Wahrscheinlich ist das Vorurteil von vornherein gegeben: Deutscher Hip-Hop, der auf Mallorca entsteht, kann nur Müll sein. Deshalb haben sich auch einige Rezensenten von Geenos neuem Album „Soll ich der mo in die Fratz bumbe?!" beeilt zu sagen, dass die Musik des 33-Jährigen nichts mit Ballermann-Atzen-Hüpfburg-Party-Rambazamba zu tun hat, sondern ernsthafter, ausgearbeiteter Hip-Hop ist. Das sagt einiges darüber aus, wie die sonstigen musikalischen Ergüsse der Inseldeutschen wahrgenommen werden.

Der rheinhessische Albumtitel bedeutet auf Hochdeutsch in etwa: „Soll ich dir eine aufs Maul geben?" Natürlich ist das nicht als

Gewaltandrohung gemeint. Das Cover zeigt den Boxer Mike Conley aus dem 19. Jahrhundert, oben ohne, mit Schnurrbart, in Kämpferpose. Schon dass das Bild als „Overly Manly Man" im Internet kursiert, bricht den Titel ironisch.

Dennoch ist das neue Album etwas aggressiver als die „Palma EP" von 2014, das hört man schon ab dem ersten Lied. „Mir war selbst meine Musik zu seicht geworden", sagt Cihan Simsek, so Geenos bürgerlicher Name.

Aggressiv, das heißt nicht Amoklauf und Hass auf alles. Hatte er sich auf der „Palma EP" noch vorrangig mit seinem Gefühlszustand nach seinem Umzug nach Mallorca auseinandergesetzt, nimmt er sich auf „Soll ich der mo in die Fratz bumbe?!" die Hip-Hop-Szene vor, in der seiner Meinung nach statt der Musik eher Materialismus und Auseinandersetzungen im Vordergrund stünden, „die ­eigentlich auf Kinder-Facebookseiten gehören". Rap will mehr als Promobeef und mitgeschnittene Gespräche/ mehr als billiges Gerede, mehr als Snitchen und Gehate, / Mann, ich fick auf Entertainment, dafür lieb ich diesen Scheiß zu sehr/ schieß ich jetzt mit Rhymes umher, auf jeden der den Scheiß nicht ehrt (Hörprobe).

Über zehn Jahre ist es her, dass Geeno seine ersten Songs veröffentlicht hat. Er ist kein Anfänger, der Durchbruch ist ihm aber auch nicht gelungen. Bisher zumindest. Er hat eine tiefe, angenehme Stimme. Er erfindet den Hip-Hop nicht neu, aber man merkt, dass er seine Sache versteht.

Seit 2013 lebt Simsek in Palma. Er ist mit seiner Freundin hergezogen. Sie ist auch Musikerin. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Filmen. Er dreht Videoclips für Musiker aus der Hip-Hop-Szene, aber auch für deutsche Schlagersänger auf der Insel sowie Party- und Imagefilme.

Es seien vor allem persönliche Gründe gewesen, warum er aus Mainz weg sei. „Eigentlich war alles cool, aber ich musste das Umfeld ändern. In Deutschland ist es auch so, da wird man gleich in eine Schublade gesteckt. Der Arzt sagt dann, man habe Depressionen. Da wollte ich mich nicht reinschieben lassen, auch wenn ich mich so gefühlt habe." Auch dieser Aspekt findet sich auf dem Album, etwa in dem Song „Bless":

Wahrscheinlich wäre ich in Klapse oder Knast/ voller Hass und upgefucked/ ohne Kraft, um was zu schaffen/ Hatt´ zu wenig Zeit für mich/ mit tausend Sachen zugepackt/ ich will nur einen sehen, der einen Tag in meinen Schuhen schafft/ Wirf mir nicht vor, dass ich mein Leben in die Hände nahm/ der Neuanfang einer Geschichte, die fast am Ende war (Hörprobe).

Mallorca, sagt er, habe ihm wieder Kraft gegeben. Er schätzt vor allem die positive Grundhaltung der Menschen hier. „Wenn du nach Deutschland fährt, hörst du nur Wehklagen. Hier ist auch das soziale Gefüge ein anderes. Die Menschen halten mehr zusammen." In Deutschland habe er immer mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt. Nicht unbedingt wegen seines Aussehens, aber wegen seines türkischen Namens. „Hier bin ich jetzt wieder als Fremder, aber es läuft ganz anders, auch wenn ich die Sprache nicht annähernd richtig spreche."

Simsek ist ein Mann, der viel reflektiert, das merkt man sofort, wenn man mit ihm spricht. Er komme aus einer politisch aktiven Familie. Mit seinen Eltern habe er sich unter anderem für politische Häftlinge in der Türkei eingesetzt. Auf eine politische Ebene wolle er seine Songs aber nicht bringen. „Man kann niemandem in einem Zwei-Minuten-Song ein politisches Problem erklären."

Mittlerweile hat er gute Kontakte in die mallorquinische Hip-Hop-Szene. „Die ist noch ein wenig verschlossen. Viele hören nur spanischen Rap, und dadurch zitiert man sich oft selbst. Zudem fehlt die Bereitschaft, Geld zu investieren." Immerhin, ein paar Freunde hat er durch die Musik schon gefunden. Und auch wenn er sagt, sein Spanisch sei nicht so gut, versucht er sich ab und zu beim Freestylen mit seinen Freunden. Irgendwann werde er vielleicht auch mal einen Text auf Spanisch schreiben. Und auch sonst scheint der Kontakt zur Szene produktiv. Ein paar der Songs auf seinem neuen Album hat er mit hiesigen Musikern produziert.