Ein Kopf, den ein Kannibale aus Papua-Neuguinea über dem Schädel eines getöteten Feindes modelliert hat. Ein Mönch, von dem nur der Penis aus der Kutte ragt. Eine nackte schwangere Frau, mit gespreizten Beinen auf ein Bett gefesselt, in Erwartung der Vergewaltigung. Exkremente, die in einer Kloschüssel kreisen. Und als ob das nicht alles schon genug wäre, stellt der Kurator im Katalog auch noch die These auf, dass private Kunstsammler eigentlich Kriminelle sind.

Am Donnerstag (20.5.) wurde in Palmas Kunstmuseum ­Es ­Baluard die wahrscheinlich provokanteste Ausstellung eröffnet, die eine öffentliches Institution auf der Insel je gewagt hat. Der Kunstkritiker Carlos Jover hat ein wahres Gruselkabinett zusammengetragen. Sein Motto: „La opción desamable" (Die unliebenswürdige Option).

Unter diesem Titel präsentiert Jover Kunstwerke aus Privatsammlungen, die nicht einmal privat ausgestellt werden, Stücke, die direkt aus dunklen Kisten kommen und nach der Ausstellung wieder ins Lager zurückkehren. Entweder weil sie so groß, so zerbrechlich, so kompliziert zu montieren sind, oder aber – und das ist die Mehrheit –, weil kein Mensch so etwas ständig vor Augen haben will.

Manchmal sind die Gründe des Nicht-Zeigens auch relativ trivial. Ein Pseudo-Arztschild von Joseph Beuys mit dem Titel „Buttock­lifting" hing lange in der Praxis eines plastischen ­Chirurgen in Palma, bis die irritierten Nachfragen von Patientinnen, die Englisch verstanden (der Titel bedeutet „Hinternstraffen"), den Sammler dazu bewegten, das Stück zu entfernen.

Vielfach geht es um tabubefrachtete Themen wie Sex, Tod und Religion. Zum Beispiel „Papeles de la morgue" der Mexikanerin Teresa Margolles: ein Stück Papier, das Blut und Körpersäfte einer anonymen, in Ciudad Juárez ermordeten Frau aufgesogen hat.

Alle gezeigten Arbeiten stammen aus balearischen Privatsammlungen. Die meisten Eigentümer zogen vor, anonym zu bleiben. Das hängt vielleicht auch mit der Theorie zusammen, die Kurator Jover in seinem Katalog­text entwickelt: Kunstsammler, meint er, sind im Grunde genommen Verbrecher, die Motive des Anhäufens von Kunstwerken alles andere als nobel.

Laut Jover handelt es sich um eine Art Entführung: „Das Werk wird der Öffentlichkeit entzogen und steht ausschließlich dem Sammler und seinem Umkreis zur Verfügung." Bei Werken, die aufgrund ihrer Qualität im Betrachter und somit in der Gesellschaft etwas bewirken könnten, sei dies absolut als Verbrechen einzustufen, „als ob jemand die Relativitätstheorie gekauft und bei sich zu Hause weggeschlossen hätte".

Das Argument „Leidenschaft für die Kunst" lässt Jover nicht gelten: „Man hat genügend andere Möglichkeiten, Kunst zu genießen, ohne sie zu besitzen." Und Mäzene? „Sind großzügig, das ist etwas anderes."

Wenn ein Sammler später seine Sammlung der Öffentlichkeit schenke, steckten eher schlechtes Gewissen und Selbstdarstellung dahinter als gute Absichten. Und die Überlassung von Werken für temporäre Ausstellungen sei vergleichbar mit der Methode von Entführern, die Öffentlichkeit an das Objekt des Verbrechens zu erinnern. „Wenn sie zum Beispiel ein Ohr des Opfers schicken."

Sicher ist, dass sich bis 5. September jeder Besucher selbst ein Bild davon machen kann, welche Grenzen die Kunst überschreiten muss, um überhaupt noch als skandalös wahrgenommen zu werden.

Manche Werke erzielen ihre Wirkung auch ohne plakativ schockierende Bilder. Der Mallorquiner Lluís Fuster etwa schuf eine Installation, die eine Schaufensterpuppe in der Uniform eines Sicherheitsbeamten und daneben eine prächtig gerahmte, jedoch schlichte Strichzeichnung eines gekrönten Hauptes zeigt – eine subtile Verhöhnung des Pomps der Monarchie.

Der Deutsche Gregor Schneider hingegen sorgt mit dem simplen Video einer Exkursion durch ein Haus für Beklemmung, das er mit Gerümpel, etlichen Zwischenwänden und verschlossenen Fenstern in ein Labyrinth

ungreifbarer Ängste verwandelt hat.

„En privat 2. La opción desamable", Es Baluard, Palma, bis 5.9., Tel.: 971-90 82 01.

In der Printausgabe vom 4. März (Nummer 513) lesen Sie außerdem:

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