Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Guillem Nadal mit Feuer. Der Künstler aus Sant Llorenç liebt das Chaos, das Flammen verursachen, deren unvorhersehbaren Gang und die Spuren, die sie hinterlassen. „Wir sollten keine Angst haben, genau hinzusehen, zu deuten und zu erkennen", sagt der 58-Jährige geheimnisvoll.

Im Umgang mit Flammen ist Nadal tatsächlich ein echter Profi. So gibt es in der großen Ausstellung „La mirada del foc" (Der Blick des Feuers), die bis 28. August im Casal Solleric in Palma zu sehen ist, ein Video aus dem Jahr 1994. Das zeigt den Zündler in Aktion. Wie schafft er es nur, handgeschöpftes Papier oder dünne Zweige gezielt zu verbrennen, manchmal sogar wirklich Formen in die Materie zu brennen, also mit den Flammen zu malen?

Das Video „Mapa del foc" (Landkarte des Feuers) lüftet das Geheimnis: In einem ausgedienten Steinbruch bei Manacor legen Nadal und eine Mitarbeiterin auf dem Boden eine wohl mit Spiritus oder Ähnlichem getränkte Schnur aus, in der Form imaginärer Kontinente. Dann setzt er die Lunte mit dem Bunsenbrenner in Flammen und lässt sie brennen. Am Ende bleibt, was das Feuer hinterlassen hat: feine Linien aus Ruß und Ascheflocken.

Die Serien „Miralls del foc" (Spiegel des Feuers) oder „Mapes del foc" (Landkarten des Feuers) belegen diese Handfertigkeit besonders schön: Dort sind abstrakte Formen ins Papier gebrannt. Die Löcher und Rußspuren ergänzt der Künstler mit schwarzer Tinte oder mit textilen Elementen, Stofffetzen und Fäden, die er mit scheinbarer Willkür aufs Papier klebt und spannungsgeladen komponiert. Entfernt man sich aber von den 50 mal 60 Zentimeter großen Bildern, erkennt man, oh Schreck, Totenköpfe oder verkohlte, imaginäre Kontinente.

Wer die Arbeiten mit Sozialkritik oder als Aufruf zum Umweltschutz assoziiert, liegt nicht ganz auf Nadals Linie. Sein Anliegen ist ein ästhetisch-philosophisches, letztlich aber auch ökologisches. Ihn interessieren die Aussagekraft des Zufalls und die Energie der Natur sowie deren Impulse auf den Menschen.

Im Casal Solleric sind zwölf Arbeiten aus mehr als 20 Jahren ausgestellt. Nadal hat sie mit der ehemaligen Leiterin der derzeit führungslosen Ausstellungshalle, Pilar Ribal, zusammengestellt. Eigentlich wusste Nadal aber auch ohne die Kuratorin, was er wollte. „Beim Betrachten meines Werkes erkannte ich Zusammenhänge", sagt er, „die Ausstellung ist eigentlich von mir konzipiert."

Und diese Verbindungen bestehen nicht nur im Feuer. Formal ist sich Nadal auch bei der Monochromie, dem Spiel mit Schwarz und Weiß, mit Licht und Schatten und den abstrakten Formen der Natur treu geblieben, das sich bei ihm so leicht zu Konkretem, Sinnvollem verdichtet.

Die großformatigen Bilder „Caos" und „Codi", erschaffen im Jahr 2012, waren bereits 2014 im Centro Cultural Pelaires zu sehen: Zwei Bilder sind schwarz, eines ist weiß. Sie sind aus bestickter und bemalter Leinwand gefertigt und spielen mit Strukturen und Formen. In ihren Dimensionen täuschen sie den Betrachter: Sind es Satellitenaufnahmen einer verdörrten Landschaft oder Mikroskopbilder von Parasiten? Hergestellt in

Zusammenarbeit mit Stickerinnen in Thailand, wo Nadal seit 30 Jahren mehrere Monate im Jahr verbringt, verweisen sie auch auf die absolute Analogie seiner Arbeit: Nadal macht Kunst mit den Händen, mit einfachsten Hilfsmitteln - Nadeln, Stiften, Flammen - und mit Natur­materialien.

Eindrucksvoll und gehaltreich ist die Installation „Paisatge de memòria" (Landschaft der Erinnerung) aus dem Jahr 1994/2015. Die doppelte Jahreszahl verweist auf die Wiederaufnahme ­alter Arbeiten für die Ausstellung: Die beiden Hälften eines längs aufgeschnittenen, gipsernen Totenkopfes sind auf einem Tisch montiert, in etwa einem Meter Abstand. Der Tisch ist mit heller Asche bestreut. Sie ist zwischen den Schädelhälften angehäuft und bildet eine winzige Gebirgskette: der Gedankenstrang der Erinnerung, die Spur des Lebens in diesem Szenario des Todes. Nadals Arbeiten ziehen ihre Kraft aus dieser Gratwanderung zwischen Leben und Tod.

Den Anfang der Ausstellung bildet eine hohe Bronzeskulptur. Sie heißt „Illa", Insel, und zeigt einen menschlichen Torso auf einem Ast, der sich nach unten hin verzweigt. In kleineren Dimensionen taucht diese „Insel" auch in der Installation „Illes de sol" (Inseln der Sonne) auf. Hier stehen die Figürchen vor Bildern mit gemalten Schatten kahler Äste. Sie bilden ein karges, spannungsgeladenes Ensemble, lassen ein Gefühl von sengender Hitze und drohendem Feuer aufkommen. Oder ist etwa schon alles verkohlt?

La mirada del foc, Casal Solleric, Passeig del Born, 27, Palma. Di.-Sa. 11-14 und 15.30-20.30 Uhr, So. und feiertags 11.30 bis 14 Uhr, montags geschlossen. Bis 28. August. Eintritt frei. Weitere Infos im Internet: casalsolleric.palmademallorca.es