Wer einen Blitzkurs über die Pop-Bild-Kultur der vergangenen drei Jahrzehnte machen will, muss sich nur mit Nicki Wambolt auf einen Kaffee treffen. Der soeben 44 Jahre alt gewordene Zeichner, der sich im ersten Anlauf beim eigenen Alter verrechnet („Zahlen sind nicht mein Ding"), ist eigentlich auf Storyboards für Werbespots und TV-Serien sowie auf Zeichnungen für Schulbücher und Werbeagenturen spezialisiert.

Mit „Die schönsten Märchen aus Mallorca", dem zweiten Buch, das ab Donnerstag (13.10.) als MZ-Sonderausgabe mit der Mallorca Zeitung zum Vorzugspreis von 12,90 Euro erworben werden kann, hat Wambolt zum ersten Mal richtig frei agieren können. Er habe die Bilder beim Lesen der Märchen „wie ein Kind aus sich herausgejazzt". Und sei prompt zum Fan des ollen Erzherzogs Ludwig Salvator geworden: „Das war ein cooler Typ, der war richtig gut drauf!"

Schon der Habsburger hätte die Erzählungen nicht ganz original weitergegeben, sondern „getunt". Und mit Eduarda habe eine wortgewandte anonyme Schreiberin die Geschichten fürs moderne Publikum „noch mal getunt".

Inhaltlich seien die Storys ja sehr aktuell. „Da wird man nicht von Moraldingern erdrückt, sondern kann wie bei Liedern immer wieder etwas Neues hineinlesen. Sie reflektieren die Realität. Und nachdem sich die Menschen im Wesentlichen ja nicht ändern, sind in diesem Buch dieselben Themen drin, die uns auch heute bewegen."

Wambolt tritt den Beweis an und blättert durch das Buch. „Fremdenhass", ruft er aus und zeigt auf ein Bild, auf dem ein Maure zu sehen ist. „Brauchst nur nach Sa Pobla auf die Felder zu gehen, dort siehst du genau das." Sein Zeigefinger landet auf einer Illustration, die fanatische Krieger zeigt: „Al Kaida!" Und dann auf der Zeichnung von einem Mann, der vor einer versiegenden Quelle kniet: „Krise!"

Sogar auf politische Mauscheleien gingen diese alten Geschichten ein. Aber sein Lieblingsmärchen ist eine Ge-spensterstory, „bei der konnte ich voll draufhauen". Wambolts Augen glänzen. Unter dem harmlos klingenden Titel „Wie eine richtig gute Wurst zu einer Ohrfeige führte, die heilsam war", geistern Zeichnungen zwischen dem Text herum, für die sich der Illustrator auf die Ästhetik des US-amerikanischen Filmregisseurs Quentin Tarantino („Pulp Fiction") besonnen hat. „Ohne zu übertreiben, klar. Aber es sollte nicht ultraniedlich werden, mit roten Bäckchen und so Zeug, sondern da wollte ich Bilder mit starker Würze." Und weil Wambolt immer bildlich-konkret wird, präzisiert er: „Pfeffer, Tabasco und Knoblauch." Darauf, ist der Zeichner überzeugt, „stehen die Kids heute". Oder um es im unnachahmlichen Wambolt-Sprech noch mal zu

unterstreichen: „Man muss die Märchen rock´nrollisieren." (Wie immer man das schreibt …).

Als Zeichner ist Wambolt ein Produkt der 80er Jahre. Er wurde zwar in Mannheim geboren, seine Familie zog jedoch nach Mallorca, als er gerade vier Jahre alt war. Atmosphärisch bekam er noch die letzten Franco-Jahre mit, allerdings auf seine eigene, selektive Weise: „Hippies, Santana-Musik …" Und danach etwas bewusster schon die movida, den kulturellen Aufbruch, der Phänomene wie Almodóvar, Fanzines und Underground-Comics hervorbrachte. Als der junge Deutsche in Barcelona beim Kult-Comic „Víbora" sein Praktikum machte, war die goldene Zeit jedoch schon vorbei.

Mit Aufenthalten in Frankfurt und Madrid und einigen Jahren in New York entwickelte sich Wambolt weiter. Bis heute findet sich in seinen Arbeiten ein Echo auf die „wilden Jahre". Und – wie er bereitwillig gesteht – auf alle Filme, die sich der begeisterte Kino-Fan reingezogen hat. Wer die „Märchen" durchblättert, erkennt rasch, welche Figuren beim Zeichnen aus Wambolts Unterbewusstsein hervorbrachen: von Danny de Vito (der Mönch im ersten Märchen) bis zu Harry Dean Stanton (in der Gespenstergeschichte).

Geprägt sind die Bilder auch von der Technik des Storyboards, also jener Serie von Zeichnungen, mit der beispielsweise ein Werbespot erstmals visuell dargestellt wird, damit der Kunde entscheiden kann, was er will, und der Regisseur später eine präzise Arbeitsgrundlage hat.

Der Wermutstropfen dabei ist, dass Storyboards nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken. So gut sie auch gemacht sind – Wambolt zeichnete zum Beispiel Storyboards für die auf Mallorca gedrehte britische Erfolgsserie „Mad Dogs" –, sie bleiben ein internes Produkt.

Nicht so die drei in einer MZ-Sonderausgabe angebotenen Bücher. Verleger Vito von Eichborn, selbst ein glühender Wambolt-Fan, hat dafür gesorgt, dass sich der Zeichner in „Die schönsten Märchen aus Mallorca" einmal vor Publikum so richtig austoben konnte.

„Die schönsten Märchen aus Mallorca", neu erzählt von Eduarda, illustriert von Nicki Wambolt, im Verlag Vitolibri, ab Donnerstag (13.10.) bei Kauf einer Mallorca Zeitung als MZ-Sonderausgabe zum Vorzugspreis von 12,90 Euro erhältlich. Bereits auf dem Markt ist der „Klosterführer Mallorca" von Diego Costello. Und am 20. Oktober kommt das dritte Buch in MZ-Sonderausgabe heraus: „Mallorcas vergessene Geschichte", eine Chronik über deutsche Residenten und Exilanten auf dem Mallorca der 30er Jahre (Autoren: Martin Breuninger und Germà Garcia i Boned). Alle drei Bücher sind als MZ-Sonderausgabe bis Ende des Jahres gemeinsam mit der MZ nur auf Mallorca zum Vorzugspreis erhältlich.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 13. Oktober (Nummer 597) lesen Sie außerdem:

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