Joji Hattori gehört normalerweise nicht zu der Gattung Mensch, die man als besessene Perfektionisten bezeichnen würde. Doch der 47-jährige Japaner, der sich mit dem ­Spanier Pablo Mielgo seit vergangenem Jahr die künstlerische Leitung der Balearen-Sinfoniker teilt, überzieht an diesem Dienstag (16.2.) die Probezeit in dem Aufnahmestudio Sonotheque in Palmas Gewerbe­gebiet Son Castelló deutlich. Schließlich ist es die letzte Probe für das Konzert am Donnerstag (18.2.) ohne den erst 24-jährigen Solisten Alexey Stadler. Für Hattori, der den Abend dirigiert, wird es ein besonderes Konzert, wie er der MZ nach der Probe erzählt. Der Violinist, der mit sieben Jahren nach Wien kam und dort aufwuchs, spricht akzentfrei Deutsch mit einem Hauch ­Wiener Schmäh.

Wie legen Sie mit Pablo Mielgo fest, wer welches Konzert dirigiert? Haben Sie vor der Saison mit ihm gewürfelt?

Wir besprechen mehrere Tage lang gemeinsam, was wir machen wollen und wer welches Konzert leitet. In diesem Fall war es schon beinahe ein Herzensanliegen meinerseits. Das Konzert von Dvorak ist das berühmteste aller Cellokonzerte. Das habe ich schon im Alter von 21 Jahren dirigiert. Ich habe eine besondere Beziehung zu diesem Werk. Und auch die Schumann-Sinfonie bedeutet mir sehr viel. Es ist eines der schönsten romantischen Werke überhaupt und versprüht eine unglaubliche Leidenschaft.

Das passt zu Ihnen. Musik ist für Sie eher ein Bauchthema, das Musikalische scheint Ihnen wichtiger zu sein als ein technisch ­einwandfreier Ton.

Ja, es geht darum, die Prioritäten festzulegen. Wie viel Prozent des Hirns soll sich der Musiker darauf konzentrieren, dass der Ton richtig ist? Klar ist das wichtig, aber nicht alles. Es gibt auch Dirigenten, die sehr präzise dirigieren und zum Ensemble sagen: Schaut nur auf mich. Das mache ich nicht. Für mich sind die besten Sinfonieorchester diejenigen, die sich auch selbst einbringen.

Mit dieser Einstellung düfte es gar nicht so einfach gewesen sein, Ihre Karriere zu bestreiten.

Ich war auf jeden Fall etwas untypisch in der Branche. Als Kind war ich bereits vielseitig interessiert. Man hat mir immer gesagt, ich verzettele mich. Als ich dann mit 20 den Menuhin-Wettbewerb gewann, habe ich das Studium bei Yehudi Menuhin aufgenommen; er hatte mich sozusagen entdeckt. Ich wollte aber trotzdem nicht den ganzen Tag Geige üben. Menuhin hat mir empfohlen, meine Vielseitigkeit zu einer Tugend zu machen und mich überall langsam zu verbessern. Im Musikgeschäft ist das aber trotzdem nicht ganz einfach, und viele hören es nicht gern, wenn man sagt, dass man noch etwas anderes mag als Musik.

Bei Ihnen scheint das vor allem das japanische Essen zu sein. Sie haben im vergangenen Jahr in Wien ein Restaurant eröffnet. Wie kam es dazu?

Na ja, ich bin Japaner und mache klassische Musik. Und da kann ich meine japanische Seite nicht einfließen lassen. An der Wiener Staatsoper kann ich nicht Mozart dirigieren und ihn ein wenig asiatischer klingen lassen. Das würde nur als Unsinn aufgefasst werden. So kam die Idee mit dem Restaurant - ich bin begeisterter Hobbykoch. Ich hatte schon befürchtet, meine Kollegen sagen wieder: Typisch Joji, jetzt macht er schon wieder etwas Fachfremdes. Aber es kam genau andersherum. Viele meiner Freunde aus der Musikbranche kommen jetzt zum Essen her, und ich habe mehr Freundschaften und Kontakte als vorher. Und dadurch komme ich an neue Engagements oder kann selbst einfacher mit Leuten Kontakt halten, wenn ich sie für einen Auftritt engagieren will.

Wie häufig sind Sie in Ihrem Lokal anzutreffen?

Ich bin oft dort. Vor allem, um die Qualität zu prüfen. Ab und zu bringe ich auch eigene Ideen für Rezepte ein, die mein Team dann noch ­verfeinert. Außerdem habe ich durchgesetzt, dass es an der Bar als einziges nicht-japanisches Produkt spanischen Bellota-Schinken gibt. Den habe ich vor 15 Jahren entdeckt, seitdem bin ich Bellota-Fan.

Ähneln sich das Dirigieren eines Orchesters und das Leiten eines Restaurants?

Ja, ziemlich. Vor allem, wenn ich eine Opernproduktion leite, fällt mir das immer wieder auf. Dort hat man, wie in einem Restaurant, ein Team mit ganz verschiedenen Schwerpunkten. Musiker, Sänger, Requisiteure, Tontechniker, Lichttechniker. Auch die Vorbereitung auf eine Aufführung gleicht den letzten Minuten vor Beginn der Öffnungszeit im Lokal. Da kann es fünf Minuten vorher auch noch drunter- und drübergehen. Wichtig ist, dass alles passt, wenn sich der Vorhang öffnet oder die ersten hungrigen Gäste kommen.

In beiden Fällen bekommen Sie direkt Rückmeldung von den Kunden.

Genau, beim Essen noch unmittelbarer. Und was ich mache, das mache ich ja für die Menschen. Mir ist der kulinarische Genuss der Leute mindestens ebenso wichtig wie mein musikalisches Engagement. Auf eine einsame Insel zum Beispiel würde ich auf jeden Fall gutes Essen mitnehmen, aber wahrscheinlich nicht meine Geige. Was soll ich da alleine vor mich hin spielen?

Auf Mallorca spielen Sie nun seit eineinhalb Jahren mit Pablo Mielgo im Duett. Ihre Amtszeit ist zur Hälfte rum. Wie sieht die Zwischenbilanz aus?

Vorweg: Wir haben zwar den Vertrag bis Sommer 2017, doch der wird verlängert, sollten wir nicht anderweitige Pläne haben. Erste Gespräche zu einer Verlängerung haben wir bereits geführt. Ich glaube, wir haben schon einiges erreicht. Wir sind künstlerisch ein ganzes Stück vorangekommen und haben dabei das Glück, ein sehr engagiertes Orchester anzutreffen. Hier herrscht richtiger Enthusiasmus. Wichtig ist auch, dass das Orchester nun vollständig von der Regierung finanziert wird und es so besser vermarktet werden kann. Aus dem attraktiven Ziel Palma mit einem tollen Orchester kann man eine eigene Tourismussparte machen. Und schließlich ist es uns gelungen, dank des Engagements der Schweizer Bank Mirabaud zahlreiche Solisten von Weltrang ins Auditorium zu locken.