Am 1. März wird Chopins 200. Geburtstag gefeiert, daher erklärte die Balearen-Regierung 2010 zum Chopin-Jahr. Doch welche Bedeutung hatte Mallorca wirklich für seine Musik? Finden sich in den Stücken, die er auf der Insel komponierte, Spuren der Insel? In ihrem Buch „Jener Winter Chopins auf Mallorca" (siehe unten) analysiert die Musikhistorikerin Aránzazu Miró die Klänge, die der Komponist von der Insel mitnahm und seither über die Welt verbreitet wurden.

War Mallorca ein guter Boden für Chopins Arbeit?

Körperlich fühlte er sich unwohl, er war krank und litt unter dem strengen Winterklima. Trotzdem hat Chopin auf Mallorca und erwiesenermaßen in der Kartause eine gewaltige Menge Musik komponiert. Ihm scheint ein Knopf aufgegangen zu sein. Möglicherweise half es, dass er seinen gewohnten Kreisen und Verpflichtungen entronnen war. Auf Mallorca konnte er sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren, und er war unglaublich produktiv.

Könnte man sagen, dass ihn die Insel inspiriert hat?

Nicht anders als ihn irgendein anderer entlegener Ort inspiriert hätte. Es ist nicht klar, wie viel von der Musik, die er in Valldemossa und möglicherweise auch in Establiments aufschrieb, in seinem Kopf oder in schriftlicher Form bereits vorhanden war. Tatsache ist: Hier brachte er viel zu Ende, u.a. die berühmten Préludes, eine für sein Schaffen bedeutende Sammlung sehr kurzer Werke.

Wie viel Mallorca steckt in diesen Stücken?

Man weiß, dass Chopin mit seiner Geliebten George Sand in Valldemossa einem Dorffest beigewohnt hat. Dabei hörte er mit Sicherheit mallorquinische Volksmusik. Doch davon habe ich nicht einmal Spurenelemente in seinen Kompositionen entdecken können. Ich habe auch nichts anderes erwartet: Chopin war Pole, wenn er Volksmusik im Kopf hatte, dann die seiner Heimat. Ich konnte jedoch atmosphärische Elemente heraushören, die klar mit Episoden seines Aufenthaltes zusammenhängen.

Zum Beispiel?

Eines Tages unternahm George Sand trotz Schlechtwetter einen Ausflug nach Palma. Die Rückfahrt verzögerte sich, die Kutsche blieb stecken, und Chopin saß allein in seiner Zelle. Es war eine Sturmnacht, es regnete, und in dieser Nacht schrieb er seine Prélude Nr. 15. Dabei malt er musikalisch den Laut von Regentropfen nach, und es ist auch ein trauriges Stück, wie übrigens die meisten seiner Préludes. Einige sind dagegen fröhlich. Chopin durchlebte in der Kartause sehr starke Stimmungsschwankungen, und die spiegeln sich perfekt in den Préludes wider.

Welche Überraschungen haben Sie bei den Recherchen erlebt?

Ich hatte Chopins Musik als Hintergrundmusik eingestuft und entdeckte, dass unter der angenehm harmonischen Oberfläche eine enorme Tiefe steckt, dass Chopin eigentlich ein Revolutionär war, einer, der mit den Normen brach.

Was sagen Sie zum Streit zwischen den Betreibern der Zellen?

Ich halte die Diskussion, in welcher Zelle der Kartause Chopin nun tatsächlich wohnte und welches Klavier er nun wirklich spielte, für zweitrangig. Als ich mich für den Aufenthalt des Komponisten auf Mallorca zu interessieren begann, fand ich abgesehen von Sands "Winter auf Mallorca" keine Literatur historischen Rekonstruktion dieses Aufenthaltes und zu dessen musikalischer Bedeutung. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.

Und was halten Sie vom Chopin-Trubel in Valldemossa?

Man muss den Leuten gratulieren. Im Gegensatz zu Establiments, wo er ja einen Monat verbrachte, hat man es dort verstanden, von Chopin zu leben.

In der nächsten Ausgabe (Nummer 512) der Mallorca Zeitung finden Sie einen ausführlichen Artikel zum Chopin-Jahr 2010.

In der Printausgabe vom 18. Februar (Nummer 511) lesen Sie außerdem:

- Deutscher Expressionismus: Meisterwerke im Gran Hotel

- Bittersüßes Märchen aus dem KZ: „Die Violine von Auschwitz"

Diese Artikel finden Sie auch hier.