Würden die Islamisten des Daesch nicht so viel Leid und Schrecken verbreiten, dann gäbe es diese Ausstellung vielleicht gar nicht. Oder sie sähe anders aus. Piedad Solans, Kuratorin der Ausstellung „Waste Lands“, hat gemeinsam mit Nekane Aramburu, Leiterin des Es-Baluard-Museums, lange überlegt, welche Form sie ihrem Anliegen geben sollten.

Angst beeinflusste ihre Überlegungen, das gibt Solans offen zu. Die beiden überarbeiteten das anfängliche Konzept der Schau, die zehn junge Künstlerinnen des islamisch geprägten Kulturraums vorstellt. „Zunächst sollte der Körper im Mittelpunkt stehen“, erzählt Solans, „aber als wir bemerkten, dass viele Künstlerinnen, die provokativ arbeiten, von Fundamentalisten mit dem Tod bedroht werden, mussten wir umdenken.“ Nichts kann eine Ferieninsel im Mittelmeer weniger brauchen als einen Terroranschlag wie in Tunesien oder in der Türkei.

Vielleicht ist die Entscheidung der beiden Frauen sogar zum Vorteil der Schau geraten. Schließlich bietet sie Arbeiten, die sich vom naheliegenden Thema Körper entfernen und Aspekte wie Identität, Herkunft und Zugehörigkeit behandeln, insbesondere deren Beeinflussung durch gewaltsame Konflikte, Machtmissbrauch, Raubbau oder Plünderung. Die meisten Videos, Installationen und Fotos sind autobiografisch geprägt, thematisieren das Leben als Flüchtling, im Exil oder als Kind von Flüchtlingen.

Bei aller thematischer Zusammengehörigkeit sind die Arbeiten sehr unterschiedlich. Gezeigt werden zum Beispiel großformatige Aufnahmen eines „Kriegsmaschinenfriedhofs“ im Nordirak der Fotografin Tamara Abdul Hadi (Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, 1980). Oder die kleinformatigen Seiten aus den Büchern „Pipe Dreams“ und „Liquid Land“ von Rena Effendi (Baku, Aserbaidschan, 1977): Die Künstlerin porträtiert Menschen, die zwischen Industriemüll oder in total verschmutzten Landstrichen nahe oberirdisch verlaufender Erdölpipelines in Aserbaidschan, Georgien oder in der Türkei leben.

Die Marokkanerin Amina Benbouchta (Casablanca, 1963) zeigt unter anderem ein Fangeisen auf einem bestickten Samtkissen. Die systemkritische Installation heißt „Piège à loup“, Wolfsgrube, und setzt zwiespältige Assoziationen frei: Schmerz, Gefangenschaft, Luxus, Entspannung.

Ähnliche Botschaften haben die Installationen der Algerierin Zoulikha Bouabdellah (Moskau, 1977) und von Yara El-Sherbini (Derby, Großbritannien, 1978). El-Sherbini, Tochter eines Ägypters, hat sich ein makabres Geschicklichkeitsspiel ausgedacht: Sie hat die Wörter „Current“ und „Resistance“ in Draht geformt und unter Strom gestellt. Wer möchte, kann einen Metallring am Draht entlangführen, ohne diesen zu berühren. Gibt es doch Kontakt, ist ein fieser Surrton zu hören, der an Folter erinnert. Und Bouabdellah zeigt den Schlachtruf „Set Me Free From My Chains“ der ägyptischen Frauenbewegung der 1950er-Jahre und des arabischen Frühlings als Installation mit Holz, Ketten und Schlössern.

„Die Künstlerinnen fühlen sich auf keinen Fall als Opfer“, sagt Solans, „sie verbinden ein westliches, weibliches Selbstverständnis mit künstlerischer Suche nach Wurzeln und Traditionen.“

„Wir fordern unsere multiple Identität ein“, sagt zum Beispiel die afghanisch-libanische Künstlerin Mariam Ghani. „Sie birgt an sich schon ein Spannungsverhältnis, das besonders groß wird, wenn in einem der Zugehörigkeitsorte Konflikte herrschen.“ Ghani ist die Tochter des derzeitigen afghanischen Staatspräsidenten Aschraf Ghani. Sie wurde in New York geboren und lebt bis heute in Brooklyn. Ihre Videoinstallation „Kabul 2,3,4“ dokumentiert zwischen 2002 und 2007 die Verwandlung von Kabul nach Krieg und Besetzung.

Alle 22 Arbeiten sind in diesem Jahrtausend entstanden. Sie helfen, Länder wie Afghanistan, Irak, Ägypten, Aserbaidschan oder Marokko neu zu betrachten, „zu entziffern“, wie Solans sagt. Das gelingt vor allem deshalb, weil die meisten Künstlerinnen in den 1970er- und 80er-Jahren im Westen geboren oder aufgewachsen sind und seither zwischen Palästina und Norwegen, zwischen Afghanistan und den USA oder zwischen Berlin und Beirut pendeln. Künstlerisch erforschen sie Grenzen, persönlich empfinden sie Grenzland längst als ihre Heimat.

„Waste Lands“, 19. März bis 19. Juni. www.esbaluard.org