Ein Besuch im Atelier des Malers Gustavo in der Pampa zwischen Capdepera und Cala Ratjada nimmt üblicherweise so viel Zeit in Anspruch, dass während des Aufenthalts schon mal komplett das Wetter umschlagen kann. So auch beim Interviewtermin der MZ am vergangenen Freitag (4.4.). Gustavo, einer der bekanntesten Künstler der Insel, bittet uns vormittags bei strömendem Regen in sein Atelier auf der Finca Son Turó. Beim Verlassen der hohen Halle scheint die Sonne, als wäre nie etwas gewesen. In den drei Stunden dazwischen hat Gustavo einen Expressdurchgang durch sein Leben, sein Haus und sein Werk hingelegt.

Er, der am Freitag (11.4.) 75 Jahre alt wird, aber mindestens 15 Jahre jünger wirkt, steckt nach wie vor von Kopf bis Fuß voller Tatendrang. Der kleine Mann mit den wachen Augen fuhrwerkt durch sein Atelier, dass es eine wahre Freude ist. Wenn er spricht, geschieht das unter ausladendem Einsatz der Hände, die von ­Geburt an verkrüppelt sind, mit denen er aber ungemein geschickt umzugehen weiß. Und er spricht eigentlich immer. Seine deutsche Frau Regine, die er kennenlernte, als diese Stewardess bei der amerikanischen Fluglinie Pan Am war, warnt den Reporter halb im Scherz, halb im Ernst mit einer Anekdote: Als Toni Bestard, der Dokumentarfilmer, zu Besuch war, um etwas über das Leben von Gustavo zu erfahren, habe er das Interview mit diesem Satz begonnen: „Erzählen Sie einfach mal aus ihrem Leben." Fragen konnte Bestard danach keine mehr stellen.

Gustavo redet unglaublich gerne und schnell. Und das auf Deutsch, was ja nicht seine Muttersprache ist, was er aber in seinen 20 Berliner Jahren nahezu perfekt gelernt hat. Seine sprachliche Gewandtheit und seine große Leutseligkeit haben Gustavo in Deutschland den Weg in die Politik und die Gesellschaft geebnet. Die Liste seiner prominenten Freunde und Fans - das fehlt in keinem Porträt über ihn - ist lang. Sie reicht von Sabine Christiansen über Peter Maffay bis hin zu Udo Lindenberg oder Klaus Wowereit. Gerade in der Politik hat sich der überzeugte Linke zahlreiche Freunde gemacht - aus allen Lagern. „Für mich ist nicht die politische Gesinnung wichtig, sondern der Mensch", sagt Gustavo.

Und der Jubilar denkt überhaupt nicht daran, einen Gang herunterzuschalten. Ein Fazit will er zu seinem 75. Geburtstag noch lange nicht ziehen. Eine vorsichtige Schätzung, was sein Werk betrifft, wagt er trotzdem: „Ich habe in meinem Leben bestimmt etwa 4.300 Ölbilder gemalt sowie 30 Bronzeskulpturen und ein paar Dutzend Skulpturen aus Holz geschaffen."

Was bisher noch fehlte, war eine Art Lebenswerk für die Nachwelt. An einem solchen sitzt Gustavo Peñalver Vico, wie der Künstler mit vollem Namen heißt, nun seit vier Monaten. Die Rede ist von der Kaimauer des Hafens von Cala Ratjada, an der ein Mosaik aus 1.700 bunten Gustavo-Kacheln angebracht werden soll. Dargestellt sind auf grünem Untergrund sechs seiner ­charakteristischen Figuren, die vor allem durch ihre kräftigen Farben ins Auge springen. Die Kacheln wurden bereits anhand seiner Vorlagen in einer Werkstatt in Campos von Hand bemalt und gebrannt, der Künstler hat sie alle in seinem Atelier fein säuberlich verpackt und beschriftet. 16 mal 4 Meter soll die Wandkeramik groß sein, wenn alle Kacheln angebracht sind.

Soll, denn bisher ist es noch nicht einmal losgegangen. Das fuchst Gustavo ganz gewaltig. „Eigentlich sollte zum Geburtstag alles fertig sein, aber es wird wahrscheinlich noch einen Monat dauern." Schuld sei wieder einmal der Amtsschimmel auf der Insel. Man setze sich einfach nicht genügend ein für solche Projekte. Das Rathaus habe monatelang von den Plänen gewusst, aber keine Genehmigung herausgerückt. Erst als der Tourismus­minister Jaime Martínez und Premier José Ramón Bauzá eingeschaltet wurden - ebenfalls Freunde von Gustavo - ging es plötzlich ganz schnell. Und an diesem Montag (7.4.) wurde tatsächlich mit den Arbeiten begonnen. Die mehrere zehntausend Euro teure Arbeit haben private Sponsoren bezahlt.

Gustavo möchte mit dem Kunstwerk Cala Ratjada nicht zuletzt ein wenig „aufpeppen", wie er es nennt. „Das Bild, das der Ort in den vergangenen Jahren abgegeben hat, tut uns ein bisschen weh. Der All-inclusive-Tourismus mit all seinen Begleiterscheinungen hat den Charakter des Fischerdorfes zerstört." Gustavo hofft, dass seinem Beispiel andere Künstler folgen werden, die etwa Skulpturen an der Hafenpromenade platzieren könnten. „Dort würde dann ein richtiger Künstlerpfad entstehen", träumt Gustavo.

Dass es auf Mallorca Schwierigkeiten mit der Wand gibt, wundert den Wahlmallorquiner, der im südspanischen Cartagena geboren wurde, nicht. Ohnehin stört es ihn kolossal, dass hierzulande die Dinge oft nicht so funktionieren wie in Deutschland. „Ich bin zwar Spanier, aber in meinem Inneren kämpft diese mit meiner deutschen Identität. Denn in Spanien herrscht das Chaos. Wer aber im Chaos arbeitet, wird selbst nur Chaos schaffen." So komme man nicht voran. Gustavos ­Atelier ist denn auch picobello aufgeräumt und sauber, obwohl er täglich stundenlang darin arbeitet.

Einen Grund zum Feiern sieht Gustavo in seinem Geburtstag übrigens nicht. Er mache am Freitag „nichts Besonderes" und habe eigentlich den Anrufbeantworter seines Telefons einschalten wollen, weil er schon zu normalen Geburtstagen 40 bis 50 Anrufe bekomme. „Aber meine Frau meinte, das könne ich nicht machen." Trotzdem ist der 75. für Gustavo lediglich eine kleine Anekdote in einem bewegten Leben, das - ginge es nach ihm - so schnell noch nicht vorbei sein wird: „Ich sterbe nicht. Man wird mich umbringen müssen."

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 10. April (Nummer 727) lesen Sie außerdem:

- Film-Schau in Palma: Das Genie Georges Méliès

- Kassenschlager "Ocho Apellidos Vascos"

- Kurator Enrique Juncosa im Interview

- Künstler Gustavo: Über 4300 Bilder und kein bisschen müde