Die Delegation war am Montag (27.9.) gerade auf dem Flughafen Madrid angekommen, als die Hiobsbotschaft einschlug: Aus den Medien erfuhren Hubert Georg Feil und seine Begleiter, dass die Kandidatur „Palma Illes Balears“ um die Europäische Kulturhauptstadt 2016 aus formellen Gründen abgelehnt worden war. Die private Vereinigung hätte nicht nachweisen können, dass sie die Stadt Palma vertrete.

Am folgenden Tag hätte die Delegation vor einer gemischt spanisch-internationalen Jury das Programm präsentieren und die Stärken der Kandidatur besingen sollen. Als Feil und seine Mitstreiter trotz des avisos vor dem Museum Reina Sofía auftauchten, wurde ihnen der Einlass verwehrt. Delegationsmitglied Nils Burwitz: „Sie haben uns buchstäblich die Tür vor der Nase zugeknallt.“

Es war der Schlusspunkt eines Projekts, das trotz einer soliden theoretischen Basis von Anfang an unter einem schlechten Stern stand. Dass es so - und so schnell - zu Ende gehen würde, hatte jedoch niemand geahnt.

Der Szene vorausgegangen war eine Serie von Ereignissen, die sich am Montag zuspitzten. Was sich tatsächlich hinter den Kulissen abgespielt hat, ist Spekulation. Doch die Indizien lassen plausibel erscheinen, dass Feils Projekt durch eine politische Intervention quasi im letzten Moment abgeschossen wurde.

Die Fakten: Vor einer Woche, am 23. September, verkündet der balearische PP-Präsident José Ramón Bauzá die Unterstützung seiner Partei für die Kandidatur. Feil, der bei der Präsentation vor einem Jahr erklärt hatte, sein Projekt aus politischen Grabenkämpfen raushalten zu wollen, tritt an der Seite der beiden PP-Schwergewichte Bauzá und Rodríguez (PP Palma) auf. Offensichtlich spekuliert er damit, dass die Konservativen die Wahlen im kommenden Jahr gewinnen werden. Bauzá gibt bei der Pressekonferenz auch deutlich zu verstehen, dass die PP in diesem Fall dem Projekt „volle Unterstützung“ gewähren werde. Die Frage, wie das aufwendige Unternehmen denn finanziert werden solle, beantwortet er nicht.

Die Sozialisten, die mit Koalitionen in Palma, im Inselrat und in der Balearen-Regierung das Sagen haben, stufen die Kulturhauptstadt vielleicht schon seit jeher als Projekt der Konservativen und Unternehmer ein. Möglicherweise wittern sie mit Feils und Bauzás Vorstoß in die Öffentlichkeit einen Strategiewechsel. Tatsächlich erzwingt die PP bei der Sitzung des Stadtparlaments am Montag (27.9.) eine Abstimmung, bei der die PP dank der Enthaltung der UM die offizielle Unterstützung der Kandidatur sicherstellt.

Doch um Stunden zu spät. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Kulturministerium in Madrid bereits mitgeteilt, dass „Palma Illes Balears 2016“ nicht einmal mehr zur Präsentation zugelassen werde. Hinter vorgehaltener Hand verbreiten PP-Größen den Verdacht, Palmas Bürgermeisterin Aina Calvo, der ein direkter Draht nach Madrid nachgesagt wird, hätte die Kandidatur im letzten Moment quasi abschießen lassen.

Die Entscheidung und der Zeitpunkt werfen in der Tat Fragen auf. Einerseits steht in der Ausschreibung klar und deutlich, dass sich nur municipios (Gemeinden) um die Kulturhauptstadt bewerben können. Andererseits erscheint im Bewerbungsformular (veröffentlicht am 11. September 2009 im Staatlichen Verlautbarungsblatt) die folgende Frage: „Haben Sie bereits die Unterstützung der politischen lokalen oder regionalen Autoritäten erhalten? Falls nicht, wollen Sie dies in Zukunft tun?“ Diese Frage macht offensichtlich keinen Sinn, wenn man ohne Unterstützung der lokalen Behörde gar nicht antreten darf.

Auch der Zeitpunkt gibt zu denken. Die private Vereinigung des Deutschen konnte im Juli die Bewerbung einreichen und wurde in das dreitägige Programm vom 27. bis 29. September (streikbedingt bis 30. verlängert) aufgenommen. Laut Feil sei man auch zu den Proben eingeladen gewesen. Wozu das alles, wenn ein so wichtiges Dokument fehlt? „Wir haben alles richtig gemacht“, versichert Feil.

Allerdings - und das war allen Beteiligten von Anfang an klar - betrat die Initiative des Deutschen Neuland. Zwar sagt Feil, dass es schon früher private Initiativen gegeben hätte, die in den Auswahlprozess aufgenommen wurden. Doch Ann Branch, Direktorin der Abteilung Kulturprogramme und -aktionen der Europäischen Kommission in Brüssel, widerspricht: „Es ist das erste Mal, dass eine private Initiative eine Kandidatur ohne Unterstützung ihrer Stadt eingereicht hat.“ Die rechtliche Grundlage sehe eindeutig vor, dass an dem Wettbewerb nur Städte teilnehmen können, „keine anderen Körperschaften“. Die Organisation des Auswahlprozesses im Detail sei hingegen Sache der „nationalen Behörden“.

Somit verschiebt sich der Fokus auf die Frage, warum Hubert Feil und Palma de Mallorca nicht miteinander konnten. Unternehmer und PP machen die „kleinmütige und feige“ Haltung der Mallorca-Sozis verantwortlich, „bei denen alles Panik auslöst, was nicht bis ins letzte Detail kontrollierbar ist, und denen alles Internationale und Europäische suspekt ist“, wie ein konservativer Inselpolitiker im Hintergrundgespräch zürnt.

Umgekehrt wird Hubert Feil vorgehalten, er habe die Insulaner nie wirklich verstanden. Dass er sich mit den Mallorquinern in keiner der beiden Amtssprachen unterhalten konnte und trotzdem die zentrale Figur der Kandidatur blieb, kam erschwerend hinzu: Deutsche Macher genießen auf Mallorca keinen Beliebtheitsbonus. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung von Bürgermeisterin Aina Calvo bei der Ratsdebatte am Montag: „Wie weit ist es schon gekommen, wenn wir darüber diskutieren, ob wir den Namen unserer Stadt einem Betreiber schenken wollen, von dem wir weder wissen, wer er wirklich ist, noch woher er kommt?“

Fest steht: Die Insulaner werden lange warten müssen, bis sich die nächste Gelegenheit für eine derartige Kandidatur bietet: Irgendwann nach 2025 ist Spanien wieder an der Reihe.

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