließen sich dem Jazz-Chill-out an - nicht überall besteht Gelegenheit, Stars der Szene so hautnah zu erleben.

Cañellas und sein Partner wollen all dies trotz Krise und Subventionskürzungen weiterführen, versuchen also Kosten einzusparen, ohne dass Qualität und Vielfalt der Stilrichtungen leiden. In diesem Jahr zum Beispiel gelangte man zu einer Übereinkunft mit dem Festival von Alcúdia, derzufolge die Brasilianerin Eliane Elias, Interpretin des ersten Jazz-Voyeur-Konzertes des diesjährigen Festivals, auch in Alcúdia auftrat. Wieder etwas gespart. „Zwischen Palma und Alcúdia liegen zwar nur 60 Kilometer, aber für Mallorquiner ist das weit und die Säle waren klein, also kamen wir zu dem Schluss: Wir machen einander keine Konkurrenz.“ Um Honorare lässt sich hingegen nur schwer feilschen. „Nachdem der CD-Markt eingebrochen ist, sind die Interpreten zwar auf Konzerte angewiesen, doch an der Gage von Spitzenleuten hat sich praktisch nichts geändert“, sagt Gerardo Cañellas.

Hoffnungen machen Cañellas Bestrebungen vergleichbarer Jazzfestivals im Mittelmeerraum, über den Tellerrand zu blicken und eine Art mediterranes Festival-Netzwerk aufzubauen, etwa um auf EU-Ebene gemeinsam zu agieren und in Brüssel um Unterstützung anzuklopfen. „Wir haben bereits eine Zusammenarbeit mit dem Jazzfestival von Sardinien angebahnt und werden einander Musiker der regionalen Szene vermitteln.“ In Zeiten der Krise müsse man alles daransetzen, Kräfte zu einen und Synergien zu nutzen.

Anders gesagt: Auch abseits der Bühne wird gutes Zusammenspiel und Improvisationskunst immer wichtiger.