Das Wertvollste für einen echten Künstler, sagte Willi Baumeister einmal, sei das, „was er an sich selber hat, nicht was die anderen von ihm denken".

Das Motto ergibt sich in einem Leben, wie es der deutsche Künstler führte, quasi von selbst. Der Pionier der deutschen Avantgarde musste erleben, wie ihn ein Lehrer der Kunstakademie wegen „fehlenden Talents" ablehnte, und später, wie die Nazis seine Werke als „entartete Kunst" präsentierten und ihn selbst mit Berufs- und Ausstellungsverbot belegten.

Umso bezeichnender, dass Baumeister (1889-1955) in Spa­nien stets Beachtung fand, selbst zu Francos Zeiten. Spanien ist auch die erste Station einer Ausstellung, die gemeinsam vom Museu Fundación Juan March mit dem Kunstmuseum Winterthur und dem Museum für moderne und zeitgenössische Kunst von Trento und Rovento (MART) konzipiert wurde. Die Werke stammen mehrheitlich aus Baumeisters Nachlass, der im Kunstmuseum Stuttgart und von der Familie des Künstlers bewahrt wird.

Bis 10. September sind in Palma 50 Gemälde und 25 Zeichnungen aus den Jahren 1910 bis 1950 zu sehen, womit ein Überblick über das Schaffen des Stuttgarter Malers ermöglicht wird. Dabei wird klar, dass der Mann mit dem biederen Äußeren auf künstlerischem Terrain ganz vorne marschierte.

In Deutschland hielt sich der Avantgardist als Gebrauchsgrafiker über Wasser, erwies sich aber auch hier als Erneuerer. Sein Verständnis von Grafik reichte vom rein Technischen bis zum abstrakt Künstlerischen. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg führte er quasi ein Doppelleben, war zum Beispiel tagsüber als „Sondersachverständiger für farbige Hausanstriche" an einer Bauberatungsstelle tätig und reiste im selben Zeitraum nach Moskau, Paris, gar New York, um an Ausstellungen moderner Kunst teilzunehmen, während er in Deutschland unter anderem als Bühnenbildner tätig war.

Wie Picasso wurde er früh auf die Lektionen aufmerksam, die prähistorische und außereuropäische Kunst einem Avantgardisten zu bieten hatte. Ab den 20er Jahren legte Baumeister eine eigene Sammlung an. Der Schwerpunkt lag zunächst – wieder eine Parallele zu Picasso – bei afrikanischen Masken. Doch unter den mehr als 250 Stücken, die der Maler in seinem Leben erwarb und von denen er sichtlich beeinflusst wurde, befinden sich auch präkolumbianische und ozeanische Figuren.

Besonders interessierte sich Baumeister für die Höhlenmalereien von Altamira in Spanien. An diesen über 12.000 Jahre alten Darstellungen bewunderte er „die Stärke einer einzigen Linie", die etwa einen Bison aus prähistorischer Zeit darstellt.

Für den Bison selbst, also das Objekt der Darstellung, interessierte sich Baumeister weniger. Er wollte mit seinen Gemälden ins Unbekannte vorstoßen und war ein ebenso bewunderter wie kritisierter Verfechter der Abstraktion. Als Professor an einer Kunstgewerbeschule hatte er einen schweren Stand, die Nazis schmissen ihn sofort nach ihrer Machtergreifung 1933 im Zuge der „Säuberungen" des Schulwesens raus.

Es war nur der Beginn der Schikanen. 1937 wurde ihm die zweifelhafte Ehre zuteil, mit fünf Gemälden bei der „Ausstellung für entartete Kunst" vertreten zu sein. Allerdings gelang es ihm, den ideologischen Druck durch Ausstellungen im Ausland zu unterlaufen. Unter anderem dank seiner Beziehungen zu prominenten Figuren der Avantgarde wie Klee, Léger und Le Corbusier verfügt er über ein europaweites Netzwerk.

Ab 1941 war es Baumeister von Amts wegen verboten, Bilder zu malen und öffentlich auszustellen. Der Künstler schlug sich als Gebrauchsgrafiker durch und malochte am Ende in einer Lackfabrik. Heimlich beschäftigte er sich dort weiter mit seiner Kunst und rückte nicht einen Millimeter von seiner Linie ab. Der Naturalismus, sagte er, sei „fern der Natur. Je naturalistischer ein Gemälde ist, desto mehr wird es zur Wachsleiche."

Das Zitat stammt aus einem Buch, das der Maler in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs heimlich verfasste und mit dem er in der Nachkriegszeit zu einem führenden Theoretiker der abstrakten Kunst wurde.

Nach dem Kriegsende 1945 schloss Baumeister rasch an die alten Erfolge an und stellte in seinen letzten Lebensjahren bei der Biennale in Venedig und im New Yorker Guggenheim Museum aus. Besonders geschätzt wurde und wird er bis heute in Italien, Frankreich und Spanien. Bereits 1949, als das Franco-Regime das Land noch eifrig von „Subversiven" säuberte, wurde der „entartete Künstler" eingeladen, einem Kunstkongress in Altamira zu präsidieren.

1947 wurde Baumeister gebeten, für die deutsche Premiere des Ballettstücks „El amor brujo" des spanischen Komponisten Manuel de Falla das Bühnenbild zu entwerfen.

Auch als Kunstprofessor schloss Baumeister an die Vor-Nazi-Zeit an. Ab 1945 bis kurz vor seinem Tod unterrichtete er an der Stuttgarter Kunstakademie. Seine Studenten verehrten ihn, weil er einerseits tolerant gegenüber anderen Auffassungen von Kunst war, aber andererseits bei aller Gemütlichkeit grundsolide Kritik übte.

Baumeister starb 1955 beim Malen in seinem Stuttgarter Atelier.

„Willi Baumeister (1889-1955). Pinturas y Dibujos", Museu Fundación Juan March, Palma, bis 10.9.

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