Vom Sohn eines mallorquinischen Seemanns zum gefeierten Opernstar auf den großen Bühnen der Welt: Das Leben von Francesc Mateu i Nicolau gäbe Stoff für einen Roman. Trotz seiner damaligen Berühmtheit weiß heute kaum ein Insulaner etwas mit seinem Künstlernamen Uetam anzufangen.

Wer im Internet nach Informa­tionen über ihn sucht, stößt auf eine kleine Überraschung: Ausgerechnet ein Deutscher hat dem Leben des lange vergessenen Sängers einen Dokumentarfilm gewidmet. Dabei stieß Regisseur Stephan Winkler eher zufällig auf die historische Figur: „2004 bat mich Michael Driesch, der das einstige Haus von Uetam erworben hatte, die Renovierungsarbeiten mit der Kamera zu begleiten." Schnell merkte Winkler, dass die eigentliche Story nicht das Haus, sondern Uetam selbst war.

Der kam am 4. Mai 1847 in Palma auf die Welt. Als einziger Sohn neben sechs Schwestern war er der heißgeliebte Mittelpunkt der Familie. Zwar wollte sein Vater auch aus ihm einen Seemann machen, doch der junge Mann hatte andere Pläne: Die Musik hatte es ihm angetan. Nach einem ersten Solo-Auftritt im Kirchenchor von Sant Nicolau war auch der Vater überzeugt, dass ein solch stimmgewaltiges Talent gefördert werden müsse.

Diese Förderung erhielt der junge Mann dann durch einen Zufall: Der Opernfan durfte des Öfteren bei Reparaturen an den Bühnenbildern des Teatre Principal aushelfen. Dabei sang er lauthals vor sich hin - wobei ihn eines Tages der damalige Dirigent des Principals, Juan Goula, hörte. Nach der Entdeckung seines Stimmtalents beschloss Goula, sich des jungen Manns anzunehmen und ihn stimmlich auszubilden. Am 27. November 1869 hatte Mateu im Alter von 22 Jahren seinen ersten Auftritt auf der Bühne des Principals - und wurde frenetisch gefeiert. Kurz darauf lernte Mateu den Künstleragenten Eduardo de Cabals kennen, der die Karriere des Mallorquiners mit einem guten Rat beförderte: Er solle sich einen italienisch klingenden Künstlernamen zulegen, denn Italien galt im späteren 19. Jahrhunderts als Inbegriff und Heimat der Opernkunst.

Der Insulaner konnte und wollte sich nicht ganz von seinem Geburtsnamen trennen. Also schrieb er seinen Vornamen von nun an auf

italienische Art - aus Francesc wurde Francesco - und drehte die Buchstaben seines Nachnamens einfach um: von Mateu zu Uetam.

Die ersten Auftritte außerhalb Mallorcas führten Uetam nach Las Palmas, Barcelona und Cádiz. Doch er sang auch immer wieder im Principal - bis er dort eines Tages nach einer schwachen stimmlichen Leistung bei der Darbietung einer Arie aus dem Barbier von Sevilla vom einheimischen Publikum ausgebuht wurde. Den Sänger traf dies so hart, dass er sich schwor, nie wieder auf Mallorca aufzutreten. Diesem Schwur blieb er tatsächlich bis an sein Lebensende treu.

In Barcelona traf Uetam erneut auf seinen Entdecker Goula, der ihm mit der Vermittlung eines Engagements an der Oper von St. Petersburg endgültig zum internationalen Durchbruch verhalf. Immer an seiner Seite: seine Ehefrau Catalina. Für die ebenfalls aus Palma stammende junge Frau hatte Mateu lange vor seiner Gesangskarriere eigens eine Schuhmacher-Lehre absolviert - doch nicht, weil er als solcher arbeiten wollte, sondern um seiner Angebeteten ein Paar Stiefeletten schenken zu können. Danach rührte er das Schusterzeug nie wieder an.

Nach der Rückkehr aus Russland erfüllte sich dann ein lang gehegter Traum des Mallorquiners: Er wurde vom Teatro Real de Madrid engagiert und durfte endlich auf der Bühne dieses ehrwürdigen Hauses singen. Die Kritiker in der Hauptstadt waren von seinen Darbietungen begeistert, und Uetam wurde - auch auf Wunsch des Publikums - drei Jahre lang verpflichtet. Zwischendurch und auch nach Beendigung des Engagements in Madrid trat Uetam in Rom, Florenz, Málaga und Valencia auf.

Doch mit der Zeit wurde ihm das Künstler­leben zu anstrengend, und auch seine Stimme ließ nach. 1903 zog er sich endgültig nach Mallorca zurück, wo er seinen ursprünglichen Namen wieder annahm und zehn Jahre später verstarb. Über seinem Grab auf dem Friedhof von Palma wacht bis heute ein großer, steinerner Engel.

Can Uetam, wie der Wohnsitz des Sängers in Palma auch Jahrzehnte später genannt wurde, ist heute übrigens nicht mehr in deutscher Hand: Michael Driesch, der das Gebäude 2004 von Uetams Nachfahren erworben und aufwendig renoviert hatte, verkaufte den Altstadtpalast im Januar an eine Russin - nachdem er vergeblich versucht hatte, die Einheimischen für die Geschichte ihres einst berühmten Landsmanns zu begeistern: „Das Interesse der Mallorquiner, sowohl der politisch-kulturellen ,Kaste´ wie auch der Familie Uetams an dessen Andenken war und ist nicht vorhanden. Noch dieses Jahr wollte ich anlässlich des 100. Todestages ein Event im Haus machen, aber niemand hat Interesse an einer Beteiligung gezeigt; nicht mal IB3 wollte den Film senden." Und so wird die Mehrheit der Mallorquiner wohl auch weiterhin nicht wissen, wer der Carrer Uetam ihren Namen gab.

Driesch stellt fünf DVDs des Films „Uetam - Wiedergeburt einer Legende" zur Verlosung unter den MZ-Lesern zur Verfügung. Wer mitmachen will, sende bis zum 31.10. eine Email mit dem Kennwort „Uetam" an mallorcazeitung@epi.es. Auf mallorcazeitung@epi.eswww.wfilm.com/uetam/