Achille Oliva Bonito, der große alte Mann der italienischen Kritikerszene, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Die meisten Künstler kümmern sich wenig um das Umfeld, wenn sie mit dem Problem einer Installation konfrontiert sind. Ihr Ego ist einfach zu stark, ihr Werk soll alle Blicke auf sich ziehen."

Der Ex-Banker Ben Jakober und seine Gattin Yannick Vu, zu deren früheren Wohnadressen die aktuelle Michael Douglas-Bleibe S´Estaca bei Valldemossa gehört, leiden bestimmt nicht unter schwachen Egos. Doch in der Kirche des Klosters Santo Domingo in Pollença haben sie eine Zurückhaltung und ein Einfühlungsvermögen bewiesen, für das Oliva Bonito – Autor eines Katalogtextes der Ausstellung – nur ein Wort übrig hatte: „Bravo".

„Wir wollten mit unserem Eingriff nicht von der Schönheit dieses Raumes ablenken, sondern darauf verweisen", sagt Jakober. Das Schlüsselelement für dieses Vorhaben ist ein Konvex-Spiegel vor dem Hauptaltar.

Das Thema der Installation namens „Ho veus" (Siehst du), mit dem das Paar Jakober-Vu den von Finanzproblemen gebeutelten Kultursommer von Pollença bereichert, ist der Akt des Sehens, oder vielmehr das Problem dieses Vorgangs, der jede Beziehung zwischen Betrachter und Kunstwerk mitbestimmt.

Konkret haben sich die beiden Betreiber der Fundació Jakober in Alcúdia des Problems einer Sehstörung angenommen, unter anderem, weil der 1930 in Wien geborene Jakober unter einer Trübung der Augenlinse leidet. Inspirierender als grauen Star fand das Künstlerpaar jedoch das Phänomen der Farbenblindheit. „Eine Idee führte zur nächsten, und so kamen wir auf den Gedanken, Sehtest-Bilder zu vergrößern und sie in den Kontext dieser Kirche zu stellen."

Der Effekt ist verblüffend. Die Bilder, die jeder Mensch vom Besuch beim Augenarzt kennt, erlangen durch den neuen Kontext eine ästhetische und philosophische Dimension. Oliva Bonito, der Mallorca seit 30 Jahren frequentiert und schon etliche Ausstellungen für das Dreigestirn Ferran Cano-Pelaires-Horrach Moyà kuratiert hat, nennt das Werk „stereophonisch" und meint damit den visuellen Doppelsinn.

Denn die im Durchmesser zwei Meter großen Plexiglas-Bilder, die in den Kapellen der Kirche hängen, finden ihr Echo nicht nur an der Decke, die von ähnlich dimensionierten religiösen Rundgemälden geziert ist, sondern auch im Pointilismus oder dem Spot Painting eines Damien Hirst.

„Unsere Installation ist kein religiöses Werk, aber ein spirituelles", sagt der Künstler, und Oliva Bonito merkt an: „Hier ist zu sehen, dass man Distanz braucht, um Kunst zu verstehen." Aus der Nähe sind die Zahlen – darunter Jakobers Lieblingszahl 7, aber auch die verschämte Umkehrung des erotisch aufgeladenen 69 – tatsächlich nicht zu erkennen.

Ergänzt wird die Installation von Musik des Rebecca Horn-Adop­tivsohns Hayden Chisholm sowie einer Pupille, die den Platz der Rosette des Oberlichts einnimmt. Das historische Originalglas ist zerbrochen, Malena Estrany zufolge von Halbstarken zerstört. Auf diese, meint die neue Kultur-Gemeinderätin, müsse man ein Auge haben. Jakober und Vu haben es schon aufgehängt.

„Ho veus", Ben Jakober/Yannick Vu, Kirche Santo Domingo, ­Pollença, bis 15.9.

In der Printausgabe vom 21. Juli (Nummer 585) lesen Sie außerdem:

- Ausstellung "Magiciens de l'Afrique"

- Kulturhauptstadt San Sebastián: Probleme ohne Ende

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