Das zur Balearen-Uni gehörende Trickfilm-Produktionszentrum Ladat (Unidad de Animación y Tecnologías Audiovisuales) passt wunderbar in dieses Raumschiff inmitten von Olivenbäumen namens ParcBit, das man auf der Urlaubs-Insel so gar nicht erwartet. Die Ansammlung von hypermodernen Gebäuden nördlich von Palma, wo einem wie im kalifornischen Silicon Valley vor allem junge Nerds begegnen, die genauso gucken, als könnten sie die fünfte oder sechste Wurzel aus was auch immer für einer Zahl in drei Sekunden aufsagen.

Ob Sergio Camacho Luna dazu in der Lage ist, ist unklar. Sicher ist, dass er sein Talent im zeichnerischen Bereich voll auslebt, denn Camacho ist Vizechef und technischer Direktor des fast versteckt im Untergeschoss eines jener nüchtern-futuristischen Bauten gelegenen Instituts. Die 20 handverlesenen und einen einjährigen Master-Lehrgang absolvierenden Studenten sowie sechs Dozenten sind besonders im 3-D-Bereich bewandert. Das Institut gibt es seit 1988, in der Szene ist es schon lange, auch international renommiert, wovon auch rund 150 Preise zeugen.

Einer breiteren Öffentlichkeit aber wurde es erst Ende 2011 bekannt, als der im ParcBit produzierte Animations-Streifen „Ella" für den spanischen Goya-Filmpreis nominiert wurde.

Jetzt legte das Institut nach: Mit dem fast eine halbe Stunde dauernden, auf Mallorca verorteten Streifen „El Capitán de la Rosa", der im Auftrag des Pirates-Village-Hotels in Santa Ponça entstand, geht es auf Tuchfühlung mit dem wichtigsten Wirtschaftszweig Mallorcas, dem Tourismus. „Wir sehen darin eine große Chance für uns und wollen künftig verstärkt für Hotels, Restaurants und andere Einrichtungen der Branche arbeiten", sagt Sergio Camacho. Wichtig ist, dass der Euro rollt. Lange genug habe man in den letzten Jahren im Ladat hauptsächlich für den Hausgebrauch produziert.

Wer künftig online ein Zimmer im „Pirates Village" bucht, wird den Film zu sehen bekommen. Außerdem soll er auf Kurzfilm-Festivals in aller Welt gezeigt werden. „El Capitán de la Rosa" ist schon fertig geschnitten und auf Spanisch vertont, muss aber noch im Ladat-eigenen Studio mit Hilfe von Schauspielern ins Englische synchronisiert werden, um international mitmischen zu können.

Die Handlung ist schnell erzählt: Ein Piratenkapitän aus dem 17. Jahrhundert stößt sich an der Ungerechtigkeit der Welt, die durchweg von Despoten beherrscht wird. Er legt sich mit einem bösen Magier an und verliebt sich zudem in eine hübsche Maid namens Dorte. Zauber und ewige Liebe - darum geht´s unter anderem. Am Ende siegt - klar doch - das Gute. Mit dabei ist auch noch eine Hündin namens Jaisa. „Die gibt es wirklich", sagt Sergio Camacho. „Christian Roses, Besitzer des Pirates-Hotels, hatte die fast überfahrene Kreatur gefunden und gerettet." Damit nicht genug der Anklänge an die reale Welt: „Es werden Fassadenstücke des Hotels gezeigt, und die Hauptfigur, der Kapitän, wartet - von seinem Namen abgesehen - mit einigen Charakterzügen des Hoteliers auf."

Der war vor fast zwei Jahren - nach dem Betrachten von „Ella" - von sich aus auf die Trickfilm-Cracks im Miniatur-Silicon-Valley zugekommen, gab ihnen ein paar Hinweise, wie er sich den Film vorstellt, zahlte offenbar gut (wie viel, will man bei Ladat nicht verraten) und ließ sie machen.

Wobei die Firma Castells, die am Pirates Village unter anderem einen überdimensionalen Totenkopf installiert hatte, auch ein Wörtchen mitredete.

„Dann haben wir uns zunächst einmal überlegt, ob das Ganze eher disneyhaft unrealistisch werden soll, also mehr für Kinder, oder wirklichkeitsgetreuer, also auch für Erwachsene", sagt Dozent Jaime Juan Soteras, der schon Ewigkeiten zum Ladat gehört und mit seinem bärig-nerdhaften Habitus gut in die Ursprungs-Crew um Apple-Gott Steve Jobs hineingepasst hätte. Zunächst habe man „fast unendlich viele" Zeichnungen der Hauptfiguren angefertigt. Anschließend sei eine gelungene Mischung aus Kiddiehaftem und Wirklichkeitsgetreuem entstanden. Er, Jaime, der fürs Realistische stehe und sein Kollege Pepmi Garau, der das disneyhafte bevorzuge, hätten sich schlussendlich zusammengerauft und einen ganz eigenen Stil ersonnen. „In dieser Hinsicht muss alles aus einem Guss sein, also die durch und durch mallorquinischen Landschaften und Stadtansichten müssen zu den handelnden Personen passen, und die Farben und Lichtverhältnisse müssen mit allem anderen harmonieren", sagt Soteras.

Danach seien die Endfiguren im drehbaren 3-D-Format modelliert worden - mit Mimik und Lippenbewegungen für die vielen Dialoge. „Es ist in etwa so, als arbeite man mit Knete, nur macht man das an Computern." Und dann war da noch die Vertonung : Komponist Luis de las Heras erfand einen Soundtrack, in dem unter anderem ein Orchester simuliert wird.

Und so perlt der bislang nur in Auszügen im Internet gezeigte, aus 260.000 Einzelbildern bestehende „Capitán de la Rosa"-Film mit einer dermaßen kontrastreichen Klarheit von der Mattscheibe, als käme er direkt aus Hollywood. Und als wären Hunderte Menschen involviert gewesen, wie das in Edelstudios üblich ist. „Dabei haben wir das nur mit ein paar Leuten hingekriegt", freut sich Jaime Juan Soteras.

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