Es ist eine der merkwürdigsten CD-Premieren des Jahres – die deutsche Mallorca-Residentin Nathalie ­Korcz will gemeinsam mit einer Gitano-Band eine Marktlücke besetzen, von der niemand wusste, dass es sie überhaupt gibt: Rumba Catalana im Stil der Gipsy Kings, gesungen auf Deutsch. Textprobe: „Nein, er war nicht tot, nein, nein, nein!"

So ganz abstrus kann ihr Projekt nicht sein, denn sie hat professionelle Gitano-Musiker überzeugt, sie unter dem Namen Yocanto zu begleiten. Bei Mini-Konzerten im Freundeskreis seien die Reaktionen ermutigend: „Die Leute sind erst mal fassungslos, dann wollen sie mehr."

Vor allem aber hat sie Sony ­Music überzeugt. Eine Maxi-­Single mit drei Liedern und dem Titel „Er war nicht tot" erscheint dieser Tage, im Sommer soll ein Album folgen. Und die Internet­seite von Yocanto wirkt wie das Portal eines arrivierten Stars.

Nicht schlecht für eine 42-Jährige, die ihr Geld mit dem Verkauf von Anzeigen für Touristen-Landkarten verdient, demnächst mit ihrem mallorquinischen Gatten bei sich in Campos eine Eisdiele aufmacht und nebenbei 15 Hunde und Pferde versorgt.

Komplett aus dem Blauen kommt der germanische Olé-­Meteorit jedoch nicht geschossen: Bevor sie 1999 nach Mallorca umsiedelte, war Korcz in Deutschland jahrelang im Konzert­management tätig und sang – „nur als Hobby" – in einer Soul-Band mit dem knackigen Namen „Soul Suckers".

Auf der Insel ließ sie das Thema Musik zunächst ruhen, um sich der Erziehung der beiden Kinder ihres verwitweten Mannes und dem Tierschutz zu widmen. Bis sie bei einem Sevilla-­Besuch eine Flamenco-Nacht erlebte und überwältigt war. Ihr Gatte riet ihr, sich doch mal Musik von Peret anzuhören. Der Effekt war durchschlagend: „Ich habe mich in diesen Musiker verliebt."

Peret, 75 Jahre alt, ist die lebende Legende der Rumba Catalana, jener Musik katalanischer gitanos, die aus dem Flamenco das Tragische und Schwere rausfilterte. Die Gipsy Kings machten damit weltweit Furore.

Auch die „lustigen Texte" hätten sie berührt. Aber warum eindeutschen? „Ich muss seit meiner Hochzeit übersetzen, weil mein Mann kein Deutsch spricht", erklärt Korcz. „Und ich dachte: Da mache ich einfach weiter und übersetze ein paar Lieder." Denn sie fand es „total schade", dass ihre Freunde und Bekannte in Deutschland die Texte von Peret nicht verstanden.

Der erste Schritt war für die ausgebildete Übersetzerin leichter. Doch dann stand sie vor der Frage, mit wem sie das Projekt umsetzen sollte. Und kam zu dem Schluss, dass für die Begleitung nur Gitanos in Frage kamen. „Für Schuhplattler würde man ja auch nur einen ­Bayern nehmen."

Auf Flohmärkten sprach sie ­Gitanos an und knüpfte Kontakte zu Musikern. Als sie dem ersten per Telefon ihre Idee erklärte, war die Antwort „ein langes Schweigen". Dann sagte er: „Warum nicht?" Nur müsse sich die Deutsche ein wenig gedulden, er ­ginge demnächst auf Reisen. Wohin? „Auf Tournee mit Paco de Lucía." Sie sei fast in die Knie gegangen. „Das war mir eine Nummer zu groß. ­Einer, der mit Paco de Lucia spielt, begleitet nicht ­Nathalie Korcz."

Also suchte sie einen anderen und vereinbarte eine erste Probe. Als der Gitarrist bei Nathalie Korcz an die Tür klopfte, gingen ihr die Augen über: Der Mann war aufgeputzt wie für ein Konzert. Sie hingegen hatte gerade „die Scheiße der Hunde" weggeputzt und stand „mit blauem Overall und Pink-Blümchen-Gummistiefeln" da.

„Er war wohl etwas verstört", erinnert sich Korcz. Sie wollte ihn jedoch nicht warten lassen, deshalb legten sie los, er im Bühnen-­Outfit, sie im Overall. Am Ende sagte der Gitarrist: „Klingt gar nicht so schlecht."

„Mir war von Anfang an klar, dass Gitanos als Urheber dieser Musik ihren Segen geben musste", sagt Korcz. „Ich habe ja keine Lust, mich lächerlich zu machen." Deswegen hat sie auch Flamenco-Tanzstunden genommen. Obwohl sie sich kringelig lachte, wenn sie im Spiegel ihre anfangs ungelenken Bemühungen um rassige Armbewegungen sah – „ich wirkte eher wie ein Flugzeug­einweiser" –, fühlt sich die Deutsche jetzt bereit für ein erstes Konzert, von dem sie nur nicht weiß, „wann, wo und wie es stattfinden soll".

Aber dafür sind ihre Helfer da, alte Kontakte aus Deutschland und Vollprofis in Musik-PR. Mit dabei ist auch die Deutschtürkin Nermin Gönenc, die schon mit Korcz bei den „Soul Suckers" sang und nun palmas klatscht, sehr professionell – sie lebt mittlerweile mit einem der Gitarristen zusammen.

Mit ihrem spanisch-deutsch-türkischen Ensemble will Korcz unbedingt in Deutschland auftreten. „Ich möchte den Spaß, den ich habe, teilen." Ihrem Vater (67) gefalle die Musik jedenfalls, und der sei ein harter Kritiker. „Als ich früher Soul sang, sagte er nur: Was soll das, schrei nicht so rum!"

Ihr einziges Problem: Die Stimme klinge nicht mehr so schön rauchig, weil sie das Rauchen aufgegeben habe. „Der musikalische Leiter fleht mich an, ich solle doch bitte wieder anfangen."

In der Printausgabe vom 24. März (Nummer 568) lesen Sie außerdem:

- Hendrik Krawen wagt Bilder mit Leere

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