Marcos Vidal (43) wirkt nicht wie einer, der mit einer Kettensäge Kunst macht, doch wenn er sich einen Holzblock vornimmt, um eine überdimensionierte Sonnenbrille herzustellen, fliegen die Späne. Dabei pflegt der Mallorquiner auch die feine Ironie: Seine Ausstellung „Holzfällung" in der SKL Gallery, Palma, sucht den Abstand vom frenetisch Virtuellen. Dafür bietet Holz gutes Grundmaterial.

Ganz anders Diego Ingold (27). Dem Nachfahren eines Immigranten aus Venezuela, der seinerseits von Schweizer Auswanderern nach Venezuela abstammte, brach eines Tages im Atelier der Stuhl unter dem Hintern zusammen. Prompt bastelte er aus den Trümmern ein Tafelbild der anderen Art. Der Turbokreative stellt bis 5.3. in der Galerie Intersecció Art der Berlinerin Uta Gritschke aus.

Humor und Holz ist beiden gemeinsam, im Stil sind Vidal und Ingold jedoch komplett unterschiedlich. Vidal, der mit der deutschen Künstlerin und Designerin Irene Peukes in Sineu lebt, hat eine Botschaft: Er sucht eine gesunde und augenzwinkernde Distanz zu „diesem Druck, ständig auf dem neuesten Stand zu sein".

Vidals Rebellion besteht darin, Fernseher aus massivem Holz zu bauen oder in kleineren Formaten, zum Teil mit Keramiken, die Posen zu parodieren, mit denen wir uns lächerlich machen. Er baut Kästchen, in denen Dinosaurier am Desktop sitzen, im Bemühen, nicht zu dinosaurios zu werden – ein im Spanischen gebräuchlicher Ausdruck für Menschen mit antiquiertem Lebensstil.

Vidal gibt eilig zu Protokoll, dass auch er einen Blog hat, dass auch er den Computer nutzt, doch die Mattscheibe macht ihn beinahe melancholisch: „Das Sehen hat uns früher erfüllt, der Fernseher hat das umgekehrt, hier wird das Sehen zu einem Akt des Sich-Entleerens."

Aufs Holz gekommen ist Vidal in Deutschland (daher auch der Titel „Holzfällung"). Bei einem Gastaufenthalt wurde ihm mit der Aufforderung „nun mach mal" ein Baumstamm vor die Nase gestellt. Eines von diesen Riesendingern, die man auf Mallorca unmöglich fällen dürfte.

Szenenwechsel: In der Intersecció Art wirbelt Diego Ingold durch die Ausstellungsräume und erzählt, wie glücklich er ist. Einzel- und Kollektivausstellungen zusammengerechnet sei dies seine exposición número 29, er freut sich auf die Vernissage, er genießt den Kontakt mit Publikum, er malt manchmal auf der Bühne zu Live-Musik. Nach Hause geht er nur, um zu schlafen, er ist dauernd unterwegs, lernt Leute kennen, verkauft Bilder („nicht zu teuer, das wäre unsinnig, ich mache die ja gerne") und schaut irgendwie fragend drein, wenn man das Wort „Krise" ausspricht.

Seine Arbeiten sind witzig und divers und zumeist provokant botschaftslos. Das Bild „Porträt eines besoffenen nach Hause kommenden Herrn auf auseinandergefallenem Stuhl" könnte man ebenso wie das Gemälde „Von Kind auf liebe ich Eröffnungen von Kunstausstellungen" als Parodien auffassen, aber sie haben nichts Bösartiges.

Ingold hat in Barcelona ausgestellt, in London, in Montevideo, wer mit ihm spricht, versteht, warum Stühle unter ihm zusammenbrechen, aber auch, warum daraus umgehend Kunst wird. Er pappt aus Holz Objekte zusammen und bemalt sie und erfindet danach Titel dafür, möglichst abstruse. Und macht und denkt hunderttausend andere Sachen, die er alle gerne erzählen würde, wenn man ein paar Stunden mehr Zeit hätte.

Stört ihn überhaupt etwas an der Kunst? Doch, der „Betrieb". „Dass alles, was die Großen machen, automatisch gut ist. Blödsinn, auch die bauen Mist."

„Holzfällung", Marcos Vidal, SKL, Palma, bis 25.3.

„Trabajos con vino de por medio", Diego Ingold, Intersecció Art, Palma, bis 5.3.

In der Printausgabe vom 10. Februar (Nummer 562) lesen Sie außerdem:

- Im Gespräch: Theaterdirektor Guillem Roman

- Perkussion de luxe: Carl Palmer rührt um

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