Auf dem Grundstück rund um ihr Häuschen bei Port de Sóller stapeln sich Kisten mit Flaschenverschlüssen, Puppenarmen, Taucherbrillen, Sonnenschirmstangen und kaputten Bojen. Was für Fremde wie Müll aussieht, ist für Anna David wertvolles Material: Die 64-jährige Künstlerin macht aus Plastikstrandgut bunte Objekte aller Art. Etwa einen „Ich-war-eine-Tomatenkiste-Stier".

Oder das „Eismännchen" mit dem Bojen-Kopf und den Armen aus Plastikschläuchen, das derzeit in ihrer ersten Einzelausstellung seit Jahren in der Galerie Bennàssar in Pollença ausgestellt wird. Und dort bei der Vernissage gleich einen großen kleinen Fan fand: Ein Vierjähriger, berichtet die Künstlerin, sei zielstrebig auf die Figur zugestürmt, habe sich strahlend davor gesetzt und ehrfürchtig-zärtlich über die Styroporbacke gestreichelt. „Kinder verstehen meist sofort, was ich meine", ergänzt David lächelnd.

Im Gegensatz zu Erwachsenen im Allgemeinen - und den Mallorquinern im Besonderen. „Sie haben ja eher Probleme mit Müll. Nicht nur, was das Recyceln angeht." Sondern auch mit Davids Werken. Selbst ihr Galerist Toni Bennàssar, mit dem sie seit 18 Jahren zusammenarbeitet, habe immer noch Bedenken, ihre Objekte und Skulpturen auszustellen: „´Du malst doch so schöne Bilder´, hat er gesagt", lacht die Frau, die vor 35 Jahren ihren Beamtenjob als Steuerfahnderin an den Nagel hängte und unter anderem an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier lernte. „Vielleicht denkt er, dass sich Bilder besser verkaufen lassen."

Was nicht der Fall ist: Dank Sammler ihrer Stücke, die teils ­eigens aus Deutschland anreisen, um sich eines auszusuchen, gehen die Objekte (Zwischen 80 und 500 Euro) ebenso gut weg wie ihre Werke auf Leinwand. Die sie manchmal als Begrenzung empfindet: „Das Bild bleibt stets eine Fläche, bei den Objekten habe ich durch die Drei­dimensionalität viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten."

Trotz der fröhlichen Farben, die ihre Figuren aus Plastikmüll zu echten Hinguckern machen, schwingt immer auch eine versteckte Botschaft mit: „Sie sind ja nicht im eigentlichen Sinne schön, sondern nur schön verpackt. Es handelt sich um ein Problem, das wir haben - und auch in hundert Jahren noch haben werden." Das führen ihr spätestens die Strandspaziergänge vor Augen, die sie nach den Herbst- und Winterstürmen in Sóller oder Valldemossa zur Materialsuche nutzt. In nur einer Stunde hat sie in diesem Winter mit zwei Freunden sechs große Plastiksäcke mit Rohmaterialien eingesammelt - dann mussten sie aufhören, weil nichts mehr ins Auto passte.

Ihre Fundsachen lässt sie auf der Wiese neben ihrem ebenfalls aus alten Fensterläden oder entsorgten Wellplastikstücken zusammengezimmerten Atelier vom Regen säubern, dann rückt sie ihnen mit Seifenlauge und Bürste zu Leibe. „Sie sollen auf eine gewisse Art an die Absender zurück, und die kaufen ja keinen Schmutz", erklärt sie. Ansonsten reicht meist ein wenig Klarlack, um die Farben der bunten Objekte wieder zum Strahlen zu bringen.

Vor allem bei größeren Objekten weiß sie meist schon beim ersten Blick am Strand, was daraus werden könnte. „Es sind ja auch oft Lieblingsstücke darunter, die für die schönste Zeit des Jahres gekauft wurden - und dann ist die vorbei, und sie werden liegen gelassen." Wie das Elefantensandförmchen. Oder die Sonnenbrillen. Oder - selbst das „spült uns das Meer zurück vor die Füße" - ein Gebiss. „Da muss ich schon auch mal lachen und überlege mir, ob der Person wohl auf See schlecht geworden ist, oder wie das sonst hierher kommt."

Im Sommer geht die Künstlerin, die zwischen Aachen und Mallorca pendelt, nie an den Strand: „Dann ist dort alles so sauber und riecht nach Sonnencreme, da finde ich nichts." Dann zieht es sie in die Berge. Auch da findet sie hin und wieder kleine bunte Teile. „Aber zum Glück liegt dort relativ wenig rum. Da kann ich mich dann auch mal entspannen."

www.annadavidart.com

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