Felicitas Fuchs ist eine Weltenbummlerin. Die 35-jährige Sopranistin, die am Donnerstag (17.12., 20 Uhr im Auditorium Palma, Karten noch an der Abendkasse) gemeinsam mit der Mezzosopranistin Stefanie Ranyi, dem Tenor Oliver Johnston und dem Bass Reinhard Hagen sowie dem Chor der Balearen-Universität das Weihnachtskonzert der Balearen-Sinfoniker mit Beethovens Neunter Sinfonie bestreitet, geht in Doha (Katar) ans Telefon. Dort ist es an diesem Dienstag ungewöhnlich kühl: 16 Grad und ein fieser Wind, wo es vor wenigen Tagen noch 35 Grad waren. Weihnachtsstimmung kommt da nicht auf. Die gebürtige Oberbayerin, die Musik und Gesang an der Guildhall School of Music and Drama in London studierte, kann es kaum erwarten, zu Heiligabend an den heimischen Chiemsee zurückzukehren.

Was machen Sie denn in Katar?

Ich verbringe zwischen drei und vier Monate im Jahr hier, weil ich Artist in Residence beim Qatar Philharmonic Orchestra bin.

Dann kennen Sie sicher die Geigerin Nina Heidenreich, die Frau von Pablo Mielgo, dem Dirigenten der Balearen-­Sinfoniker.

Wir sind schon lange sehr eng befreundet. Ich bin seit sechs Jahren mit dem Orchester hier verbandelt, und Nina ist seit der Gründung dabei. Pablo Mielgo trat erst viel später in ihr Leben. Aber durch ihn kam meine Verbindung zu den Balearen-Sinfonikern zustande. Ich war im Februar zum ersten Mal auf Mallorca und habe im Auditorium Haydns Schöpfung mit den Sinfonikern gesungen.

Hat Pablo Mielgo Sie ausgewählt, weil Sie Muttersprach­lerin sind?

Pablo wollte unbedingt eine deutsche Sopranistin haben. Wobei ich damals sehr erstaunt war, wie gut der Uni-Chor auf Deutsch gesungen hat. Das waren ja fast alles Mallorquiner.

Welche Erinnerung haben Sie an die Balearen-Sinfoniker?

Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen. Das Orchester hier ist eine tolle Truppe - extrem nett, aber auch hochprofessionell. Das ist nicht unbedingt der Normalfall.

Worauf spielen Sie an?

Manchmal trifft man bei den Orchestern auf eine ziemliche Arroganz. Als Solistin ist es nicht ganz einfach, vor allem, wenn man im Ausland singt. Da muss man immer noch einen Tick besser singen, weil man sich beweisen muss. Nehmen wir Beethovens Neunte: Die könnte natürlich problemlos auch eine Spanierin singen. Die spanischen Musiker könnten sich daran stören. Aber ich bin das letzte Mal sehr nett aufgenommen worden.

Vielleicht gibt es weniger Berührungsängste, weil die Balearen-Sinfoniker sehr häufig mit Solisten zusammenarbeiten?

Ja, das merkt man ihnen an. Es ist ein extrem hochwertiges Orchester, was aber allein noch nicht ausreicht. Viele Ensembles spielen Super-Sinfonien, aber wissen nicht, wie man Solisten begleitet. Hier in Palma sind die Vorspieler darauf getrimmt und spielen sehr zurückhaltend. Auch in den Proben gehen die Musiker sehr auf Solisten ein. Bei Orchestern, die Dienst nach Vorschrift machen, kann es passieren, dass sie keine Lust haben, vor dem Auftritt zu proben.

Beethovens Neunte wird vor Weihnachten sehr viel aufgeführt. Können Sie die „Ode an die Freude" überhaupt noch hören?

Natürlich! Sie klingt ja mit jedem Chor immer wieder ein bisschen anders. Wenn die Aufführung gut gemacht ist, kann ich das Werk rauf- und runterhören. Ich bin schon gespannt, wie es Pablo Mielgo interpretiert. Es gibt da nämlich zwei Stellen, die bei Dirigenten äußerst umstritten sind und die für die Solisten sehr knifflig sein können. Ich verrate aber jetzt nicht, wo.

Die Neunte Sinfonie hat nicht nur uneingeschränkte Zustimmung erfahren. Als monströs und unästhetisch kritisiert, wurde sie immer wieder von der Politik für ihre Schauveranstaltungen missbraucht.

Aber gerade deswegen müssen wir diese Sinfonie aufführen. Ich finde es sehr schade, dass so viele Werke negative Konnotationen haben, weil sie irgendwann einmal von irgendwelchen Regimes missbraucht wurden. Im Endeffekt geht es doch um die Musik! Man muss da die Vergangenheit auch mal außen vorlassen. Die Musik muss darüberstehen. Auch ich wurde schon gefragt, warum ich als Deutsche ausgerechnet dieses Werk singe. Aber für vieles, was vor Jahrzehnten vorgefallen ist, kann meine Generation doch überhaupt nichts.

Sie sind ständig auf Reisen. Ist das ein Pluspunkt an Ihrem Beruf oder nervt es?

Letztes Jahr war ich acht Monate auf Achse. Ich versuche, das ein bisschen herunterzufahren. Am Anfang, direkt nach dem Studium, fand ich das toll. Ich reise wahnsinnig gerne. Aber inzwischen fällt es mir zunehmend schwerer. Ich bekomme in letzter Zeit immer mehr Heimweh. Und gerade in der Vorweihnachtszeit ist es hart. Da will ich eigentlich nicht in der Wüste sitzen, sondern auf dem Weihnachtsmarkt Bratwurst essen und Glühwein trinken. Und vor allem möchte ich Schnee.

Das dürfte in Katar schwierig werden.

Hier ist es ja schon mit viel ­Aufwand verbunden, einen Christbaum zu bekommen. Und dann darfst du ihn ja nicht einmal sichtbar aufstellen, weil es sonst saftige Strafen setzt. Deshalb freue ich mich sehr auf Palma. Ich kann mir vorstellen, dass es hier deutlich weihnachtlicher zugeht als in Katar, wo alles sehr künstlich ist und christliche Symbole nicht gerne gesehen sind.

In Katar singen Sie nicht nur, sondern sind auch für einen ganz besonderen Chor verantwortlich. Was hat es damit auf sich?

Ich leite hier einen professionellen Kinderchor, der von dem Fernsehsender Al-Jazeera gesponsert wird. Momentan sind das 42 Kinder im Alter von 9 bis 16 Jahren, und wir machen sehr viel deutsche Stimmbildung. Das Programm ist bunt gemischt, mit Liedern auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, aber natürlich auch Arabisch. Die Kinder treten oft im Fernsehen auf oder singen Jingles für den Kinderkanal von Al-Jazeera ein. Vier- bis fünfmal im Jahr geben wir große Konzerte.