Eine wunderbare Ausstellung ist diese Woche im Untergeschoss des Museums Es Baluard eröffnet worden. Sie heißt „El tremolor de la màscara" (Das Zittern der Maske) und wurde, trotz Umfang und Unterschiedlichkeit der Arbeiten, von nur einem Künstler bestückt: Rafa Forteza.

Der 60-jährige Mallorquiner beschäftigt sich darin mit uns allen. Zunächst will er uns weismachen, dass das, was wir sehen, abstrakte Kunst ist. Dabei sieht man beim Rundgang überall Gesichter. Aber eigentlich hat er recht: Denn wo wir Augen, Nasen, Münder sehen, sind zum Beispiel von Mäusen geknackte Mandelschalen, Rohre aus Reliefpaste, geöffnete Avocadokerne, ein Trichter.

Noch effektvoller: die vielen klein- und großformatigen Bilder, auf denen oft Hohlräume und Kreise zu sehen sind. Sie werden zu dreidimensionalen Gesichtern, die mal erschreckt, mal beängstigend wirken.

Extremer: drei leere Marmeladengläser, fest umwickelt von einem Strang bunter Fäden, die uns ab einem bestimmten Moment wie ein Kopf erscheinen. „Wir ­projizieren uns selbst hinein", sagt Forteza schmunzelnd, „eigentlich immer, in alles." Der Gesicht-Effekt sei ihm während des Schaffensprozesses nicht bewusst, sagt er, aber sobald er zum Betrachter seiner Arbeiten wird, verfällt auch er dem menschlichen Projektionsdrang.

Es ist erstaunlich, auf wie viele Arten man sich mit diesem Thema auseinander setzen kann. Hier hängen in Leuchtfarben und ­grobem Pinsel geschaffene Schinken, dort grau-schwarze, schmuddelig wirkende Zeichnungen und Aquarelle oder kleine, staunende Männchen. Rafa Forteza bedient sich vieler Techniken. Er macht Drucke, Skulpturen, zeichnet, malt und formt. Gezeigt werden Arbeiten von den 90er Jahren bis heute, ausgesucht vom Künstler selbst, vom Kurator David Barro und von Óscar Florit, dem jungen Betreiber der Galerien L21 in Palma und Madrid, der Rafa ­Forteza ­neuerdings vertritt. Fortezas Arbeiten sind spanienweit bedeutend. International gilt der Künstler als herausragender Vertreter seines Landes. Werke von ihm befinden sich in den Sammlungen des MoMa in New York, des Centre Pompidou in Paris oder der Deutschen Bank. Die Werke verzaubern tatsächlich auf den ersten Blick: Sie haben Witz und Tiefe, verwirren und verzaubern, ziehen unseren Blick auf sich.

Durch ihre ­Alltäglichkeit und Handlichkeit zeichnen sich die zahlreichen Arbeiten der Reihe „Envolventes" (Umhüllungen) aus. Es sind Päckchen, die der Künstler schnürt. An sich schon verführerische Objekte, steigert sich deren Spannung noch durch ihren biografischen Wert: abgetragene Halbschuhe, Leinwand­rollen und anderes, wovon wir gerne wüssten, was es genau ist, bilden ein Bündel, das auf einer Säule oder in einem Regal liegt. Oder Decken, Kartons, zwei Jeans, ein paar Zeitschriften, die fest von ­Gummischläuchen ­umwickelt sind. Mit Haushaltsfolie eingepackt auch eine Coladose und noch ein paar undefinierbare Dinge.

Es sind tatsächlich Gebrauchsgegenstände und Kleider, die der Künstler in einer Phase seines Lebens genutzt und getragen hat. „Wir geben allen Dingen eine Bedeutung", sagt er, „einer Brotzeitdose, einem angenehmen Pullover, einem Kuscheltier." Dinge, die uns zur zweiten Haut werden, in denen wir uns wiederfinden, die passen wie eine Maske. Sobald wir das erkennen, fühlten wir uns gerührt, sagt Forteza. Daher der Titel der Schau: Er umschreibt den Moment emotionaler Spannung, wenn wir uns in etwas erkennen. Nach dieser Spannung sucht Forteza seit Beginn, denn sie zieht an, weckt auf: Sei es die zwischen Neonorange und Zinnoberrot oder die einer gestrafften Haushaltsfolie. Rafa Forteza ist ein guter Kommunikator und Künstler. Und er ist großzügig. Seine Ideen fruchten. Wer möchte am Ende nicht auch einmal ein Schreckgesicht aus hohlen Mandeln, Knete und Trichtern formen?

Rafa Forteza. El Tremolor de la Màscara. 27.11. bis 6.3. Museum Es Baluard, Palma. www.­esbaluard.org