Dass ihre Großmutter in Bulgarien „Schamanin“ war, kommt erst gegen Ende des Interviews heraus und erklärt vielleicht auch einiges. Mariana Vassileva gehört nicht zu jenen, die ihre Umwelt nur beobachten, erdulden oder genießen. Sie funktioniert wie ein Spiegel, der kreativ verzerrt und ein Bild zurückwirft, an dem einzelne Aspekte wie in Karikaturen hervorgehoben sind.

In Palma eröffnet sie mit Videos aus zwölf Jahren ihres Schaffens die erste Ausstellung unter der Ägide von Pilar Ribal, der neuen Leiterin der städtischen Stiftung Espai d‘Art (Kunstraum). Die Bandbreite der geborenen Bulgarin, die seit 1991 in Berlin lebt, geht dabei weit über die nur ihren audiovisuellen Arbeiten gewidmete Ausstellung hinaus.

In Berlin zum Beispiel hat Vassileva eine leicht veränderte Bushaltestelle (die Wartebank wurde zur Liege umfunktioniert) auf einen der Öffentlichkeit zugänglichen Schulhof gestellt und damit die Nachbarschaft kreativ verwirrt. In einer Galerie in Neuseeland schlug sie zwei Nägel nebeneinander in eine Wand und schrieb darunter: „Werden sie eines Tages Freunde sein?“ Sie setzte würdigen Statuen Kopfhörer auf und verteilte unter Passanten in einem Park kleine Spiegel, um danach per Video das Konzert der Lichtreflexe aufzunehmen.

Videokamera, Spiegel und das Spiel mit dem Kontrast sind ihre bevorzugten Arbeitsmittel. Bei ihrem ersten Auftreten auf Mallorca vor zwei Jahren als artist-in-residence im CCA Andratx komponierte sie aus Spiegelfragmenten einen bedrohlichen Hund, halb Skulptur, halb Gemälde.

Wenn in ihrem Kopf eine Idee auftaucht, erzählt Vassileva, „benimmt sich diese wie ein lebendes Wesen und gibt keine Ruhe, bis ich sie umgesetzt habe“. Alle Ideen haben mit ihren Beobachtungen zu tun, die darauf beruhen, dass die Künstlerin noch heute, im 48. Lebensjahr, staunen kann wie ein kleines Mädchen.

In Bulgarien studierte das „kleine Mädchen“ Psychologie und Pädagogik, bis es nach einer Grundsatzdiskussion mit seinem Vater - „er war überzeugter Kommunist“ - nach Berlin zog und Kunst studierte. „Ich fühlte mich in dieser neuen Welt wie ein Kind“, schildert Vassileva. Eine Situation, die ihre Sinne, ihre Sensibilität schärfte für das, was man das „Leben im Westen“ nennt. Vieles davon hat sie in Videos verarbeitet. Das Perfektionsstreben zum Beispiel in „Jumping Man“, wo sie einen vornehm gekleideten Mann über Jahre hinweg immer wieder auf dem Trampolin herumspringen lässt, auf der Suche nach dem perfekten Sprung.

Manchmal verwandelt sich die Künstlerin in eine Reporterin, zum Beispiel, als sie monatelang Lateinamerika bereist und dort ihre Themen fertig inszeniert vorfindet und nur noch draufhalten muss. Etwa in Mexiko, wo zwei Polizisten tänzerisch den Großstadtverkehr regeln. Oder in Santiago de Chile, wo sie sich fragte, „warum die Straßenköter so gut drauf waren“. Bis sie entdeckte, dass die Menschen sie mit Futter versorgten, und sogar einen Straßenmusikanten fand, der ihnen ein Wiegenlied spielte - das sie prompt aufnahm.

Humanismus, Leben, Liebe, „das interessiert mich“, sagt die Künstlerin, die sich beinahe entschuldigt, weil Mallorca bislang noch keine Idee in ihr wachgerufen habe, die nach Umsetzung verlangt. Sie sei ja immer nur zum Arbeiten hergekommen, damals im CCA, „die Idee bereits im Kopf“, und nun zum Aufbau der Ausstellung. Sie braucht mal wieder Zeit zum Innehalten.

Zeit - auch das ist ihr Thema. In Neuseeland bestritt sie eine Ausstellung mit dem Titel „Die sanfte Brutalität der Gleichzeitigkeit“. Alle Zeitebenen rütteln am Menschen zugleich - „die Vergangenheit, mit der ich arbeiten, die Gegenwart, die ich bewältigen, die Zukunft, die ich planen soll“.

Aber sie tun es sanft. Zumindest bei Mariana Vassileva.

„Solo Video. 2000-2012“, Casal Solleric, bis 8.4.

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- Schriftsteller Jaume Cabré und die Lebensgeschichte eines Kontinents

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